Zweckrationalität

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Rationalität (von lat. rationalitas = Denkvermögen, von ratio = Vernunft) ist ein Begriff mit einer Vielzahl an Bedeutungen.

Auf allgemeinster Ebene enthält der Begriff vier Bedeutungen:

  • Erstens wird damit eine bestimmte Beziehung zwischen einem angestrebtem Zweck und den zu seiner Erreichung angewandten Mitteln angesprochen, hierbei bedeutet Rationalität also die Fähigkeit zur Abschätzung von Ursache-Wirkung-Ketten, zur Beantwortung der Frage: "Welches Mittel wirkt, um den angestrebten Zweck zu erreichen?".
  • Zweitens geht es um die Bewertung eines Zwecks als angemessen, "vernünftig", "richtig", hier wird der Begriff Rationalität also zur Rechtfertigung bestimmter normativer Grundsätze in Anspruch genommen.
  • Drittens werden Muster der Bewertung und Muster von Entwicklungsvorgängen als "Rationalität" (bisweilen auch als "Logik") eines Prozesses bezeichnet.
  • Viertens wird der Begriff Rationalität bzw. "rational" als Erklärungsmuster für Handlungen verwendet. Eine i.d.S. "rationale Erklärung" einer bestimmten Handlung versucht diese - durch Angabe der jeweils (handlungs-)situationsspezifischen Bedingungen - intersubjektiv verständlich, d. h. auch für andere nachvollziehbar zu machen.

Im Besonderen wird der Begriff Rationalität in folgenden Bereichen verwendet:

Inhaltsverzeichnis

Philosophie

Die Philosophie definiert die Rationalität als Vernunft, oft bezogen auf ein von Vernunft geleitetes Verhalten.

Die Rationalität als Charaktereigenschaft wurde von Aristoteles den Männern zugeschrieben, Frauen hingegen bezeichnete er als irrational.

Viele klassische Philosophen unterscheiden zwischen ratio und intellectus, im Deutschen meist mit Verstand und Vernunft (ursprünglich genau umgekehrt) wiedergegeben, wobei ratio in aller Regel ein niedrigeres Erkenntnisvermögen darstellt, das vergleichend und diskursiv operiert, während intellectus meist ein einheitlich zusammenschauendes Vermögen bezeichnet.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vielfach ein klassischer Begriff von Rationalität, auf welchen etwa die Aufklärung zu optimistisch gesetzt habe, kritisiert, da er beispielsweise die Bindung an verletzbare Leiblichkeit ausblende und zu einer technisierten Totalverapparatung des Daseins führe, Individuelles unter der Brille allgemeiner Kategorien tilge oder im Sinne einer rein technischen Optimierungslogik die Verfolgung beliebiger Zwecke, auch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts, sanktioniere und optimiere. Viele Philosophen sehen Rationalität gebunden an soziale Praktiken, besonders solcher des Ausschlusses von als "irrational" Gewertetem. Bekannte Philosophen, die teils als "Rationalitätskritiker" eingeschätzt werden oder explizit auftraten, sind, bei ganz unterschiedlicher Akzentsetzung, Friedrich Nietzsche, Martin Heidegger, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Michel Foucault, Jacques Derrida oder Jürgen Habermas.

Die Rationalität individueller oder sozialer Praktiken sowie bestimmter Theorien zu reflektieren steht in vielen Bereichen der Philosophie im Mittelpunkt, etwa, abhängig vom jeweils verfolgten Ansatz, oft in Bereichen der Ethik, der Handlungstheorie, Sozialphilosophie, Wissenschaftstheorie oder Religionsphilosophie.

Zahlreiche analytische Philosophen haben in jüngerer Zeit systematische Ausarbeitungen eines Rationalitätsbegriffs versucht, beispielsweise Karl-Otto Apel, David Gauthier, Herbert Schnädelbach, Wolfgang Kuhlmann, John Searle, Robert Nozick, Robert Audi, Robert Brandom und Julian Nida-Rümelin.

Nach Auffassung von Bartley sieht sich der Kritische Rationalismus verpflichtet, eine Rationalitätstheorie zu liefern, da er sich ansonsten dem Tu quoque-Argument der Irrationalisten aussetzen würde. Zudem erfordert der Fallibilismus eine Theorie darüber, wie in rationaler Weise Theorien ausgewählt und praktisch eingesetzt werden sollen.

Mathematik

Rational bezeichnet in der Mathematik diejenigen Zahlen, welche sich als Bruch (Quotient) einer ganzen Zahl durch eine positive ganze Zahl darstellen lassen, also als Ergebnis einer Division.

Ökonomie

In der Wirtschaftswissenschaft wird der Begriff Rationalität hauptsächlich verwendet um folgendes näher zu definieren:

  • die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens
  • die Rationalen Erwartungen: Dies bezeichnet die Standardannahme der Ökonomie, dass Individuen die bestmögliche Prognose über Variablen bilden, die sie vorhersehen wollen.
  • die rationale Entscheidung: In der Neoklassischen Theorie wird dem Modell des Homo oeconomicus per definitionem rationales Verhalten zugeschrieben. Dies wurde in jüngerer Zeit im Rahmen formaler, oft spieltheoretischer Modelle genauer zu bestimmen versucht. Diese Rationalität der Theorie der rationalen Entscheidung wird auch von einigen Soziologen und Handlungs- und Sozialphilosophen nutzbar gemacht.
  • die individuelle Rationalität: In der Spieltheorie eine Bedingung, die besagt, dass jeder Spieler sich einen individuellen Nutzen sichert, der mindestens so hoch ist wie der Nutzen, den er aus eigener Kraft erreichen kann. Sie besagt also, dass keiner einem Verhandlungsergebnis zustimmen würde, das ihn schlechter stellen würde, als in einer Situation, in der er nicht kooperiert.
  • die kollektive Rationalität: In der Spieltheorie eine Bedingung, die besagt, dass in einer Lösung der Nutzen verteilt wird, den die Spieler haben würden, wenn alle kooperieren.

Der Unterschied zwischen individueller und kollektiver Rationalität lässt sich insbesondere mit Ultimatumspielen gut verdeutlichen, in denen Spieler auf die Sicherung eines individuellen Nutzens zugunsten der Sicherung kollektiver Spielregeln verzichten, die jedoch in Folgespielen wiederum dem Individuum helfen, seinen individiellen Nutzen zu optimieren.

Sozialwissenschaften

Bedeutende Arbeiten über Rationalität veröffentlichte Max Weber, unter anderem auf dem Gebiet der Rechtssoziologie. Von der finalen Rationalität (Zweckmäßigkeit) wird hier die materielle Rationalität (Legitimität) und die formelle Rationalität (Rechtssicherheit) unterschieden (vgl. auch den Typus der rationalen Herrschaft).

Diese Gedanken wurden von Niklas Luhmann insbesondere in seinem Werk Legitimation durch Verfahren aufgegriffen.

In der Folge wurde der Begriff unter anderem von Jürgen Habermas (Kommunikative Rationalität) erweitert.

Norbert Elias verwendet statt diesem statischen Begriff den Prozess-Begriff der "Rationalisierung", der in seiner Theorie des Zivilisierungsprozesses eine Steigerung der "Langsicht" bedeutet, also der Fähigkeit, die Folgen der eigenen Handlungen über immer mehr Glieder der Kausalketten vorauszu"berechnen".

Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Handlungstheorie sind die Theorie der rationalen Entscheidung, wie sie sich aus dem Erkenntnisprogramm des Utilitarismus, der Klassischen Ökonomie und des Homo oeconomicus (in Entgegensetzung zum rollentheoretisch geprägten Homo sociologicus) heraus entwickelt haben.

Literatur

  • Hans Lenk, Helmut Spinner: Rationalitätstypen, Rationalitätskonzepte und Rationalitätstheorien im Überblick. In: Handbuch pragmatischen Denkens, hrg. von H. Stachowiak, Hamburg 1989, S. 1-31

Siehe auch

Rationalisierung, Rationalismus, Rationierung, Rationalitätenfalle


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