Zine el-Abidine Ben Ali

Zine el-Abidine Ben Ali
Zine el-Abidine Ben Ali (2002)

Zine el-Abidine Ben Ali (arabisch ‏زين العابدين بن علي‎ Zain al-Abidin ibn Ali, DMG Zayn al-ʿĀbidīn b. ʿAlī; * 3. September 1936 in Sousse) ist ein tunesischer Politiker (RCD) und war von 1987 bis 2011 Präsident des nordafrikanischen Landes. Am 14. Januar 2011 verließ er nach gewaltsamen öffentlichen Protesten das Land und floh nach Saudi-Arabien. Seine Präsidentschaft wird weithin als Diktatur gewertet, unter anderem wegen offenbar gefälschter Wahlergebnisse und eines repressiven Vorgehens gegen die Opposition.[1]

Inhaltsverzeichnis

Politische Karriere

Ben Ali trat 1956 in die Armee ein. Er wurde an Frankreichs Militärakademie Saint-Cyr und an einer Geheimdienstschule in den USA ausgebildet.[2] Als Chef des militärischen Sicherheitsdienstes von 1958 bis 1974 reiste er oft in die USA und knüpfte gute Kontakte zur CIA. Danach war er Militärattaché in Marokko und Spanien sowie Botschafter in Warschau.[2] 1978 wurde er von Habib Bourguiba als Sicherheitschef in die Regierung berufen und 1979 zum General befördert. 1980 ernannte Bourguiba ihn zum Leiter des nationalen (zivilen) Sicherheitsdienstes und 1984 zum Innenminister. In dieser Funktion forcierte er die Bekämpfung der fundamentalistischen Islamisten in Tunesien. Nach seiner Ernennung zum Premierminister kam er im Oktober 1987 durch einen unblutigen Putsch an die Regierung, nachdem Bourguiba von einem Arzt für senil erklärt worden war.

Nach der Absetzung Bourguibas übernahm Ben Ali am 7. November 1987 das Amt des Staatspräsidenten. Die Amtsübernahme durch Putsch wurde vom neuen Regime als Jasminrevolution bezeichnet. Im Juli 1988 beschränkte das tunesische Parlament die Amtszeit des Präsidenten auf 15 Jahre, bis dahin gab es eine Ernennung auf Lebenszeit. In den ersten Jahren seiner Amtszeit trieb Ben Ali tatsächlich die Modernisierung Tunesiens voran, für die Bourguiba die Grundlagen gelegt hatte. Er schuf ein Sozialversicherungssystem und bekämpfte die Armut, setzte sich für die Emanzipation der Frauen ein und baute das Bildungswesen aus. Dabei regierte Ben Ali allerdings mit eiserner Hand.[3] Die Politik der Regierung blieb auch weiterhin am Westen orientiert. Gleichzeitig setzte sich Ben Ali für einen einheitlichen Wirtschaftsraum im Maghreb ein. Er wurde danach bei mehreren Wahlen, die nach Ansicht zahlreicher Beobachter den Anforderungen demokratischer Wahlen nicht genügen, in seinem Amt bestätigt. Zwar kam es zu einer teilweisen Demokratisierung des Wahlrechts, doch blieben Teile der Opposition, unter anderem die islamischen Fundamentalisten, weiterhin von den Wahlen ausgeschlossen.

2002 ließ Ben Ali die Verfassung ändern, um seine Regierung über 2004 hinaus verlängern zu können. Bei der Wahl im Oktober 2004 erzielte er nach offiziellen Angaben 94,49 Prozent der Stimmen. Am 25. Oktober 2009 wurde er mit 89,28 Prozent der Stimmen für eine fünfte Wahlzeit wiedergewählt.

Am 13. Januar 2011 verkündete Ben Ali in Folge der Massenproteste, die sich seit der Revolte von Sidi Bouzid über das ganze Land verbreiteten, dass er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen (2014) nicht mehr kandidieren werde.[4] Am 14. Januar 2011 verließ Ben Ali aufgrund der zunehmenden Massenunruhen fluchtartig das Land. Am selben Tag verkündete ein Regierungssprecher, dass die Regierung aufgrund der anhaltenden Proteste aufgelöst wurde. Es wurden außerdem Neuwahlen innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten angekündigt.[5] In zahlreichen Quellen wird von Neuwahlen in 60 Tagen nach der Regierungsauflösung gesprochen. Auch diese Ereignisse werden – in ironischer Anlehnung an die Bezeichnung des Putsches bei Ben Alis Regierungsantritt – als Jasminrevolution bezeichnet. Kurzzeitig übernahm Premierminister Mohamed Ghannouchi zusätzlich die Amtsgeschäfte des Präsidenten, bis am 15. Januar 2011 vom tunesischen Verfassungsrat der Parlamentspräsident Fouad Mebazaâ als geschäftsführender Präsident eingesetzt wurde.[6] Seitdem befindet sich Ben Ali in Saudi-Arabien.[7] Nach andauernden Unruhen teilte der tunesische Justizminister Lazhar Karoui Chebbi am 26. Januar mit, dass es einen internationalen Haftbefehl gegen den geflohenen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali, seine Ehefrau Leila Trabelsi und weitere Familienmitglieder gebe, wobei Interpol um Hilfe gebeten wurde.[8] Das tunesische Außenministerium ersuchte am 20. Februar förmlich bei der Regierung von Saudi-Arabien um Auslieferung von Ben Ali.[9]

Anfang Mai wurde gegen Ben Ali und seiner Frau Leila Trabelsi in Tunesien Anklage erhoben. Der damalige Justizminister Lazhar Karoui Chebbi sprach von 18 Klagen, darunter „Verschwörung gegen die innere Sicherheit“, „Anstiftung zu Chaos, Mord und Plünderung“, „Drogenkonsum“, „Drogenhandel“ und „Mord“.[10]

Ein erster Prozess gegen Zine el-Abidine Ben Ali und Leila Trabelsi fand am 20. Juni 2011 in Tunis in Abwesenheit der Angeklagten statt, verhandelt wurde der Vorwurf der Veruntreuung von Staatsvermögen. Ben Ali und seine Frau wurden nach nur einem Verhandlungstag zu jeweils 35 Jahren Haft verurteilt, darüber hinaus verhängte das Gericht Geldstrafen in Millionenhöhe.[11] Weitere Verfahren sind noch anhängig, die schwerwiegenderen Vorwürfe des Mords, der Folter und der Geldwäsche sollen von einem Militärtribunal verhandelt werden, wo Ben Ali die Todesstrafe droht.[12]

Privatleben

Ben Ali war von 1964 bis 1988 in erster Ehe mit Naïma Kefi verheiratet, mit der er drei Töchter hat.[13] Mitte der 80er Jahre lernte er Leïla Trabelsi kennen, die er 1992 heiratete und mit der er zwei Töchter sowie einen Sohn hat.[14] Leïla Ben Ali wird für die Ausweitung der Korruption in Tunesien verantwortlich gemacht, deren Hauptnutznießer die Mitglieder ihrer eigenen Familie sind, des laut Einschätzung der amerikanischen Botschaft in Tunis quasi-mafiösen Trabelsi-Clans.[15]

Am 19. Januar 2011 hat der Schweizer Bundesrat beschlossen, alle möglichen Vermögenswerte Ben Alis und seines Umfeldes in der Schweiz mit sofortiger Wirkung zu sperren, um eine Veruntreuung von staatlichem tunesischem Eigentum zu vermeiden.[16] Davon betroffen sind rund 40 Personen.[17][18]

Am 20. Januar 2011 wurden 33 seiner Familienmitglieder in Tunesien wegen des Verdachtes von Verbrechen gegen das Land festgenommen, da Fluchtgefahr bestehe, weil sie versucht hätten, das Land zu verlassen.[19]

Am 31. Januar 2011 hat der Europäische Rat Tunesien und dem tunesischen Volk seine "volle Solidarität und Unterstützung bei den Bemühungen um die Verwirklichung einer stabilen Demokratie" ausgesprochen und restriktive Maßnahmen gegen Personen, "die für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Tunesiens verantwortlich sind", erlassen.[20] Durch Verordnung des Rates vom 4. Februar 2011 wurde das in den Mitgliedsstaaten der EU belegene Vermögen von insgesamt 48 solcher Personen, darunter der Familie Ben Ali, eingefroren.[21]

Literatur

  • Steffen Erdle: Ben Ali’s „New Tunisia“ (1987–2009). A Case Study of Authoritarian Modernization in the Arab World. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-87997-366-8 (Islamkundliche Untersuchungen. Bd. 301).

Weblinks

 Commons: Zine el-Abidine Ben Ali – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tages-Anzeiger: Der entlarvte Diktator, 11. Januar 2011
  2. a b Rudolph Chimelli: Zine el-Abidine Ben Ali Tunesiens Ex-Präsident auf der Flucht vor dem Volk. In: Süddeutsche Zeitung. 15./16. Januar 2011.
  3. Der Focus vom 14. Januar 2011: Zine el Abidine Ben Ali, Vom Reformer zum Verjagten
  4. Le Monde: Ben Ali promet de ne pas se représenter en 2014
  5. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,739606,00.html
  6. https://2010sdafrika.wordpress.com/2011/01/22/tunesiens-zukunft-fouad-mebazaa/
  7. Spiegel Online: Nach Diktatur verreist, 14. Januar 2011
  8. Spiegel Online: Tunesien sucht Ex-Diktator mit internationalem Haftbefehl, 26. Januar 2011.
  9. http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-12520040
  10. Anklage gegen Ben Ali erhoben. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. Mai 2011, abgerufen am 5. Mai 2011 (deutsch).
  11. Süddeutsche Zeitung: 35 Jahre Haft - doch Ben Ali ist im Exil, 20. Juni 2011.
  12. Die Presse: Tunesien: Abrechnung mit Ben Ali, 20. Juni 2011.
  13. Samir Gharbi et Sonia Mabrouk, « Vingt ans, vingt dates », Jeune Afrique, 22 octobre 2007
  14. Khaled A. Nasri, « Ben Ali, de Naima Kéfi à Leïla Trabelsi », Afrik.com, 30 juillet 2008
  15. Julie Calleeuw, « Tunisie : les Trabelsi, une « quasi-mafia » », RTBF, 14 janvier 2011
  16. Bundesrat lässt allfällige Gelder von Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali in der Schweiz sperren Pressemitteilung in: admin.ch vom 19. Januar 2011
  17. Schweiz sperrt Ben-Ali-Konten in: 20 Minuten vom 19. Januar 2011
  18. Link (PDF) Verordnung über Maßnahmen gegen gewisse Personen aus Tunesien. In: admin.ch vom 19. Januar 2011
  19. BBC, abgerufen 20.2011
  20. Beschluss 2011/72/GASP des Rates vom 31. Januar 2011 aus dem Amtsblatt der Europäischen Union, abgerufen am 24. Juni 2011
  21. Verordnung (EU) Nr. 101/2011 des Rates vom 4. Februar 2011 aus dem Amtsblatt der Europäischen Union, abgerufen am 24. Juni 2011

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