Bernhard Bolzano

Bernhard Bolzano
Bernard Bolzano

Bernardus Placidus Johann Nepomuk Bolzano (* 5. Oktober 1781 in Prag; † 18. Dezember 1848 in Prag) war Philosoph, Theologe und Mathematiker. Der Satz von Bolzano-Weierstraß ist nach ihm benannt.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Bolzanos Vater war ein Kunsthändler aus Norditalien, seine Mutter Tochter eines deutschen Prager Kaufmanns. In seiner Kindheit wurde er stark von der Religiosität seiner Familie geprägt. Schon in der Jugend beschäftigte er sich mit wissenschaftlicher und politischer Literatur.

Nachdem er von 1791 bis 1796 das Gymnasium besucht hatte, studierte er Philosophie, Mathematik und Physik an der Prager Karls-Universität. Im Herbst 1801 begann er ein Theologiestudium, worauf er im Wintersemester 1804/05 promovierte und den Grad des Dr. phil. erhielt. Von 1786 bis 1872 war dafür an österreichischen Universitäten lediglich eine Prüfung und keine Dissertation erforderlich. Zwei Jahre später wurde er zum Priester geweiht und provisorischer Inhaber des neu errichteten Lehrstuhls für Religionsphilosophie. Obwohl er sich auch um den Lehrstuhl für Elementarmathematik bemühte, wurde dieser anderweitig besetzt. Am 2. Oktober 1806 wurde er dann zum ordentlichen Professor ernannt.

Er wurde am 19. Februar 1815 Mitglied der Königlichen Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften und 1818 Dekan der Philosophischen Fakultät der Prager Universität sowie Direktor der naturwissenschaftlichen Abteilung der Königlichen Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften.

Von seinen Studenten wurde er wegen seiner liberalen und böhmisch-patriotischen Ansichten bewundert. Bolzano, Sohn eines Italieners und einer Prager Deutschen wollte die Nationalismen überwinden in einem übergreifenden böhmischen Patriotismus. Josef Mühlberger schreibt in seiner "Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen" (München-Wien 1981:"Zu den trennenden Schranken zählte er auch den Nationalismus. Bolzano wurde zu einem Begründer und einer Stütze des Bohemismus, der sich über die beiden Nationen des Landes hinaus in gleicher Liebe und Verantwortung dem beiden Nationen gemeinsamen böhmischen Land verpflichtet fühlte." Seine Vorlesungen waren von gesellschaftlicher Kritik und analytischem Scharfsinn geprägt. Bolzano kritisierte die österreichische Verfassung und vertrat pazifistische und sozialistische Ansichten, deshalb wurde er am 24. Dezember 1819 begründet durch angebliche Irrlehren durch Kaiser Franz I. seines Amtes enthoben. Ihm wurde untersagt, weiterhin öffentliche Tätigkeiten anzunehmen. Die Entlassung war der Höhepunkt einer von 1816 bis 1825 dauernden Untersuchung gegen Bolzano, die auch die Gefahr einer Inhaftierung mit sich brachte. Der erste Band seiner Erbauungsreden (1813) und sein Lehrbuch der Religionswissenschaft wurden 1828 bzw. 1839 auf den Index gesetzt. Nachdem Franz I. 1835 starb, wurde die Überwachung Bolzanos gemildert und in den 1840er Jahren wurde ihm genehmigt, in den Abhandlungen der Königlichen Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften Arbeiten nichttheologischen Inhalts zu veröffentlichen.

Seit 1823 verbrachte er die Sommermonate in dem südböhmischen Dorf Těchobuz auf dem Gut der Familie Hoffmann. Von 1830 an wohnte er dort ganz. In den 1830er Jahren konzentrierte er seine Studien auf reelle Zahlen. Er formulierte eine Theorie reeller Funktionen und führte die nichtdifferenzierbare Bolzanofunktion ein.

Kurz bevor 1842 Frau Anna Hoffmann starb, kehrte er zu seinem Bruder nach Prag zurück. Am 18. Dezember 1848 starb auch Bolzano in Prag und hinterließ einen umfangreichen handschriftlichen Nachlass.

Werk

Als Mathematiker betrieb er Grundlagenforschung in der Analysis. Er konstruierte vermutlich als erster eine Funktion, die überall stetig aber nirgends differenzierbar ist. Ferner beschäftigte er sich mit großen und unendlich kleinen Zahlen.

Nach ihm benannt ist der mathematische Satz von Bolzano-Weierstraß.

Bolzanos philosophisches Werk ist von großer Bedeutung. Vor allem in seiner vierbändigen Wissenschaftslehre nimmt er zahlreiche Entwicklungen und Tendenzen der späteren Phänomenologie sowie der späteren analytischen Philosophie vorweg. Bemerkenswert ist dabei auch die Spannweite seiner philosophischen Arbeit: Sie reicht vom Utilitarismus (Ethik), über Logik, Ontologie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie bis in die Religionsphilosophie hinein, wobei sich Bolzano in seinen Erbauungsrreden durchaus auch mit allgemeinen Fragen des gesellschaftlichen Lebens auseinandersetzt (z. B. der Vaterlandsliebe).

Wegen Bolzanos oppositioneller Haltung zur kaiserlichen Autorität blieben zu seinen Lebzeiten viele seiner Werke in Manuskriptform und wurden erst spät nach seinem Tod wiederentdeckt. Im Folgenden sind einige seiner Werke nach dem Jahr ihrer Veröffentlichung aufgezählt.

  • 1810: Beyträge zu einer begründeteren Darstellung der Mathematik
  • 1810: Über die Vaterlandsliebe http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2007/9362/
  • 1816: Der binomische Lehrsatz
  • 1816: Über das Verhältnis der beiden Volksstämme in Böhmen http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2007/9363/
  • 1817: Rein analytischer Beweis des Lehrsatzes, daß zwischen zwey Werthen, die ein entgegengesetztes Resultat gewähren, wenigstens eine reelle Wurzel der Gleichung liege
  • 1827: Athanasia oder Gründe für die Unsterblichkeit der Seele
  • 1834: Lehrbuch der Religionswissenschaft
  • 1837: Wissenschaftslehre
  • 1851: Paradoxien des Unendlichen
  • 1867: Anti-Euklid
  • 1875: Größenlehre

Literatur

  • Otto Stolz B.Bolzano´s Bedeutung in der Geschichte der Infinitesimalrechnung, Mathematische Annalen Bd.18, 1881
  • K.-G. Wesseling: Bolzano, in Biograph.-Bibliograph. Kirchenlexikon, online hier:[1]
  • Eduard Winter: Bernard Bolzano. Ein Lebensbild, Stgt. 1969
  • Edgar Moscher: Bernard Bolzanos geistiges Erbe für das 21. Jahrhundert, Wien 1999
  • Curt Christian, Bernard Bolzano, Leben und Wirkung, Wien 1981
  • Gregor Zeithammer: Bolzano, Biographie (1836), Stuttgart 1997
  • Peter Demetz: Bernard Bolzano-Sprachtheorie und Nationalitätenkonflikt, in ders. Böhmen böhmisch, Wien 2006.
  • Giuseppe Rutto: Bernard Bolzano. Reformkatholizismus e utopia nella Praga della restaurazione, 1984

Weblinks


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