Bergsenkung

Bergsenkung
Die Fluchtstäbe zeigen die Bergsenkungen im Emscherbruch in Herten (Nähe Zeche Ewald 1/2/7 in den letzten 25 Jahren (1980: -7,8 m; 1985: - 3,8 m; 1990: - 1,3 m; 2000: Stilllegung)

Als Bergsenkung bezeichnet man bestimmte Bodenbewegungen, die aufgrund von Bergbautätigkeiten entstehen und sich bis zur Erdoberfläche auswirken. Durch die Bergsenkungen kann es zur Beeinträchtigung von Bauwerken und Landschaften kommen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Beim Abbau einer untertägigen Lagerstätte bleibt nach der Hereingewinnung des Bodenschatzes ein entsprechend großer Hohlraum zurück. Wird das Hangende nicht abgestützt, so bricht das Deckgebirge nach einer kurzen Zeit in den offenen Hohlraum hinein und verfüllt diesen. Dieser Vorgang pflanzt sich bis zur Erdoberfläche fort, sodass nach einer bestimmten Zeit wieder ein kompakter Gebirgskörper vorhanden ist.[2] Man unterscheidet dabei reguläre und irreguläre Bergsenkungen. Reguläre Bergsenkungen verlaufen allmählich und gleichmäßig, irreguläre Bergsenkungen verlaufen plötzlich und ungleichmäßig bis hin zum Tagesbruch. Reguläre Bergsenkungen sind typisch für den tiefen Bergbau, irreguläre Bergsenkungen entstehen durch den tagesnahen Bergbau.[3] Das Ausmaß der Bergsenkung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend für die Tiefe der Senkung ist, ob der Hohlraum mit Bergeversatz verfüllt wurde oder ob mit Bruchversatz gearbeitet wurde. Für die Form der Senkung ist das verwendete Abbauverfahren entscheidend. Bei der Verwendung von Bergeversatz wird dieser aufgrund des Gebirgsdruckes auf 30 Prozent seines Volumens zusammengedrückt.[4] Beim Örterbau und beim Kammerbau verhindern zunächst die Bergfesten eine Bergsenkung, werden diese Bergfesten mit geraubt, verbricht das Hangende. Wird der Örterbau beim tiefen Bergbau angewendet, kommt es zu regulären Bergsenkungen, beim tagesnahen Bergbau entstehen irreguläre Bergsenkungen. Beim Strebbau kommt es zu regulären Bergsenkungen. Durch den Weitungsbau und den Bruchbau kommt es zu irregulären Bergsenkungen, das Gebirge ist auf eine nicht bestimmbare Zeit in Bewegung und es besteht ständig die Gefahr der Bildung von Hohlräumen und des Nachbruchs der Gebirgsschichten. Beim Sinkwerksbau entstehen große Hohlräume, die sich mit der Zeit schließen, dadurch kommt es zu irregulären Bergsenkungen und auch zu Tagesbrüchen.[3]

Der Senkungstrog

Unterschiedliche Senkungströge

Durch die reguläre Bergsenkung bildet sich an der Tagesoberfläche ein Senkungstrog, auch Senkungsmulde genannt. Diese Senkungsmulde wandert an der Tagesoberfläche hinter der Abbaurichtung her. Dadurch kommt es an der Geländeoberfläche zu horizontalen und vertikalen Verschiebungen und Stauchungen. Insbesondere an den Kanten des Senkungstrogs führt dies zu starken Spannungen. Die Größe des Senkungstroges wird neben der Abbaufeldgröße auch durch den Bruchwinkel bestimmt. Dieser Bruchwinkel wird bestimmt durch den natürlichen Böschungswinkel der Gebirgsschichten. Er verläuft in weichen Gesteinsschichten flacher und in festen Gesteinsschichten steiler. Bedingt durch den Bruchwinkel wird der Senkungstrog größer als das eigentliche Abbaufeld war. Auf den Bruchwinkel hat neben der Gebirgsart auch die Lage der Abbaugrenzen einen wesentlichen Einfluss.[5] Im Braunkohlentiefbau wird sich in der Regel ein Bruchwinkel von 72 Gon einstellen. Im Festgestein des Ruhrgebiets beträgt der Bruchwinkel unter Berücksichtigung des Schichteneinfallens zwischen 75,6 und 91 Gon. Im Erzgebirge ist bei den vorhandenen Gneisschichten ein Bruchwinkel von 77,8 Gon zugrundezulegen.[6] Die Tiefe des Senkungstroges ist abhängig von der Höhe der abgebauten Flöze, sie beträgt zwischen dem 0,5 fachem der Flözhöhe bei Bergeversatz und dem 0,9 fachem bei Bruchversatz.[4]

Auswirkungen

Durch Bergsenkung notwendig gewordener technischer Ausbau der Seseke

Die Bergsenkungen sind, bedingt durch die unterschiedlichen Mächtigkeiten der Lagerstätten, nicht an jeder Stelle gleich stark. Dadurch kommt es zu regional unterschiedlichen Absenkungen, deren Höhenunterschiede oft mehrere Meter betragen, es entsteht eine ungleichförmige Landsenkung. Dies hat einen großen Einfluss auf das natürliche Gefälle der Flüsse und Bäche der jeweiligen Region.[7] Bedingt durch den zeitlichen Ablauf der Senkung kommt es zu Veränderung der Grundwasserflurabstände und der Vorfluter.[8] Aufgrund der Bergsenkungen sind alleine im Ruhrgebiet Polderflächen von rund 75.000 Hektar entstanden. Damit nicht ganze Landstriche überfluten, ist es aufgrund der Bergsenkungen erforderlich, den Wasserspiegel der Vorfluter künstlich hochzuhalten. Dies geschieht durch Eindeichungen, das tieferliegende Wasser muss in die Vorfluter gepumpt werden.[9] Durch die Bergsenkungen werden oftmals wassertragende Schichten zerstört, sodass das Grundwasser nach unten weglaufen kann.[5] Durch die Bergsenkungen kann es auch zur Trübung des Wassers bei Tiefbrunnen kommen.[10] Durch die Zerklüftungen des flözführenden Karbons, aufgrund der Bergsenkungen, kann es zu Methanausgasungen an der Tagesoberfläche kommen.[11] Durch die Bergsenkungen kommt es in bebauten Gebieten zur Beeinflussung der Infrastruktur und der Gebäude.[5] Dabei sind einfache reguläre Bergsenkungen meist unproblematisch. Problematisch sind Bergsenkungen im Bereich der Randzonen insbesondere in Zerrungsgebieten.[12]

Zeitlicher Ablauf

Die Bergsenkungen sind bereits nach wenigen Jahren abgeklungen. Im Ruhrgebiet ist mit einer Bergsenkung nach einer Zeit von sechs Monaten bis zu drei Jahren nach Durchlauf des Abbaus zu rechnen. Im polnischen Bergbau liegt die Bewegungsdauer bei maximal fünf Jahren.[6] In der Regel werden bereits nach dem ersten Jahr 75 Prozent und nach dem zweiten Jahr 90 Prozent der kompletten Senkung erreicht.[12] Anders sieht die Situation beim oberflächennahen Bergbau aus, hier ist ohne zeitliche Begrenzung jeder Zeit mit einer Bewegung des Deckgebirges zu rechnen. In der Regel entstehen beim oberflächennahen Bergbau Bergsenkungen, die im Bereich von einigen Dezimetern liegen, im Extremfall kann es aber auch hier noch lange nach dem Ende der Abbautätigkeit zu Tagesbrüchen kommen.[13]

Geländebeurteilung

Zur Beurteilung von Bergsenkungen und anschließenden Bergsenkungsprognosen ist es erforderlich, das betreffende Gelände zu kartieren. Dabei wird zunächst eine Vorauswertung mittels vorhandener geologischer und hydrologischer Karten getätigt. Brauchbar sind auch topographische historische Karten. Anhand dieser Karten können Geologen bereits erste Erkenntnisse gewinnen, ob das Gelände bereits bergmännisch bearbeitet wurde und wie die Gesteinsformationen des Geländes sind. Eine weitere Möglichkeit zur Geländebeurteilung ist die Auswertung von Luftbildern. Anhand der unterschiedlichen Luftbilder lassen die Vergleiche zwischen alten und aktuellen Bildern Veränderungen im Relief der Geländeoberfläche erkennen. In Bergbaugebieten werden die markscheiderischen Risswerke zur Beurteilung herangezogen. Weitere Verfahren sind die Überprüfung der Hydrologie Ansprache und die Überprüfung der biologischen Veränderungen des Geländes. Pflanzen reagieren oftmals recht unterschiedlich bei der Veränderung der Wasserverhältnisse. Auch die Überprüfung der Straßen und Wege und Bauwerke lassen eine Beurteilung zu. Sämtliche gewonnen Erkenntnisse werden kartiert und miteinander verglichen.[3]

Seit den 1980er Jahren werden im Ruhrgebiet großräumige Bodenbewegungen erfasst, hierzu verwendet man aerophotogrammetrische Messungen. Die Geländeoberfläche wird dabei zunächst in mehrere großflächige Untersuchungsräume aufgeteilt, jeder Untersuchungsraum wird anschließend durch ein Punktfeld abgebildet. Die Höhenänderungen des Geländes werden über eine Differenzbildung der einzelnen Messpunkte ermittelt. Da Senkungen nicht nur durch bergbauliche Tätigkeiten erfolgen, werden andere nicht bergbauliche Senkungen ermittelt und entsprechend ausgeschlossen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden mit einem speziellen Computerprogramm ausgewertet.[14]

Bergsenkungsprognosen

Anhand der gewonnenen Erkenntnisse werden mittels mechanischer und empirischer Modelle Bergsenkungen prognostiziert. Bei regulären Bergsenkungen gibt es Erkenntnisse, die sich aufgrund langjähriger Beobachtungen ableiten lassen. Unter der Voraussetzung, dass der entstandene Hohlraum nicht verfüllt wird, wird das Verhältnis der maximal zu erwartenden Bergsenkung zur abgebauten Flözmächtigkeit gebildet und als Bergsenkungsfaktor definiert. Für das Ruhrgebiet, die britischen und französischen Kohlereviere und für die meisten russischen Kohlereviere gilt ein Bergsenkungsfaktor k von 0,9. In Großbritannien wurden Senkungsmessungen bei tiefen Abbaufeldern durchgeführt. Anhand dieser Messungen wurden empirische Senkungsdiagramme entwickelt. Unter Zuhilfenahme diese Senkungsdiagramme lassen sich für die jeweiligen Gebiete die maximal zu erwartende Tiefe des Senkungstroges prognostizieren. Außerdem lassen sich anhand dieser Diagramme die Ausdehnungen und Form des Senkungstroges darstellen. Unter der Zuhilfenahme weiterer Diagramme lassen sich auch die zu erwartenden Stauchungen und Dehnungen der Erdoberfläche abschätzen. Auch für die Bergbaureviere anderer Länder lassen sich empirische Bergsenkungsdiagramme erstellen.[3]

Literatur

  • Helmut Kratzsch: Bergschadenkunde. 5. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Papierflieger Verlag GmbH, Clausthal-Zellerfeld 2008, ISBN 3-00-001661-9

Einzelnachweise

  1. DEW21-Netz: Energie- und Wasserlexikon (abgerufen am 10. Mai 2011)
  2. Steinkohle vor Ort: Wie entsteht eine Bergsenkung (abgerufen am 10. Mai 2011)
  3. a b c d Dieter D. Genske: Ingenieurgeologie Grundlagen und Anwendung. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-25756-1
  4. a b Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde. 6. Auflage, Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1903
  5. a b c Fritz Heise, Fritz Herbst: Lehrbuch der Bergbaukunde mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaus. Erster Band, Verlag von Julius Springer, Berlin 1908
  6. a b Günter Meier: Zur Bestimmung von altbergbaulich bedingten Einwirkungsbereichen (abgerufen am 10. Mai 2011)
  7. Diethard E. Meyer: Geofaktor Mensch Eingriffe und Folgen durch Geopotenzialnutzung (abgerufen am 10. Mai 2011)
  8. Stadt Hamm: Waldentwicklungskonzept (abgerufen am 10. Mai 2011)
  9. Dietmar Schulz: Ruhrbergbau und Wasser, Bergematerial und Grundwasser (abgerufen am 10. Mai 2011)
  10. Klaus Joachim Soiné: Handbuch für Wassermeister. Wissenswertes für den Betrieb von Wasserversorgungsanlagen. DVGW, 4. Auflage, Oldenburg 1998 ISBN 3-486-26392-7
  11. Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: Ist der Baugrund sicher? Die Altbergbausituation in NRW (abgerufen am 10. Mai 2011)
  12. a b Carl Hellmut Fritzsche: Lehrbuch der Bergbaukunde. Zweiter Band, 10. Auflage, Springer Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1962
  13. Werner Grigo, Michael Heitfeld, Peter Rosner, Andreas Welz: Ein Konzept zur Überwachung der Auswirkungen des Grubenwasseranstiegs im Ruhrgebiet. Altbergbau-Kolloquium, Freiberg 2007 (abgerufen am 10. Mai 2011)
  14. Andreas Streerath, Rainer Roosmann: Analyse und Modellierung großräumiger bergbaubedingter Senkungen aus photogrammetrischen Beobachtungen (abgerufen am 13. Mai 2011)

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