Zur ebenen Erde und erster Stock

Zur ebenen Erde und erster Stock

Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glücks ist eine Lokalposse mit Gesang von Johann Nestroy in drei Aufzügen. Das Stück entstand 1835 und wurde am 24. September 1835 am Theater an der Wien uraufgeführt. Diese erste Inszenierung erlebte 134 Aufführungen. Der Text des Stückes erschien 1838 in Druck. Es ist anzunehmen, dass die Posse auf Druck der Zensur mit einem neuen Ende versehen werden musste, das die alte gesellschaftliche Ordnung wieder herstellt. Dieses alternative Ende ist jedoch verloren gegangen und heute wird das Stück bis zur Eheschließung von Emilie und Adolf gespielt.

Inhaltsverzeichnis

Interpretation

Die Interpretation von Nestroy-Dramen gilt als allgemein schwierig, weil die strenge Zensur zu dieser Zeit die Dichter zu etwas subtiler Kritik zwang. Diese Posse ist als Kritik an den sozialen Unterschieden zu sehen. Sie zeigt die verschiedenen Lebensbedingungen und Weltanschauungen der diversen Schichten. Der Überfluss und die Verschwendung in der Wohnung des Herr Goldfuchs stehen in krassem Gegensatz zur ärmlichen Unterkunft von Schluckers Familie, die täglich ums Überleben kämpft. Durch die horizontale Teilung der Bühne schafft Nestroy eine gute Vergleichsmöglichkeit zwischen den beiden Ständen. In diesem Stück kommt dem Fortuna-Motiv und dem Geld eine große Bedeutung zu. Es zeigt eine extrem unwahrscheinliche Wendung des Glücks und die der damit verbundenen Lebensumstände im Laufe der Handlung. Im verlorengegangenen alternativen Ende gibt es eine erneute Umkehrung der Lebensumstände, eine Wiederherstellung der sozialen Ordnung und eine Rehabilitierung von Johann. Dieses Ende wurde wahrscheinlich als Abänderung der Zensoren hinzugefügt, um die Moral und die Gesellschaftsordnung zu wahren. Mit den Charakteren im Stück konnten sich viele Bürger identifizieren.


Inhalt

In diesem Stück gibt es zwei verknüpfte Handlungseben, die parallel laufen. Der Schauplatz der ersten ist die ärmliche Wohnung des Tandlers Schlucker zu ebener Erde, während der der anderen das prächtige Palais des Millionärs Goldfuchs im ersten Stock ist, was eine horizontale Teilung der Bühne zur Folge hat. Im Erdgeschoss schlägt sich Sepherl mit ihren Gläubigern herum, während im ersten Stock die Bedienten des Herrn Goldfuchs alles für den Ball am Abend vorbereiten.

Die finanziellen Unterschiede der beiden Etagen werden auf den ersten Blick deutlich. Damian versucht Anwerbversuche des Herrn Bonbon, der Gast der Gesellschaft im ersten Stock ist, an seiner Geliebten Salerl zu vereiteln. Oben versucht währenddessen der listige Bediente Johann seinen Profit aus der Veranstaltung und aus des Herrn Goldfuchs' Tasche zu schlagen.

Zu diesem Zeitpunkt trifft der Vermieter des Hauses, Herr Zins, bei Goldfuchs ein und versucht um die Hand seiner Tochter Emilie anzuhalten. Doch er wird sowohl vom Millionär, der schon den reichen Herrn Bonbon für seine Tochter ausgesucht hat, als auch von Emilie selbst abgewiesen. Sie ist in den Tandlerjungen Adolf von unten verliebt. Adolf schreibt für Damian einen falschen Liebesbrief in Salerls Namen, mit dem sich der heruntergekommene Tandler an Herrn Bonbon rächen will. Als Damian den Brief versiegeln geht, lässt Emilie mit einer Schnur einen Brief für Adolf herunter, in dem sie ihn um Antwort bittet. Da kommt aber Schlucker herein und liest den Brief. Erbost verfasst er einen Antwortbrief, mit dem er die Beziehung zerstören will.

Es kommt zu einem Streit zwischen Adolf und Schlucker, bei dem sich herausstellt, dass Adolf nur ein angenommener Sohn ist, der nicht zur Familie passt. Durch eine Vertauschung erhält Emilie doch einen Liebesbrief, während Bonbon eine klare Abweisung bekommt. Niemand ahnt die Verwechslung. Unten sucht die Tandlerfamilie verzweifelt etwas zu essen, während im ersten Stock bei reich gedeckter Tafel gefeiert wird, da sich Monsieur Bonbon nun ganz zum Missfallen von Emilie mit ihr verlobt. Zu ebener Erde besucht Zins Schlucker und Damian. Er will sich Adolf aus dem Weg schaffen, um Emilie erobern zu können und der Vater willigt ein, dass sein Sohn für einen besseren Job wegzieht. Darüber stimmt Johann in der Küche seine Betrügereien mit Meridon ab, bis auf einmal ein Feuer ausbricht.

Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, erfährt Goldfuchs von Wermuth, dass sein Sohn große Schulden macht und er dafür aufkommen muss. Nach einem Liebeslied von Adolf im Erdgeschoss beginnt im ersten Stock ein Streit zwischen Fanny und Johann. Sie erkennt Johanns Absichten und dass er sie gar nicht liebt. Als auch Emilie nach einer Meinungsverschiedenheit mit Bonbon dazukommt, erfährt Johann ihre geheime Liebe und will dies zu seinem Vorteil ausnutzen.

Nun werden oben die letzten Vorbereitungen für den Abend getroffen. Im Erdgeschoss gehen nun alle zu Bett, nur Adolf sinnt über Emilie und seine Zukunft. Als oben der Ball beginnt, kommt Fanny zu Adolf nach unten. Sie bringt eine Nachricht von Emilie und informiert Adolf über die Ereignisse im ersten Stock. Fanny geht dann umgehend Emilie holen. Das Liebespaar plant eine Entführung für den nächsten Tag, da sie darin die einzige Hoffnung sehen. Unten scheint das Glück einen Besuch zu machen, als zwei Tandler kommen, um Sepherl über ihren Lotteriegewinn zu informieren. Oben sieht es nicht so rosig aus, als Herrn Goldfuchs die Nachricht ereilt, dass sein Schiff gesunken ist und somit auch seine vor kurzen noch sehr gewinnbringende Anlage seines ganzen Geldes verloren geht. Auch Bonbon kommt dadurch um sein ganzes Geld.

Während im Erdgeschoss alle jubeln, ist die Stimmung im ersten Stock genau gegenteilig. Johann zeigt nun vor seinem Herrn sein wahres Gesicht, als er sein Geld, das er bei Goldfuchs angelegt hat, zurückfordert und kündigt. Weiters wird Goldfuchs von ihm informiert, dass Emilie sich in Adolf verliebt hat. Unten kommt ein Beamter, um mit dem Herrn Adolf zu sprechen. Dieser setzt ihn in Kenntnis davon, dass Adolfs leiblicher Vater, der ihn damals als armer Mann in seiner Verzweifelung der Familie Schlucker in Pflege gegeben hat, lebe und nach ihm suche, er wohne nun in Indien und sei steinreich geworden. Adolf sei sein Alleinerbe und bekomme eine Menge Geld. Die Familie Schlucker beginnt sich bei Adolf einzuschmeicheln. Sie beteuern, dass sie Adolf schon immer wie ihren eigenen Sohn geliebt hätten.

Währenddessen schwärmt Johann für Salerl und Damian für Fanny. Damian besucht seine Herzensdamen im ersten Stock, während Johann sich zur gleichen Zeit an Salerl zu ebener Erde heranmacht. Die beiden Herren erklären ihren neuen Schwärmereien wie sehr sie die Damen mögen, doch beide werden gleichzeitig abgewiesen. Johann geht und Damian erkennt seinen Fehler und kehrt zu Salerl zurück. Zins erfährt, dass Adolf sein Neffe ist und zieht sich als Nebenbuhler zurück. Weiters macht er den Neureichen ein Angebot in den ersten Stock umzuziehen, während die verarmte Familie Goldfuchs die Wohnung im Erdgeschoss bekommt. Monsieur Bonbon will der Wache entkommen und tauscht deshalb mit Johann die Kleider. Damian, der noch eine Rechnung mit Bonbon offen hat, lässt Johann von zwei anderen Tandlern zusammenschlagen, während Bonbon in Johanns Kleidern von den anderen Bedienten attackiert wird. Johann flieht nach oben, wo die Bedienten bereits die Verwechslung durchschaut haben und nun auf Johann losgehen. Nachdem Johann wegen seiner Betrügereien festgenommen worden ist, ziehen die beiden Parteien um. Adolf geht nach unten, um mit Emilie zu sprechen. Nachdem Goldfuchs von Adolfs Status erfahren hat, steht nun der Liebe nichts mehr im Wege.

Im verlorengegangenen alternativen Ende wird Johann rehabilitiert und heiratet Fanny. In dieser Version des Stückes tauschen die beiden Parteien erneut die Wohnungen, wodurch die soziale Ordnung wieder hergestellt wird.

Trivia

Nestroy, der selber die Rolle des Johann in seinem Stück spielte, bekam einmal wegen seines Extemporierens fünf Tage Arrest, weil er während der Vorstellung einen Kritiker den dümmsten Menschen Wiens nannte und vom eingereichten Textbuch abwich.


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