Berndorf Besteck

Berndorf Besteck

Die Berndorfer Metallwarenfabrik war ein bedeutendes Unternehmen in Berndorf in Niederösterreich, das auf die Wurzeln der deutschen Unternehmerfamilie Krupp zurückführt. Nicht zu verwechseln ist das ehemaligen Unternehmen mit der heutigen Berndorf AG, in dem Teile des ehemaligen Unternehmens aufgingen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Werbung aus dem Jahre 1906/07
Beispiel von Besteck aus einem alten Bestellkatalog um 1900
Berndorf Tafelbesteck

Die Berndorfer Metallwarenfabrik wurde von den beiden Unternehmern Alexander von Schoeller und Alfred Krupp im Jahr 1843 gegründet. Am Lauf der Triesting, die das Unternehmen mit Energie belieferte, wurde von den beiden ein Hammerwerk Dreitagwerk Wiesn im Gfang um 1.900 Gulden gekauft. Krupp fungierte vorerst nur als stiller Teilhaber in der k.k. privilegierten Metallwarenfabrik. Das Unternehmensziel war aus Pakfong industriell günstiges Tafelbesteck herzustellen. Mithilfe einer Stahlguss-Löffelwalze, die bei Krupp entwickelt wurde, wurden preisgünstig Löffel und Gabeln in großen Stückzahlen hergestellt. Besonders wichtig war die Herstellung von Alpakka-Silber, da es große Haltbarkeit hatte. Hermann Krupp, der Bruder Alfreds, kam 1844 als technischer Leiter in das Unternehmen, da sich der Anfang schwieriger gestaltete als erwartet. So benötigte das Unternehmen zehn Jahre, bis es in die Gewinnzone kam, und Hermann Krupp blieb bis an sein Lebensende in Berndorf.

Die Leobersdorfer Bahn ermöglichte ab 1877 die kostengünstige Belieferung der Fabrik mit Rohstoffen und den Bahntransport der Produkte in alle Teile des Reichs Kaiser Franz Josephs. Die Energie bezog man in Form von Braunkohle, die im nahe gelegenen Grillenberg in der Gemeinde Hernstein bis nach dem Zweiten Weltkrieg abbaute. Dazu führte eine Seilbahn über den Guglzipf, wo man heute die Trasse und Fundamente teilweise erkennen kann.

Hermann Krupp starb im Jahr 1879. Sein Sohn Arthur Krupp übernahm zunächste ein Drittel des Unternehmens mit bereits 1.000 Mitarbeitern. 1891 erwarb er die restlichen zwei Drittel von Schoeller. Täglich wurden 1.400 Dutzend Essbestecke hergestellt. Einerseits waren die Tafelbestecke hochwertige Massenware, so dass es einer breiten Käuferschicht zugängig wurde, andererseits zählte auch das Kaiserhaus zu den Kunden. Kunden waren vor allem Hotelbetriebe, Eisenbahn- und Schifffahrtslinien. Aber auch Kaiserin Elisabeth stattete das Achilleion auf Korfu sowie die kaiserliche Yacht Miramare mit Tafelbesteck aus Berndorf aus. Das Service ist heute in der Silberkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt. Der Bär, das Wappentier von Berndorf, wurde ab 1890 gemeinsam mit dem Namen Berndorf als Markenname verwendet.

Unter Arthur Krupp wuchs das Unternehmen weiter, die Schoeller'schen Anteile 1890 aufgekauft, ein Filialbetrieb in Traisen gegründet und 1898 das Stadttheater Berndorf gestiftet. Um die Jahrhundertwende kamen auch tschechische Arbeiter, die sich in Berndorf niederließen. Um diese Zeit waren bereits an die 4.000 Mitarbeiter beschäftigt. Im Muster- und Preisbuch aus dem Jahr 1893 findet man 305 verschiedene Produkte, die mit der Esskultur der damaligen Zeit zu tun haben. Die individuellen Entwicklungen wurden unter der künstlerischen Leitung des Architekten Ludwig Baumann im Unternehmen selbst durchgeführt.

Aus den Gewinnen des Unternehmens wurden viele soziale Einrichtungen in Berndorf errichtet, wie Wohnhäuser oder die heute noch berühmten Berndorfer Schulen. Rund 100 Millionen Euro umgerechnet wurde im Umfeld des Unternehmens vor allem im zur Stadt gewachsenen Berndorf investiert.

Im Laufe der Zeit wurden auch andere Produkte vor allem aus Bronze und Nickel hergestellt. So sozial sich das Unternehmen gegenüber der Arbeiterschaft verhielt, wurde es von den Sozialisten aber immer wieder argwöhnisch beobachtet. So gab es keine roten, sondern nur gelbe Betriebsräte, die dem Unternehmen genehm waren.

1897 reichte Arthur Krupp sein Gesuch um den k.u.k. Hoflieferantentitel ein, den er auch im gleichen Jahr erhielt. Krupp kaufte immer mehr verarbeitende Betriebe in Wien auf. Berndorfer stellte nicht nur Besteck und Service her, sondern nachdem Krupp ein Wiener Gußhaus 1896 erwarb, auch Denkmäler wie 1900 das Goethedenkmal in Wien.

Im Jahr 1914, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, hatte das Unternehmen bereits 6.000 Mitarbeiter nur am Standort Berndorf. Während des Krieges wurde es, wie alle anderen ähnlichen Betriebe auch, zum Rüstungsbetrieb umgestellt. 1918 kaufte er den ehemaligen Hofsilberarbeiter und Kammerlieferanten Klinkosch.

Nach dem Krieg kam durch das Wegbrechen der Kronländer als Kunden ein großer wirtschaftlicher Einbruch. Das führte vermehrt zu sozialen Spannungen, die teilweise auch zu Tätlichkeiten führten. In zahlreichen Ortschroniken, wie Gaaden oder Windischgarsten, um nur zwei zu nennen, erfährt man, dass nach dem Weltkrieg beschlagnahmte Glocken bei Krupp neu gegossen und ersetzt wurden.

Arthur Krupp wandelte das Unternehmen in die Arthur Krupp AG um und zog sich selbst immer mehr aus dem Unternehmen zurück.

Nach dem Anschluss im Jahr 1938 wurde die Firma Arthur Krupp dem deutschen Kruppkonzern eingegliedert, und so wurde auch im Dritten Reich die - im Volksmund so genannte - Berndorfer wieder kriegswichtiger Betrieb.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Fabrik durch die Sowjets übernommen und den USIA Betrieben eingegliedert. Erst der Staatsvertrag im Jahr 1955 ermöglichte es wieder als nunmehr staatliches österreichisches Unternehmen zu arbeiten.

Im Jahr 1957 wurde das Unternehmen mit dem ehemals unter amerikanischer Verwaltung gestandenen Aluminiumwerk in Ranshofen zur Vereinigte Metallwerke Ranshofen-Berndorf AG (VMW) zusammengelegt. 1984 wurde das Berndorfer Werk von der nunmehrigen Austria Metall AG (AMAG) wieder abgetrennt, 1988 zerteilt und die einzelnen Betriebsteile durch Management-Buy-out privatisiert.

Das gesamte Gelände bildet heute einen Industrie- und Gewerbepark, der wie ein Teil der ausgegliederten Betriebe von der Berndorf AG verwaltet wird. Die Marke Berndorf Besteck mit dem Bären als Symbol für das Essbesteck lebt nach wie vor. Der Firmenteil, der die Besteckerzeugung umfasst, wurde im Jahr 2000 an die französische Firma Guy Degrenne verkauft, die am selben Gelände diese als Teilbetrieb führt - 2007 wurde dieser Teilbereich allerdings wieder zurückgekauft[1].

Literatur

  • Ingrid Haslinger. Kunde – Kaiser. Die Geschichte der ehemaligen k. u. k. Hoflieferanten. Schroll, Wien (1996). ISBN 3-85202-129-4
  • krupp stadt museum BERNDORF (Hg.). Berndorfsilber - Tafeln mit Stil. Kral, Berndorf; Auflage: 1 (2007). ISBN 3902447214
  • Dietmar Lautscham: Arthur, der österreichische Krupp. Berndorf, Kral, 2005. ISBN 3-902447-12-5
  • Gunther Martin. Das Silberne Vlies: die österreichischen Krupps in Berndorf. Schriftenreihe der Handelskammer Niederösterreich. Linz (1978).
  • Peter Muschik, Berndorf Spuren von Krupp und Kaiser.
  • Krupps in Berndorf. Schriftenreihe der Handelskammer Niederösterreich, Linz 1978.
  • NÖ Museumsjournal Heft 4/2006

Einzelnachweise

  1. Berndorf Besteck: Der Bär ist wieder in Österreich zu Hause

Weblinks


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