Zentrifugieren

Zentrifugieren
Zentrifuge im Labor
Zentrifuge mit Handkurbel
Zentrifuge für Milch
Industrielle Zentrifuge

Die Zentrifuge ist ein technisches Gerät, das unter Ausnutzung der Massenträgheit arbeitet, umgangssprachlich wird die Funktionsweise fälschlicherweise auf die Scheinkraft Zentrifugalkraft zurückgeführt.

Eine Zentrifuge kann die Bestandteile von Suspensionen, Emulsionen und Gasgemischen trennen (siehe auch Trennverfahren). Bei Untersuchungen in der Raumfahrtmedizin werden Zentrifugen verwendet, um die Beschleunigungskräfte zu simulieren, die auf die Insassen eines Raumfahrzeuges während der Startphase einwirken.

Siehe auch Fliehkraftabscheider.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsprinzip

Zentrifugen nutzen die Massenträgheit im Zentrifugiergutraum zur Stofftrennung. Partikel oder Medien mit höherer Dichte wandern aufgrund der höheren Trägheit nach außen. Dabei verdrängen sie die Bestandteile mit niedrigerer Dichte, die hierdurch zur Mitte gelangen. Der Prozess ist gegenüber der Sedimentation durch die Schwerkraft wesentlich schneller oder wird überhaupt erst möglich - Gegenkräfte wie die Adhäsion oder die thermische Molekularbewegung werden überwunden.

Die Beschleunigung a ist von der Masse bzw. Dichte der Stoffe unabhängig; die Stofftrennung erfolgt aufgrund der Dichteunterschiede (erhöhte Differenz der Zentripetalkräfte, zum Beispiel Laborzentrifuge, Gaszentrifuge) oder durch ein die Feststoffe zurückhaltendes Sieb (zum Beispiel Wäsche- und Salatschleuder oder auch Fliehkraft-Entsafter.

Die Zentripetalbeschleunigung az in der Maßeinheit m/s² eines Körpers in einer Zentrifuge als Wirkung der Zentripetalkraft ist vom Abstand r des Körpers von der Drehachse und von der Winkelgeschwindigkeit ω abhängig, sie steigt linear mit dem Abstand im Zentrifugiergutraum von der Drehachse und quadratisch mit der Winkelgeschwindigkeit ω bzw. mit der Drehzahl n:

a = r \cdot \omega^2 = 4\pi^2 \cdot r \cdot n^2 ~.

Sie also kann durch die Vergrößerung des Radius des Zentrifugiergutraums und die Erhöhung der Drehfrequenz vergrößert werden. Dadurch steigen allerdings auch die Kräfte auf den Rotor an.

Zu beachten ist, dass die Zentripetalbeschleunigung an der Stelle im Zentrifugierraum am höchsten ist, an der das abzuscheidende Gut schon das Ziel erreicht hat (an der von der Drehachse am weitesten entfernten Stelle), und dass an der Stelle der geringsten Zentripetalbeschleunigung (am nächsten zur Drehachse) das abzuscheidende Gut noch den weitesten Weg vor sich hat. Die erforderliche Zentrifugierzeit wird also nicht allein durch die Drehfrequenz, sondern - neben anderen Größen - auch vom geringsten Abstand des Zentrifugierguts von der Drehachse bestimmt.

Gebräuchlich ist die Angabe der Beschleunigung als Vielfaches der mittleren Erdschwerebeschleunigung g; 1000 g bedeutet zum Beispiel, die maximale Beschleunigung in einer Zentrifuge beträgt das 1000-fache der Erdschwerebeschleunigung. Dieser Faktor (Verhältnis zur mittleren Erdschwerebeschleunigung g) wird im Ingenieurbereich oft als Schleuderziffer bezeichnet, obwohl sie keine Ziffer sondern eine Zahl ist.

In der DIN 58970-2 wird in diesem Zusammenhang die Relative Zentrifugalbeschleunigung (statt korrekt Zentripetalbeschleunigung, kurz RZB) genannt. Diese Größe wird ebenfalls als Vielfaches des mittleren Wertes von g angegeben und heute in den meisten Gerätedokumentationen verwendet. Nach der DIN kann der RZB-Wert bzw. die Schleuderziffer mittels folgender Formel errechnet werden, die sich leicht aus obiger Formel errechnen lässt (hier ist R der Radius in Zentimetern und N die Drehzahl in Umdrehungen pro Minute):

RZB = \tfrac{4\pi^2}{g} \cdot r \cdot n^2 \approx 0,00001118 \cdot R \cdot N^2 ~.

Anwendungen

Beispiele für Zentrifugen im Haushalt sind die Salatschleuder, die Wäscheschleuder und Fliehkraft-Entsafter. Das nasse Gut (Salat, Wäsche, Trester) wird in einer gelochten Trommel so schnell gedreht, dass es an deren Wand gepresst wird und Wasser bzw. Saft durch die Löcher nach außen abfließt. Dadurch wird die Adhäsion des Wassers zu den Feststoffen überwunden.

Olivenöl und Separatorenfleisch werden ebenfalls auf diese Weise vom Trester bzw. von Flüssigkeiten getrennt; nach dem gleichen Prinzip gewinnen Imker mit einer Honigschleuder den Honig.

In der metallverarbeitenden Industrie werden Zentrifugen zum Entölen von Metallspänen genutzt, wobei es möglich ist, einen Durchsatz bis zu zehn Tonnen pro Stunde im vollautomatischen Betrieb zu erreichen. Hierbei werden die vorher zerkleinerten Späne in vollem Lauf (bei 700 bis ca. 1500 U/min) der Trommel zugeführt und wieder ausgeworfen. Galvanische Betriebe setzen manuelle und vollautomatische Zentrifugen zum Trocknen von Schüttgut, wie Schrauben, Nieten usw., ein.

Extrem große Zentrifugen werden in der Zuckerindustrie eingesetzt. Darin werden Zuckerkristalle und an diesen anhaftender Sirup voneinander getrennt.

In Industrie, Technik und im Labor werden Zentrifugen zur Stofftrennung aufgrund deren unterschiedlicher Dichte eingesetzt. Beispielsweise wird damit Kuhmilch in Sahne und fettreduzierte Milch getrennt (erfunden 1877 von Wilhelm Lefeldt). Neben einer solchen Trennung von Flüssigkeiten verschiedener Dichte werden solche Zentrifugen zur Abtrennung von Feststoffen aus einer Flüssigkeit verwendet. Im Labor gibt man dazu das Gemisch in Zentrifugenröhrchen, die deutlich dickwandiger und damit stabiler sind als Reagenzgläser.

Früher wurden Laborzentrifugen mit einer Kurbel angetrieben, heute durch einen Elektromotor. Die Zentrifugation wird oft der Filtration vorgezogen, etwa wenn stark saure Lösungen Papierfilter angreifen würden oder wenn die Entsorgung des Schlammes sortenrein, also ohne zusätzlichen Filterhilfsstoff erfolgen soll.

Die Ultrazentrifuge wurde von Theodor Svedberg entwickelt, der damit die Sedimentationsgeschwindigkeiten von Makromolekülen und damit ihre ungefähre molare Masse bestimmte. Er erhielt 1926 den Nobelpreis. Ultrazentrifugen rotieren ihren Inhalt sehr schnell – bis zu 500.000 U/min. Der Rotor befindet sich bei diesen im Vakuum, um die ansonsten extrem hohe Luftreibung zu vermeiden.

Zur Isotopentrennung werden unter anderem Gaszentrifugen verwendet.

Großdimensionierte Zentrifugen werden in Beschleunigungstests für Piloten und Astronauten eingesetzt, um die beim Start, bei Flugmanövern und beim Wiedereintritt in die Atmosphäre wirkenden Kräfte, die ein mehrfaches der Erdanziehungskraft betragen, zu simulieren.

In der experimentellen Bodenmechanik werden Zentrifugen zur Simulation des Erddrucks eingesetzt.

Gefahren, Sicherheit

Aufgrund der großen kinetischen Energie von schnell drehenden Rotoren sind Sicherheitsvorkehrungen nötig. Oft ist ein stabiles Gehäuse wichtig, das in der Lage ist, die Umgebung bei berstendem Rotor zu schützen. Labor-Zentrifugen oder auch Wäscheschleudern lassen sich meist nicht öffnen, solange sich der Rotor dreht. Mit dem Deckel gekoppelte Sicherheitsschalter und/oder Bremsen verhindern eine Rotation bei geöffnetem Gehäuse.

Siehe auch

Weblinks


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