Überinvestitionstheorie

Überinvestitionstheorie

Überinvestitionstheorien sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte Beiträge zur Konjunkturtheorie. Unterschieden werden die monetäre Überinvestitionstheorie von Knut Wicksell und Friedrich August von Hayek sowie die nichtmonetäre Überinvestitionstheorie von Gustav Cassel, Arthur Spiethoff und Joseph Schumpeter.

Inhaltsverzeichnis

Knut Wicksell

Wicksell untersuchte, auf welche Weise eine Volkswirtschaft im Gleichgewicht auf monetäre Impulse reagiert. Er unterscheidet zwischen einem natürlichen Kapitalzins und dem Geldzins. Der natürliche Kapitalzins ist der Zins, bei dem in einer reinen Tauschwirtschaft Ersparnis und Investition ausgeglichen sind. Er entspricht der Grenzproduktivität des Kapitals. Der Geldzins ist der Zins, für den am Markt Kredite aufgenommen werden können.[1]

Gemäß der monetären Überinvestitionstheorie nach Wicksell kommt es zu einem Anstieg der internen Verzinsung der Unternehmen, also des „natürlichen Zinssatzes“, etwa durch technischen Fortschritt, über den bestehenden Geldzinssatz. Auf dem Kapitalmarkt steigt die Nachfrage nach Krediten, um neue Investitionen zu finanzieren. Zunächst nährt die zusätzliche Liquidität den Aufschwung, in dessen Verlauf auch Investitionsprojekte mit niedrigeren (erwarteten) Renditen finanziert werden. Diese erhöhte Kreditnachfrage wird von den Banken befriedigt, die Giralgeldmenge wird ausgeweitet. Es steigt die Nachfrage nach Sachkapital, während das Angebot konstant bleibt. Dies führt zusammen mit der wachsenden Giralgeldmenge zu einem steigenden Preisniveau, ohne dass sich die realen Größen ändern. Der inflationäre Prozess kommt erst zu einem Ende, wenn die Banken den Geldzins dem natürlichen Zins erneut anpassen.

Ludwig von Mises

Ludwig von Mises rückte die Wirkung einer expansiven Geldpolitik in den Mittelpunkt. Er untersuchte also den Fall, dass die Banken durch Giralgeldschöpfung den Geldzins unter die Höhe des natürlichen Zinses senken. Den natürlichen Zins nimmt er im Rahmen seiner Analyse als konstant an. Er erkannte, dass ein monetärer Impuls nicht gleichmäßig auf die Struktur der Preise wirkt. Die Preise für Rohstoffe und Halbfabrikate und die Löhne stiegen früher als die Preise konsumnäherer Güter.[2]

Friedrich August von Hayek

Hayek untersuchte die Wirkung monetärer Impulse nicht nur auf die Wirtschaft als Ganzes, sondern auch, wie die Produktionsstruktur beeinflusst wird. Dazu erweiterte er die Modelle seiner Vorgänger um das Produktionsstrukturmodell einer temporalen Kapitaltheorie. In dieser Theorie braucht der Produktionsprozess Zeit, was bei nichttemporalen Theorien unberücksichtigt bleibt. Hayek geht von einem einfachen, linearen Modell aus, bei dem die Konsumgüter in einem stufenförmigen Prozess entstehen.[3] Aus den Produktionsfaktoren Arbeit und Boden entsteht Kapital, das durch weiteres Hinzufügen von Arbeit und Boden zu konsumnäheren Gütern umgewandelt wird. In der letzten Produktionsstufe entstehen aus den Kapitalgütern schließlich Konsumgüter. In diesem Modell besteht das Kapital ausschließlich aus Umlaufkapital.

Ein Produktionsumweg kann sich lohnen, wenn die Produktion dadurch effektiver wird. Dem steht der Zins entgegen, weswegen eine Produktion lukrativer ist, die weniger Zeit benötigt. Daher führt ein niedriger Zins dazu, dass eine kapitalintensivere Produktion begünstigt wird. Hat der niedrigere Zins reale Ursachen, etwa eine erhöhte Sparquote, führt er zu einer größeren Produktion. Ist er jedoch auf eine erhöhte Vergabe von Krediten zurückzuführen, steigt die Nachfrage nach Kapitalgütern, ohne dass die Konsumnachfrage fällt. Das führt mittelfristig zu Inflation. Wenn die Banken die Kreditvergabe nicht systematisch ausweiten, müssen sie den Zins wieder anheben. Die neugeschaffenen konsumfernen Produktionsstufen werden wieder unrentabel. Investitionsprojekte, die zum bisherigen Geldzinssatz noch rentabel waren, werden abgebrochen. Da es an Zwischenprodukten fehlt, kann die konsumnahe Produktion nur mit einer Verzögerung der Nachfrage angepasst werden. Das führt zu Arbeitslosigkeit und einer allgemeinen Wirtschaftskrise.

Vorgeschlagene Gegenmaßnahmen

Nach Wicksell müsste die Zentralbank rechtzeitig den Leitzins anheben, um der Überinvestitionskrise vorzubeugen.[4] Auch Hayek empfiehlt eine rechtzeitige Anhebung des Leitzinssatzes durch die Zentralbank, wodurch aber die Finanzkrisen nicht völlig vermieden werden könnten.[5]

In einer späteren Schaffensperiode machte Hayek den politischen Einfluss auf die Zentralbanken für eine zu expansive Geldpolitik verantwortlich.[6] Er vertrat daraufhin die Ansicht, dass der einzige Weg, monetäre Stabilität zu erreichen, die Entstaatlichung des Geldes sei.[7]

Literatur

Weblinks

Belege

  1. Georg Ewerhart: Geld und Produktionsstruktur. Duncker und Humblot, Berlin 1991. S. 8. (Volkswirtschaftliche Schriften. Heft 416.)
  2. Vergleiche Ludwig von Mises: Geldwertstabilität und Konjunkturpolitik. Jena 1928. S. 45.
  3. Georg Ewerhart: Geld und Produktionsstruktur. Duncker und Humblot, Berlin 1991. S. 9. (Volkswirtschaftliche Schriften. Heft 416.)
  4. Gunther Schnabl /Andreas Hoffmann: Geldpolitik, vagabundierende Liquidität und platzende Blasen in neuen und aufstrebenden Märkten Download vom Wirtschaftsdienst 2007/4
  5. Friedrich August von Hayek: Geldtheorie und Konjunkturtheorie, Wien/Leipzig 1929
  6. Friedrich August von Hayek: Denationalisation of Money. Institute of Economics Affairs, London 1976 (PDF)
  7. Kevin Dowd: Experience of Free Banking. Routledge, London 1992, S. 4.

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