Zuckerstoffwechsel

Zuckerstoffwechsel

Unter Blutzucker versteht man im Allgemeinen die Höhe des Glucoseanteils (Glucosespiegel) im Blut. Glucose ist ein wichtiger Energielieferant des Körpers. Die roten Blutkörperchen und das Nierenmark sind zur Energiegewinnung auf Glucose angewiesen. Glucose ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und versorgt so das Gehirn.

In der Medizin ist der Blutzuckerwert ein wichtiger Messwert. Ist er dauerhaft erhöht, liegt in der Regel Diabetes vor. Mögliche Symptome sind ständiges Durstgefühl, häufiges Wasserlassen, Erbrechen, gelegentlich auch Wadenkrämpfen und Bauchschmerzen. Allgemeine Symptome wie Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen können hinzu kommen. Unterzuckerung kann die Hirnleistung vermindern, Krampfanfälle, eine vermehrte Adrenalinausschüttung und zittrige Hände sowie Schweißausbrüche verursachen.

Inhaltsverzeichnis

Blutzuckermessung

BZ-Messgerät
BZ-Mess-Set der Accu-Chek-Serie der Firma Roche

Der Blutzucker wird aus einer Blutprobe in der Regel aus Kapillarblut gemessen.

Als Maßeinheit wird in den meisten Ländern die SI-konforme (Internationales Einheitensystem) Einheit mmol/l (Millimol pro Liter) verwendet. In den alten Bundesländern wurde die Umstellung seit 1954 nie durchgeführt. Dort wird immer noch mit der älteren Einheit mg/dl (Milligramm pro Deziliter) gemessen, wie auch beispielsweise in den USA, Polen, Frankreich und in Japan. Eine Zeit lang waren Messgeräte im Umlauf, die das Ergebnis wahlweise in mg/dl oder in mmol/l anzeigen konnten. Nach einer Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte führte dies allerdings in mehreren Fällen zu Fehlablesungen, die eine falsche Dosierung des Insulins zur Folge hatte. Daher sind seit dem vierten Quartal 2006 kaum noch umstellbare Geräte im Handel. Eine ähnliche Problematik gab es auch in der Schweiz. Da der Umrechnungsfaktor jedoch größer als die üblichen Schwankungen des Blutzuckerspiegels ist, ist in der Regel schon anhand der Größenordnung des abgelesenen Wertes klar zu erkennen, in welcher Maßeinheit der Wert angezeigt wird (< 25 → mmol/l und > 25 → mg/dl).

Umrechnung:

1 \,\mbox{mmol/l} = 18{,}0182\,\mbox{mg/dl} \qquad    oder     \qquad 1\,\mbox{mg/dl} = {1 \over 18{,}0182}\,\mbox{mmol/l}

Der Blutzuckerspiegel kann heute mit kleinen Blutzucker-Messgeräten sehr schnell bestimmt werden. Eine Abschätzung ist mit Blutzuckerteststreifen möglich.

Normalwerte

Beim Menschen betragen die Normalwerte:

  • nüchtern: 3,9–5,5 mmol/l, entsprechend 70–99 mg/dl
  • nach dem Frühstück: bis maximal 8,9 mmol/l, entsprechend 160 mg/dl

Nüchternwerte > 5,5 mmol/l bzw. > 99 mg/dl lassen auf eine gestörte Glucosetoleranz oder gar auf Diabetes schließen. Im Rahmen einer Wundbehandlung führen solche Werte zu einer deutlich verlängerten / gestörten Wundheilung und werden gegebenenfalls zur Unterstützung der Heilung mit Insulin behandelt.

Eine Sonderform des Hämoglobin, das HbA1c, ist in der Lage, den Blutzuckerverlauf über maximal drei Monate widerzuspiegeln und wird deswegen auch das „Blutzuckergedächtnis“ genannt. Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff in den Erythrozyten, der Sauerstoff transportiert. HbA1c ist Hämoglobin, das aufgrund einer zu hohen Blutzuckerkonzentration nicht-enzymatisch glykiert wurde. Die Aussage des HbA1c betrifft den angegebenen Zeitraum, da die Lebensdauer der Erythrocyten 120 Tage beträgt.

Typische Normalwerte für verschiedene Altersstufen:

Blutzucker (BZ) mg/dl Blutzucker in mmol/l
Erwachsene
90–110
5,0–6,1
Jugendliche
90–110
5,0–6,1
Schulkind
80–110
4,4–6,1
Kleinkind
80–110
4,4–6,1
Säugling
60–90
3,3–5,0
Neugeborene
60–90
3,3–5,0

Normale und krankhafte Werte in der Diabetes-Diagnostik:

Messung Normale Werte Verdacht Diabetes
mellitus
nüchtern < 100 mg/dl
< 5,5 mmol/l
100–110 mg/dl
5,5–6,1 mmol/l
> 110 mg/dl
> 6,1 mmol/l
2 Std.
nach dem Essen
oder im oGTT
kapillär < 140 mg/dl
< 7,8 mmol/l
140–200 mg/dl
7,8–11,1 mmol/l
> 200 mg/dl
> 11,1 mmol/l
venös < 120 mg/dl
< 7,0 mmol/l
120–180 mg/dl
7,0–10,0 mmol/l
> 180 mg/dl
> 10,0 mmol/l
HbA1c < 6,5 % 6,5–7,5 % > 7,5 %
Blutzucker-Werte gemäß den Diabetes-Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).[1]

Einen zu hohen Blutzuckerwert nennt man Hyperglykämie und einen zu niedrigen nennt man Hypoglykämie.

Messmethoden

Bei den Blutzuckermessgeräten, die heute in Apotheken und Sanitätshäusern zur Selbstkontrolle zu kaufen sind, haben sich im wesentlichen drei Messmethoden etabliert:

Optische Messung

Bei der optischen Messung wird das Blut im Teststreifen über eine Kapillare zu einem von außen sichtbaren Testfeld eingezogen. Dort sind verschiedene chemische Stoffe eingelagert, die mit dem Blut reagieren, was zu einer Farbänderung des Testfeldes führt. Diese Farbänderung wird vom Messgerät erfasst und aus der Dauer und Stärke der Änderung der Blutzuckerwert bestimmt.

Amperometrische Messung

Bei der amperometrischen Messung wird das Blut im Teststreifen über eine Kapillare in ein Testfeld gesaugt. Im Testfeld hat das Blut Kontakt zu Glukose-Oxidase und zu verschiedenen Elektroden. Das Messgerät legt an diese Elektroden eine definierte elektrische Spannung (ca. 300–600 mV) an und misst im Zeitverlauf den fließenden Strom, der über die Elektroden fließt. Aus dem gemessenen Strom bestimmt das Gerät dann den Blutzuckerwert. Der Strom ist proportional zur Glukosekonzentration der Flüssigkeit im Containment (Sensorbereich der Kapillare).

Nicht-invasive Messung

Bei verletzungsfreien Methoden, sogenannten nicht-invasiven Methoden, kann der Blutzuckerwert angezeigt, verfolgt oder dessen Zeitverlauf aufgezeichnet werden, ohne Blut entnehmen zu müssen:

  • Eine optische Spektralanalyse des sehr gut durchbluteten Augenhintergrundes kann sehr genaue Werte liefern[2]. Dazu kann auch ein implantierter passiver Mikrosensor im Auge die Qualität der Messungen erhöhen.
  • Mit einem dauerhaft implantierten Mikrospektrometer ohne bewegliche Komponenten kann die spektroskopische Messung des Blutzuckers im nahen Infrarot-Bereich (NIR) erfolgen (IR-Spektroskopie). Dieser Sensor überträgt seine Messwerte mit einem passiven Transponder an ein Anzeigegerät[3].
  • Mit einem breitbandigen Laser im mittleren Infrarot-Bereich (MIR) kann durch die Haut hindurch verletzungsfrei der Blutzuckerwert gemessen werden[4].

Diese und weitere nicht-invasive Methoden befinden sich noch in der Erforschung oder in der klinischen Zulassung (insbesondere in den USA). Mit diesen und ähnlichen Messverfahren ist zum Beispiel eine permanente Aufzeichnung beziehungsweise Darstellung des Zeitverlaufes (Monitoring) des Blutzuckerspiegels möglich.

Die Markt-Einführung der noninvasiven Blut-Glucose-Messung durch spektroskopische Messverfahren im Bereich des Nahinfrarot (NIR) durch extracorporal messende Geräte scheiterte bisher daran, dass die Geräte den Gewebezucker, d. h. Glucose pro Volumen des durchstrahlten Körpergewebes und nicht den Blutzucker pro Blutvolumen bestimmen, weil der Messstrahl für die Messung das Körpergewebe durchdringen muss.[5]

Des Weiteren ist eine Messung des Harnglucosewertes möglich. Glucose lässt sich aber nur dann im Urin nachweisen, wenn die Glucosekonzentration stark erhöht ist und einen bestimmten Wert überschritten hat. Dieser Wert ist abhängig vom der sog. Nierenschwelle des jeweiligen Patienten.

Regulation

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Der Blutzuckerspiegel wird durch das Wechselspiel zweier Peptidhormone der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) reguliert. Diese Drüse enthält in ihren α- und β-Zellen Blutzucker-Sensorsysteme, die wie folgt ansprechen:

  • bei Anstieg des Blutzuckerspiegels wird Insulin sezerniert, das besonders in der Leber eine Serie Glucose-verbrauchender Reaktionen initiiert (anaboler Ast). Von zentraler Bedeutung ist hier die Aktivierung der Glykogen-Synthase (GS), die den Glucose-Überschuss zum Aufbau des Energiespeichers Glykogen („tierische Stärke“) nutzt.

Glykogenab- und -aufbau sind über die Phosphorylierung der Schlüsselenzyme Glykogenphosphorylase (GP) und Glykogen-Synthase (GS) strikt gegenläufig reguliert, verlaufen also nie gleichzeitig. In Energiemangelsituationen werden beide Enzyme durch Kinasen phosphoryliert; dieser Vorgang stimuliert die Phosphorylase, hemmt aber die Synthase. Bei Glucose-Überschuss wird die Situation durch Wirkung von Phosphatasen in das Gegenteil verkehrt: Verlust der Phosphatreste inaktiviert GP, aktiviert aber GS.

Sowohl das Glucagon- als auch das Insulinsignal werden über Signalkaskaden verstärkt. Im Zentrum beider Signalwege stehen Proteinkinasen: jede Kinase phosphoryliert mehrere Moleküle einer nachgeschalteten Kinase (Kaskadenprinzip).

Blutzucker-Homöostase (Selbstregulation)
  • Im Fall des Glucagons wird ein G-Protein-abhängiger Rezeptor (7TM, Sieben-Transmembran-Helix-Typ) angesteuert. Über das G-Protein wird Adenylatcyclase aktiviert, ein Enzym, das den second messenger cAMP produziert. Hierdurch wird die Proteinkinase A (PKA)-Kaskade initiiert, an deren Ende die Glykogen-Phosphorylase (GP) steht. Diese setzt Glucose-1-phosphat (G-1P), eine Vorstufe der Glucose, frei.
  • Im Fall des Insulins wird eine Rezeptor-Tyrosinkinase (RTK) aktiviert. Auf dem Wege einer komplexen Signaltransduktion wird hier über die Schlüssel-Kinase raf (ras-activated factor) die Aktivierung der MAP-Kinase-Kaskade (MAP, Mitogen-aktivierte Protein Kinase) initiiert. An deren Ende steht die Insulin-stimulierte Proteinkinase (ISPK), die im phosphorylierten Zustand eine Protein-Phosphatase (PP1G) phosphoryliert und damit aktiviert. Letztere dephosphoryliert (aktiviert) die Glykogen-Synthase (GS).

Die Signale des Glucagons und des Insulins haben eine gegenläufige Wirkung. Über eine Kinasekaskade (PKA-Kaskade bzw. MAP-Kaskade) werden die Signale verstärkt. (In der Abbildung sind folgende Komponenten in der Insulin-Signalisierung (rechter Zweig) nicht erwähnt: IRS (Insulin-Rezeptor-Substrat-1), Grb (Growthfactor-Receptor bound), GRF (guanin-nucleotide release factor), ras (rat sarcoma), das ist ein „kleines“ G-Protein (Analoges der alpha-Untereinheit).)

Siehe auch

second messenger, Blutzucker-Sensorsystem, Glucokinase, Blutzuckerbestimmungsmethode

Weblinks

Quellen

  1. Diagnose Diabetes – die Chance für erfolgreiche Behandlung.
  2. Nicht-invasive Blutzuckermessung, Universität Karlsruhe, Institut für Technik und Informationsverarbeitung, 2004.
  3. In vivo Messung und Regelung des Blutzuckerspiegels, RWTH Aachen, Lehrstuhl für medizinische Informationstechnik
  4. Towards Broad Gain Mid-IR Lasers, Fraunhofer Institut, IAF, 2003.]
  5. Präzision und Genauigkeit des Diasensor 1000. Vergleich zwischen invasiven Methoden und nicht-invasiver Methode zur Bestimmung der Blut-Glucose
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