Berlin-Krise

Berlin-Krise

Die Berlin-Krise beziehungsweise Zweite Berlin-Krise begann am 27. November 1958, als die Sowjetunion unter Nikita S. Chruschtschow eine Note an die drei westlichen Besatzungsmächte Berlins, die USA, Großbritannien und Frankreich, richtete. Diese Note wird als das Chruschtschow-Ultimatum oder auch Berlin-Ultimatum bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Grundlage für diese Note war die Aufkündigung des Viermächtestatus für Berlin und Gesamtdeutschland durch die Sowjetunion. Zwei Wochen zuvor, am 10. November 1958, hielt Chruschtschow im Moskauer Sportpalast eine Rede, in der es hieß:

„Die Imperialisten haben die deutsche Frage zu einer ständigen Quelle internationaler Spannungen gemacht […]. Man muss offen sagen, dass der Militarismus in Westdeutschland nicht nur nicht beseitigt ist, sondern im Gegenteil sein Haupt immer höher hebt […] Reden von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und verschiedene Manöver verweisen auf einen deutlichen politischen Trend der herrschenden Kreise Westdeutschlands […]. Offensichtlich ist die Zeit gekommen, dass die Mächte, die das Potsdamer Abkommen unterzeichneten, auf die Reste des Besatzungsregimes in Berlin verzichten und damit die Möglichkeit geben, eine normale Lage in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen. Die Sowjetunion ihrerseits wird alle Funktionen in Berlin, die noch sowjetischen Organen obliegen, an die souveräne Deutsche Demokratische Republik übertragen.“

Nikita S. Chruschtschow: Rede am 10. November 1958 im Moskauer Sportpalast

Note und Reaktion der Westmächte

In der Note forderte die Sowjetunion die Umwandlung West-Berlins in eine selbstständige politische Einheit zu einer so genannten Freien Stadt, die entmilitarisiert sein sollte. Diese Forderung beinhaltete dementsprechend die Forderung nach einem Abzug der Truppen der Westalliierten und war Bestandteil der Drei-Staaten-Theorie der Sowjetunion.

Am 14. Dezember 1958 bekräftigten die Außenminister der drei Westmächte Frankreich, Großbritannien und die USA und die Bundesrepublik Deutschland auf einer Konferenz in Paris ihre Entschlossenheit, ihre Rechte in Berlin zu wahren. Am 16. Dezember 1958 erklärten die Außenminister der NATO-Staaten nochmals, die Zugehörigkeit Berlins (West) zum Schutzbereich des NATO-Bündnisses. Zwei Tage später protestierte auch die Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) in Paris gegen die ultimative Drohung der Sowjetunion in der Berlin-Frage.

Die Bundesregierung lehnte in einer Note an die Sowjetunion am 5. Januar 1959 die Errichtung einer „Freien Stadt West-Berlin“ und die Anerkennung der DDR sowie eine Konföderation der beiden deutschen Staaten ab. Die Sowjetunion legte daraufhin am 10. Januar einen Entwurf für einen Friedensvertrag mit Deutschland vor. Außenminister Heinrich von Brentano wies diesen Vorschlag sofort zurück, in dem die 29 Teilnehmerstaaten des Krieges gegen Deutschland sowie die Bundesrepublik und die DDR aufgefordert wurden, innerhalb von zwei Monaten eine Friedenskonferenz unter deutscher Beteiligung einzuberufen.

Von Mai bis August 1959 kamen die Außenminister der Vier Mächte in Genf zu einer „Deutschlandkonferenz“ zusammen. Delegationen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik nahmen als Beobachter teil. US-Präsident Dwight D. Eisenhower bezeichnete die Respektierung der Rechte und Pflichten der Westmächte in Berlin als Mindestbedingung für seine Teilnahme an einer Gipfelkonferenz mit der Sowjetunion.

Am 8. September 1959 benannte Berlins Regierender Bürgermeister, Willy Brandt (SPD), vier Grundsätze der deutschen Berlin-Politik:

  • Berlin (West) gehört zum freien Teil Deutschlands
  • Das Selbstbestimmungsrecht der Berliner darf nicht geschmälert werden
  • Vier-Mächte-Verantwortung in und für Berlin und
  • Recht auf freien Zugang nach Berlin.

Als militärische Reaktion gründeten die westlichen Alliierten die geheime Organisation Live Oak‎, deren Aufgabe die Planung von Gegenmaßnahmen im Falle neuer sowjetischer Behinderungen auf den Transitwegen war. Sie bestand bis zum 2. Oktober 1990.

Erneute Forderungen

Die Sowjetunion stellte ihre Forderungen ein, weil ihr eigentliches Ziel, die Vereinigung Berlins und anschließende Eingliederung in die DDR, als nicht durchführbar betrachtet wurde. Sie drohte nun, dass sie mit der DDR einen separaten Friedensvertrag unterzeichnen und ihr die staatliche Souveränität übertragen würde, falls die Forderungen nicht innerhalb von sechs Monaten erfüllt würden, sodass sie die Kontrolle über alle Verkehrswege nach West-Berlin hätte. Damit sollte versucht werden, die Fluchtbewegung von Ost nach West über West-Berlin zu stoppen. Außerdem drohte die Sowjetunion mit einem Krieg, an dem sich alle Staaten des Warschauer Paktes beteiligen würden. Die Reaktion der drei Westmächte und des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, Brandt, war entschiedene Ablehnung, sodass das Ultimatum nach einem halben Jahr ergebnislos verstrich.

Bei seinem ersten Treffen mit dem neuen US-Präsidenten John F. Kennedy am 3. und 4. Juni 1961 in Wien erneuerte Chruschtschow das Berlin-Ultimatum. Kennedy konterte in einer Rundfunk- und Fernsehansprache am 25. Juli 1961 mit den Three Essentials, den drei unabdingbaren Grundsätzen:

  1. Das unantastbare Recht der Westmächte auf Anwesenheit in ihren jeweiligen Sektoren West-Berlins
  2. Das Zugangsrecht der Westmächte zur ehemaligen Reichshauptstadt Berlin
  3. Die Wahrung der Sicherheit und der Rechte der Bürger West-Berlins durch die westlichen Besatzungsmächte

Die Three Essentials wurden im Juni 1972 mit dem Inkrafttreten des Viermächteabkommens über Berlin gesichert.

Folgen

Konfrontation sowjetischer und amerikanischer Panzer am 27. Oktober 1961

Als Folge des Versuchs der SED-Führung, alliierte Rechte der Westmächte in Berlin einzuschränken, standen sich am 27. Oktober 1961 sowjetische und amerikanische Panzer am „Checkpoint Charlie“ gefechtsbereit gegenüber. Heute weiß man, dass die Kommandeure beider Seiten den Befehl hatten, ihre Panzer notfalls einzusetzen. Im November 1961 reagierten die USA auf die neuere Berlin-Krise mit der Operation Stair Step. Dabei wurden über 200 Kampfflugzeuge aus den Vereinigten Staaten über Kanada und die Azoren nach Frankreich verlegt und kehrten erst im August 1962 wieder in die USA zurück. Es folgte die Kuba-Krise, und in der Berlin-Krise gab es keine Fortschritte bei der Lösung der gegensätzlichen Positionen. Bis Anfang September 1963 gab es weiterhin Störungen des alliierten Zugangs nach Berlin, allerdings wird heute das Ende der Berlin-Krise mit dem Jahr 1962 angegeben.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Matthias Uhl: Krieg um Berlin? Die sowjetische Militär- und Sicherheitspolitik in der zweiten Berlin-Krise 1958 bis 1962. München 2008, ISBN 978-3-486-58542-1.
  • Gerhard Wettig: Chruschtschows Berlin-Krise 1958 bis 1963. Drohpolitik und Mauerbau. München 2006, ISBN 3-486-57993-2. (Rezension)

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