Ölsand

Ölsand

Als Ölsand wird eine Mischung aus Ton, Silikaten, Wasser und Kohlenwasserstoffen bezeichnet. Die Kohlenwasserstoffe von Ölsanden sind sehr unterschiedlich zusammengesetzt, von Bitumen bis hin zu normalem Rohöl. Liegt der Ölsand lange Zeit an der Oberfläche, dann oxidiert er teilweise und die leichter flüchtigen Bestandteile verdampfen; es entsteht Asphalt.

Ölsand-Lagerstätten werden bevorzugt im Tagebau ausgebeutet. Eine Gewinnung von Ölsanden aus tieferen Erdschichten ist ebenfalls möglich, beispielsweise zu früherer Zeit in Wietze. Dort wurde eine wenige hundert Meter tiefe Erdöl-Speicherlagerstätte bergmännisch abgebaut.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung

Ölsand ist hydrophil, das heißt: zwischen dem Sandkorn und dessen Kohlenwasserstoffhülle befindet sich ein sehr feiner Wasserfilm. Der Kohlenwasserstoffanteil in den Sanden liegt zwischen einem und 18 %. Ölsand mit einem Kohlenwasserstoffgehalt von unter 6 % abzubauen ist technisch möglich, jedoch zur Zeit (Stand 2007) unwirtschaftlich. Im Durchschnitt benötigt man 2 Tonnen Ölsand, um ein Barrel (159 Liter) Rohöl zu gewinnen.

Vorkommen

Athabasca-Ölsand

Ölsandlagerstätten gibt es auf der ganzen Welt, die größten befinden sich in Venezuela und Alberta, Kanada. Die Ölsandvorräte könnten rund zwei Drittel der weltweiten Öl-Ressourcen ausmachen.

Orinoco-Ölsand

Etwa ein Drittel der weltweiten Ölsandvorkommen mit 1,8 Billionen Barrel (≈ 2,86 km³) Öläquivalent lagert am Orinoco in Venezuela.

Athabasca-Ölsand

Hauptartikel: Athabasca-Ölsande

Ein weiteres Drittel, mit 1,7 Billionen Barrel (≈ 2,70 km³) lagert in Kanada. Davon sind gegenwärtig etwa 180 Milliarden Barrel wirtschaftlich abbaubar.

Weitere Lagerstätten

Weitere Lagerstätten befinden sich in Saudi-Arabien und anderen Ländern des Nahen Ostens. In den USA sind die Utah-Ölsande mit 32 Milliarden Barrel bedeutend. Deutsche Vorkommen in der Lüneburger Heide bei Wietze wurden von 1918 bis 1964 bergmännisch abgebaut.

Abbau und Gewinnung

Tagebau der Syncrude Canada Ltd. zur Verarbeitung der Athabasca-Ölsande in Alberta

Tagebau und In-situ-Verfahren

Es werden zwei Grundtechniken angewandt um die Ölsande abzubauen. In den Regionen, wo die Ölsande aufgeschlossen bzw. von weniger als 75 m Sediment bedeckt sind, kann man sie ohne größere technische Probleme im Tagebau fördern.

Bei unterirdischen Lagerstätten, ab einer Tiefe von etwa 75 m, bedient man sich so genannter „In situ“-Methoden. Das bedeutet, dass bei dieser Technik der Ölsand an Ort und Stelle verbleibt, nur das Bitumen wird mittels verschiedener Verfahren vom Sandkorn getrennt und fließfähiger gemacht, damit es abgepumpt werden kann.

Es gibt 4 hauptsächliche „In situ“-Techniken, um das Bitumen zu fördern. Jedoch funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip: die langkettigen Kohlenwasserstoffe des hochviskosen Bitumens lassen sich durch Hitzeeinwirkung aufspalten. Das führt dazu, dass die Viskosität des Bitumens abnimmt und es fließfähiger wird. Danach kann man das Rohöl ganz konventionell abpumpen.

Die Verfahren heißen:

  • SAGD (engl. „steam assisted gravity drainage“)
  • CSS (engl. „cyclic steam stimulation“)
  • THAI (engl. „toe to heel air injection“)
  • VAPEX (engl. „vapor extraction process“)

Bei der üblichen in-situ-Methode (SAGD) wird durch eine Bohrung heißer Wasserdampf in das Gestein gepresst, der die komplexen Kohlenwasserstoffketten des Bitumens knackt (Hydrocracken) und das Bitumen fließfähiger macht. Das nun niederviskose Bitumen wird dann über eine zweite Bohrung abgepumpt.

Verarbeitung

Das im Tagebau bzw. in-situ gewonnene Bitumen muss in mehreren Schritten (Extraction, Upgrading) weiterverarbeitet werden, um es für die Herstellung von z. B. Treibstoffen brauchbar zu machen (synthetisches Rohöl).

Beim „Extraction-Process“ wird das durch Tagebau gewonnen Bitumen zunächst gewaschen, um es grob vom Sand zu trennen. In einem Silo wird diese Mixtur aus Wasser und Ölsand gelagert und mit Trennungsmitteln zur „Separation“ bewegt. Dabei sinkt der schwere Sand nach unten, das Rohöl sammelt sich im Schaum ganz oben. Die „Midlings“, immer noch gemischte Bestandteile des Separationsprozesses, werden einer weiteren Separation unterzogen.

Nun kommt es zum „Upgrading“ ,dem Prozess der Umwandlung von Bitumen zu synthetischem Rohöl. Grundsätzlich wird hierbei die Aufspaltung der langkettigen Kohlenwasserstoffe durch Temperatur, Katalysatoren, Wasserstoff-Zugabe (zur Erhöhung des Wasserstoff-zu-Kohlenstoff-Verhältnisses) angestrebt. Anschließend wird es gereinigt, d. h. von z. B. Schwefel befreit. Das entstandene schwefelarme „sweet crude-oil“ ist leicht zu raffinieren und weiterzuverarbeiten.

Kosten und Wirtschaftlichkeit

Die kanadischen Athabasca-Ölsandminen können mit dem gegenwärtigen Heißwasser-Prozess geschätzte 750.000 Barrel (119.250 m³) Rohöl pro Tag liefern. Da nach Überschreiten des globalen Ölfördermaximums die Kapazität der herkömmlichen Ölquellen zurückgeht, werden nichtkonventionelle Ölressourcen wie Ölsand künftig zunehmend zur Ölgewinnung herangezogen werden. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass durch die Förderung von Ölsanden der zu erwartende Förderrückgang des konventionellen Öls ausgeglichen werden kann.

Im Jahr 2002 führte die Einbeziehung des Ölsandes in die Berechnung der wirtschaftlich förderbaren Ressourcen zu einem sprunghaften Anstieg der weltweiten Erdölreserven um 17,8 % beziehungsweise 25 Milliarden Tonnen. Allerdings ist die Gewinnung aus Ölsand nicht äquivalent zur Förderung konventionellen Erdöls und der Zuwachs daher kritisch zu betrachten.

Im Jahr 2004 wurden täglich 1 Million Barrel (159.000 m³) Bitumen aus Ölsand gewonnen. Die Produktionskosten sollen derzeit (Stand 2005) unter 20 US-Dollar pro Barrel liegen. Die Produktionskosten von Rohöl aus Ölsanden sind hingegen höher und betragen bis zu 40 US-Dollar je Barrel (Stand 2003).[1]

Die Kostenfrage ist mittlerweile unternehmensseitig die größte Herausforderung bei der Exploration der kanadischen Athabasca-Vorkommen. Die noch nicht aktiv an der Ölsandförderung beteiligte Firma Western Oil Sands äußerte deutliche Sorge, dass ihre geplanten Aufwendungen für die Ölsandförderung aus dem Ruder laufen könnten. Einem Bericht des Rohstoff-Infodienstes platts.com vom 6. Juli 2006 zufolge habe Western Oil Sands seine anfängliche Budgetfestlegung von 13,5 Milliarden Kanadische Dollar (zirka 12,2 Milliarden US-Dollar) bereits um 50 % überschritten. Auch die bereits voll produktiven Firmen wie Suncor Energy sind besorgt hinsichtlich der Kosten geplanter Expansionen.

Die Berechnung der Kosten und Wirtschaftlichkeit einer Förderung von Ölsanden ist schwierig, da unklar ist, in welcher Höhe ökologische Kosten einberechnet werden müssen.

Viele Investoren bevorzugen Ölsand-Unternehmen, weil diese kein Explorationsrisiko beinhalten, das heißt nie ohne Rohstoffe dastehen werden, wie es konventionellen Ölförderern und anderen Bergbaugesellschaften blühen kann, wenn sie keine neuen Vorkommen mehr finden.[2]

Umweltauswirkungen und Klimaschutz

Nachteile des Verfahrens sind der große Wasserverbrauch, der Energiebedarf zum Erzeugen des Dampfes, das Problem der Wasserentsorgung, mögliche unterirdische Umweltschäden und der Verlust an Wäldern und Mooren. Kritiker machen geltend, dass der massive Wasserverbrauch einer Produktion in großem Stil im Wege steht. Befürworter halten dagegen, dass technische Verbesserungen die Effizienz des Wassereinsatzes steigern werden.

Die Bergbauextraktion des Ölsandes hat eine direkte Auswirkung auf die lokalen und globalen Ökosysteme. In Alberta zerstört diese Form der Ölextraktion vollständig den borealen Wald, die Moore, die Flüsse sowie die natürliche Landschaft.[3] Es ist zweifelhaft, ob sich in den Abbaugebieten jemals wieder das bisherige natürliche Ökosystem entwickeln wird. Trotz Projekten der Bergbauindustrie, welche die Zurückgewinnung des borealen Waldes in Alberta zum Ziel haben, ist mehr als 30 Jahre nach Beginn des Abbaus keines der Gebiete als „zurückgewonnen“ zertifiziert.

Für jedes produzierte Barrel synthetischen Öls werden mehr als 80 Kilogramm Treibhausgase in die Atmosphäre freigegeben und ungefähr 4 Barrel des Abwassers werden in Teiche entleert. Das erwartete Wachstum der Erdölgewinnung in Kanada bedroht auch seine internationalen Verpflichtungen. Als Kanada das Kyoto-Protokoll bestätigte, war es damit einverstanden, seine Treibhausgasemissionen um 6 Prozent bis 2012 zu verringern. Dennoch hatten um 2002 die Treibhausgasemissionen Kanadas um 24 Prozent zugenommen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Esso verkündet das „Öldorado 2003“, Telepolis 20. Juni 2003
  2. Erdöl-Förderer ohne Risiko, WirtschaftsWoche/Hankes Börsen-Bibliothek 19. Juli 2011
  3. Peter Mettler: Petropolis. Aerial Perspectives on the Alberta Tar Sands. Dokumentarfilm, Kanada 2009

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Ölsand – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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