Bernhard Hassenstein

Bernhard Hassenstein

Bernhard Hassenstein (* 31. Mai 1922 in Potsdam) ist deutscher Verhaltensbiologe, Mitbegründer der Biokybernetik und emeritierter Professor.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Bernhard Hassenstein war ein Schüler des Verhaltensphysiologen Erich von Holst und zählt zu den namhaften Forschern auf den Gebieten der Verhaltensbiologie und der biologischen Kybernetik. Sein wissenschaftliches Werk enthält wesentliche Beiträge zum Bewegungssehen der Insekten und zum Farbensehen des Menschen. Er prägte die Begriffe „Injunktion“ (ein Mittel der Begriffsbestimmung in Gegenstandsbereichen, in denen die Anwendung einer Definition nicht sachgerecht ist) und „Tragling“ (getragenes Jungtier). Er bestimmte die Aggressionsarten und entwickelte kybernetische Modelle von Verhaltensweisen von Lebewesen, so zum Beispiel das Höchstwertdurchlassmodell.

Von 1939 bis 1949 studierte Hassenstein Biologie, Physik und Chemie in Berlin, Göttingen und Heidelberg. Vom dritten Semester an war er wissenschaftlicher Schüler von Erich von Holst. Während des Militärdienstes lernte er 1943 seinen Freund und späteren wissenschaftlichen Partner Werner Reichardt kennen. Er flüchtete 1945 aus der Kriegsgefangenschaft und setzte sein Studium fort. Ab 1948 war er als Assistent am Max-Planck-Institut für Meeresbiologie, Abteilung von Holst, in Wilhelmshaven tätig und wechselte dann von 1954 bis 1958 an das Zoophysiologische Institut der Universität Tübingen, wo er sich 1957 habilitierte.

1958 gründete Hassenstein gemeinsam mit dem Physiker Werner Reichardt und dem Ingenieur Hans Wenking die weltweit erste Arbeitsgruppe für Kybernetik am Max Planck-Institut für Biologie in Tübingen. 1960 wurde er als Professor für Zoologie an die Universität Freiburg berufen und reformierte dort gemeinsam mit Hans Mohr das Studium der Biologie im Sinne einer inhaltlichen und formalen Zusammenführung und gegenseitigen Durchdringung der Botanik, Zoologie, Humanbiologie und der allgemeinbiologischen Fächer Genetik, Molekularbiologie, Ökologie etc.

Von 1968 bis 1972 vertrat Hassenstein das Fach Biologie im Wissenschaftsrat; von 1974 bis 1981 war er Vorsitzender der Kommission „Anwalt des Kindes“ beim Kultusministerium von Baden-Württemberg. Ab 1974 unterstützte er seine Frau Helma Hassenstein bei der Begründung und Durchführung des „Programms Mutter und Kind – eine Hilfe für die alleinerziehende Mutter und ihr Kind“ in Baden-Württemberg. 1984 trat Bernhard Hassenstein in den Ruhestand.

Mitgliedschaften

Ehrungen

Hauptforschungsgebiete

Schriften (Auswahl)

  • Goethes Morphologie als selbstkritische Wissenschaft und die heutige Gültigkeit ihrer Ergebnisse. Weimar : Böhlau, 1950.
  • Prinzipien der vergleichenden Anatomie bei Geoffroy Saint-Hilaire, Cuvier und Goethe 1958.
  • Wie sehen Insekten Bewegungen? Naturwissenschaften 7, 207–214. 1961.
  • „Kybernetik und biologische Forschung“; in Gessner F: „Handbuch der Biologie, Teil I“, Frankfurt am Main. Akad. Verl.Ges. Athenaion, 1966.
  • Modellrechnung zur Datenverarbeitung beim Farbensehen. Kybernetik 4, 209-223, 1968
  • Politisches Verhalten als Problem der biologischen Anthropologie. Bad Godesberg : Alexander von Humboldt-Stiftung, 1968.
  • Tierjunges und Menschenkind im Blick der vergleichenden Verhaltensforschung. Stuttgart : Gentner, 1970.
  • Information and control in the living organism : an elementary introduction. London : Chapman Hall, 1971.
  • „Homoiostase und Koordination“, „Ordnungsleistungen des Zentralnervensystems“ und „Verhalten“; in Czihak G., Langer H. und Ziegler H.: „Biologie – Ein Lehrbuch“, Heidelberg, Berlin. 1976.
  • Biologische Kybernetik : eine elementare Einführung. 5. Aufl. – Heidelberg : Quelle & Meyer, 1977.
  • Das Kind im Vorschul- und Grundschulalter / Beitr. von Bernhard Hassenstein ; Gottfried Heinelt ; Christa Meves. – 7. Aufl.. – Freiburg im Breisgau : Herder, 1978.
  • Freiburger Vorlesungen zur Biologie des Menschen. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1979.
  • Instinkt, Lernen, Spielen, Einsicht : Einf. in d. Verhaltensbiologie. - München : Piper, 1980.
  • Biologische Teleonomie. In : Neue Hefte für Philosophie : Teleologie, 20, 1981.
  • Schulkinder-Hilfen : d. Empfehlungswerk d. Komm. Anwalt d. Kindes Baden-Württemberg / hrsg. Bernhard Hassenstein. – Luebeck : Hansisches Verlagskontor, 1981.
  • Erbgut, Umwelt, Intelligenzquotient und deren mathematisch-logische Beziehungen. Z.f.Psychologie 190, 345-365, 1982
  • Bernhard Hassenstein – Erzählte Erfahrung. Freiburg i. Br. : Rombach-Verl., 1991.
  • Otto Koehler : (1889–1974): In: Die Albertus-Universität zu Königsberg und ihre Professoren / hrsg. von Dietrich Rauschning ... – Berlin : Duncker & Humblot, 1995
  • Biologische Theorien und deren Einflüsse auf geistige Strömungen des 20. Jahrhunderts, 1996
  • Kindern geben, was sie brauchen : Entwicklungsphasen erkennen – Entwicklung fördern / Bernhard Hassenstein ; Helma Hassenstein. – Taschenbuchausg., 4. Aufl. – Freiburg im Breisgau ; Basel ; Wien : Herder, 2003.
  • Klugheit : Bausteine zur Naturgeschichte unserer geistigen Fähigkeiten. Berlin : bucheinband.de, 3. Aufl. 2004.
  • Verhaltensbiologie des Kindes (mit Helma Hassenstein) – 6. Aufl. – Münster : Monsenstein und Vannerdat, 2007.

Weblinks


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