Benedikt von Nursia

Benedikt von Nursia
Benedikt von Nursia
Fresko im Kloster von Subiaco, Umbrien, Italien, 15. Jahrhundert

Benedikt von Nursia (italienisch San Benedetto di Norcia; * um 480 in Nursia bei Perugia; † 21. März 547 auf dem Monte Cassino bei Cassino) war ein Einsiedler und Abt. Er lebte in der Zeit des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter. Auf ihn geht das nach ihm benannte benediktinische Mönchtum zurück, dessen Regel, die Regula Benedicti, von ihm verfasst wurde. Er gründete Montecassino, das erste Benediktinerkloster. In der katholischen Kirche wird er als Heiliger verehrt.

Inhaltsverzeichnis

Quellenlage

Moderne Darstellung Benedikts von Nursia

Die einzige Quelle für Benedikts Leben, auf der die gesamte spätere Überlieferung fußt, ist seine in hagiographischem Stil verfasste Lebensbeschreibung (lateinisch vita), die Papst Gregor der Große im letzten Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts schrieb und in seine Schrift Dialogi ("Dialoge") einbaute, in der sie das gesamte zweite der vier Bücher füllt. Gregor erzählt in den Dialogi vom Leben der Heiligen in Italien; er möchte seinem Gesprächspartner, dem Diakon Petrus, zeigen, dass es auch in Italien nicht nur gute Christen, sondern auch Heilige gebe, was Petrus bezweifelt hatte. Hinsichtlich der Lebensbeschreibung Benedikts beruft sich Gregor auf die Berichte von vier Augenzeugen, die er persönlich kannte und die Schüler Benedikts gewesen waren: Konstantin, der Benedikts unmittelbarer Nachfolger als Abt von Montecassino war; Konstantins Nachfolger Simplicius; Valentinianus, der Abt des St.-Pankratius-Klosters im Lateran, in das sich die Mönche von Montecassino nach der Zerstörung ihres Klosters durch die Langobarden um 580 zurückgezogen hatten; Honoratus, der zu Gregors Zeit das von Benedikt gegründete Kloster Subiaco leitete.[1]

Der Theologe Francis Clark hat 1987 eine zweibändige Untersuchung der Dialogi vorgelegt, in der er die Hypothese vertritt, das Werk sei unecht. Der Verfasser sei nicht der 604 gestorbene Papst Gregor, sondern ein Fälscher, der im späten 7. Jahrhundert gelebt habe. Vorsichtige Zustimmung fanden einige von Clarks Überlegungen bei Johannes Fried, der allerdings 2004 feststellte: Clark ist über sein Ziel hinausgeschossen; die Dialogi seien zu Gregors Lebzeiten in seiner Umgebung entstanden; es seien literarisch gestaltete Zwiegespräche, die Gregor tatsächlich führte.[2] Allerdings sei die Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Lebens Benedikts zweifelhaft. Fried kommt zum Ergebnis: Wer also war Benedikt wirklich, im tatsächlichen Leben? Wir wissen es nicht. Vielleicht sei Benedikt nur ein Phantom, ein Produkt einer erbaulichen Geschichte.[3] Die Hypothese Clarks, die er 2003 in einer weiteren Untersuchung verteidigte,[4] ist in der Forschung fast einhellig abgelehnt worden; sie gilt als gescheitert, seit sich herausgestellt hat, dass seine Arbeit schwere methodische Mängel aufweist. Auch Frieds Vermutung, Benedikt sei möglicherweise eine erfundene Gestalt, hat sich nicht durchgesetzt. Nach heutigem Forschungsstand ist von der Echtheit der Dialogi und der Historizität Benedikts auszugehen.[5]

Leben

Benedikt wurde in Nursia (italienisch Norcia) um 480 als Sohn eines reichen Landbesitzers geboren. Seine Zwillingsschwester war die später ebenfalls als Heilige verehrte Scholastika.

Nach der Schulzeit in Nursia schickten Benedikts Eltern ihren Sohn zum Studium nach Rom. Von der Sittenlosigkeit seiner Mitstudenten enttäuscht, ging er aber bereits nach kurzer Zeit in die Berge nach Enfide (dem heutigen Affile) und lebte mit einer Gruppe von Einsiedlern, bevor er sich 3 Jahre lang in eine Höhle bei Subiaco östlich von Rom zurückzog. Über dieser Höhle wurde im 12. Jh. das Kloster San Benedetto, auch Sacro Speco (= Heilige Höhle) genannt, gegründet.

In dieser Zeit wurden immer mehr Menschen auf Benedikt aufmerksam, und bald wurde er gebeten, dem nahe gelegenen Kloster in Vicovaro vorzustehen. Benedikt willigte ein und versuchte, das Leben in dem Kloster neu zu ordnen. Dabei stieß er auf großen Widerstand der Mönchsgemeinschaft, die sogar versuchte, ihren unbequemen Abt mit vergiftetem Wein umzubringen.

Benedikt kehrte wieder in das Tal von Subiaco zurück und gründete in einem Gebäude der Nerovilla das Kloster San Clemente sowie zwölf weitere, kleine Klöster - unter ihnen das als einziges noch heute erhaltene Konvent Santa Scolastica. Der Legende nach sollen ihn die Intrigen des neidischen Priesters Fiorenzo von Subiaco von dort wieder vertrieben haben. Doch steht dahinter wohl ein Konflikt mit dem Bischof von Tivoli, dem der zunehmende Einfluss Benedikts in seiner Diözese ein Dorn im Auge war.

Benedikt zog 529 mit einer kleinen Schar treuer Anhänger auf den 80 km südöstlich gelegenen Monte Cassino und gründete dort das Kloster, das als Mutterkloster der Benediktiner gilt. Er führte selbst dort die Gemeinschaft. Für sie schrieb er auch seine berühmte „Regula Benedicti“.

Benedikt war bei der einheimischen Bevölkerung sehr beliebt. Er stand den Menschen in Notzeiten bei. Auch von Heilungen, sogar von Totenerweckungen berichten die Legenden. Benedikt gilt als Begründer der organisierten klösterlichen Pflege.

In Monte Cassino starb Benedikt schließlich am Gründonnerstag des Jahres 547, dem 21. März, während er am Altar der Klosterkirche betete - der Überlieferung nach stehend, auf seine Mönche gestützt. Seine Mitbrüder berichteten laut Gregor dem Großen, sie sahen, wie Engel ihn auf teppichbelegter, lichterfüllter Straße in den Himmel trugen.

Der Name Benedikt stammt aus dem Lateinischen und bedeutet der „Gesegnete“.

Wirkung und Regel des Benedikt

Benedikt, berühmt wegen der Benediktregel, die in den Benediktiner-, Benediktinerinnen- und später aus dem Orden hervorgegangenen Reformklöstern (Zisterzienser) gilt, war vom spätantiken Mönch- und Eremitentum des oströmischen Reiches inspiriert worden, insbesondere von den Gemeinschaften des Pachomios in Ägypten, der Mönchsregel von Basilius von Caesarea aus dem vierten Jahrhundert, die heute noch in der orthodoxen Kirche gilt, und der „Regula Augustini“, die nur in drei unterschiedlichen Überlieferungen erhalten ist, und übertrug Teile dieser Ideen durch seine Regel in den Westen.

Benedikt hat einige Klöster gegründet. Für die Mönche entwickelte er ein Konzept von Zucht und Maß:

  • zölibatäres Leben,
  • einfache Ernährung (auf das Fleisch vierfüßiger Tiere wird verzichtet, maximal eine gekochte Hauptmahlzeit am Tag, Beschränkung des Weinkonsums)
  • feste Zeiten für Gebet, Schriftlesung, Arbeit und Schlaf.

Das Modell des monastischen Lebens für Benedikt war die Familie mit dem Abt als Vater und den Mönchen als Brüdern.

Obwohl er der gesellschaftlichen Elite angehörte, widmete er sich der körperlichen Arbeit und gab dies seinen Nachfolgern mit auf den Weg. Dabei ist der irrtümlich oft ihm selbst zugeschriebene benediktinische Grundsatz „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) erst Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen. Heute wird darunter die in der Regel zugrundegelegte Ausgewogenheit zwischen sinnvoll gearteter Arbeit (zur Kompensation des Müßigganges, der als Feind der Seele gilt) und dem Gebet verstanden. Benedikt selbst verbindet in seiner Regel Arbeit mit Lesung (RB 48) und gibt dem Tag eine klare Struktur. Auch im weiteren Umfeld dieser Ordensgemeinschaften wurde diese Grundhaltung rezipiert. Heute wird seine Ordensregel auch als Maßstab für intelligentes Wirtschaften propagiert (siehe z.B. Anselm Bilgris Buch „Finde das rechte Maß“ oder Baldur Kirchners Buch „Benedikt für Manager“).

Weiter wurde Benedikt aber immer auch als Friedensstifter wahrgenommen. Auch viele Bestimmungen seiner Regel zielen auf diesen Frieden im Verhältnis zwischen den Oberen und den Mitbrüdern oder zwischen den in der Gemeinschaft vertretenen Generationen ab. Daher führen die heutigen Benediktiner als zweites Motto- und Wappenwort pax, pacis („Friede“).

St. Benedikt, München

Benedikt und die Benediktiner

Benedikt hat eine viel beachtete Regel geschrieben. Die viel spätere Bezeichnung Benediktinerorden resultierte aus dem Bestreben des Vatikans, die Benediktiner kirchenrechtlich wie einen Orden behandeln zu können. In Antwort darauf gründeten die verschiedenen Benediktinerklöster daher nach und nach nationale oder anderweitig gleichinteressierte Kongregationen (z.B. die Cassinenser Kongregation, die Sublacenser, die Englische, die Camaldulenser, die Olivetaner, die Vallombrosaner; im deutschsprachigen Raum: die Schweizerische Kongregation, die Österreichische K., die Bayerische K., die Beuroner K., die Missionskongregation von St. Ottilien), die alle heutzutage in der Benediktiner-Konföderation repräsentiert sind. Benediktinerabteien haben jedoch kein Mutterhaussystem wie religiöse Orden sondern sind völlig autonom. Demzufolge ist die Benediktiner-Konföderation kein Generalat und ihr Abtprimas kein Generalvorsteher.

Verehrung

Verzückung des Hl. Benedikt (Deckengemälde im Münster Zwiefalten)

Benedikt von Nursia wird in der katholischen Kirche als Heiliger verehrt. Schon immer wurde seine Bedeutung für das christliche Abendland betont. Zudem wird er als Patron der Schulkinder und Lehrer, der Bergleute und Höhlenforscher, der Kupferschmiede und der Sterbenden geehrt, sowie gegen Fieber, Entzündungen, Nieren- und Gallensteine, Vergiftung und Zauberei angerufen. Seit 1964 gilt er als einer der Patrone Europas.

Ab dem 11. Jahrhundert wurde der Gedenktag des heiligen Benedikt an seinem Todestag, dem 21. März begangen. In Jahren, in welchen dieser Tag in die Karwoche fiel, wurde es auf den frühestmöglichen Tag nach Ostern verlegt. Mit der Erhebung des Festes des heiligen Benedikt in den liturgischen Kalender der Gesamtkirche wurde 1970 der Gedenktag auf den 11. Juli verlegt.

Die Benediktinerklöster, vor allem Monte Cassino, blieben beim ursprünglichen Termin. Dies wahrscheinlich vor allem deshalb, weil der 11. Juli in Fleury traditionell als Fest der Translation (Übertragung) der Reliquien des heiligen Benedikt (manchmal auch als sein Todestag natale sancti Benedicti abbatis) gefeiert wurde. Die dortige Verehrung hatte unter anderem im 8. Jahrhundert zum Wechsel des Patroziniums vom heiligen Petrus zu Benedikt geführt. Der Streit um die Reliquien zwischen Fleury und Monte Cassino führte Ende des 11. Jahrhunderts dazu, dass Leo Marsicanus in seiner Geschichte des Klosters Monte Cassino die französische Darstellung ausführlich widerlegte. Der 11. Juli galt daher für die Äbte von Monte Cassino als „verbotenes Fest“, vor allem wenn es unter dem Titel „Translatio“ gefeiert wurde (vgl. Allgemeiner Römischer Kalender).

Am 21. März (dem ursprünglichen Gedenktag des heiligen Benedikt) geltende Wetterregeln: „Sankt Benedikt den Garten schmückt“ und „Sankt Benedikt macht Zwiebeln dick“, auch in der Form „Willst Du Gersten, Erbsen, Zwiebeln dick, so säe an St. Benedikt.“

Reliquien befinden sich in:

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Francis Clark: The Pseudo-Gregorian dialogues, 2 Bände, Leiden 1987 (Studies in the history of Christian thought 37-38) (überholter Forschungsstand)
  • Ildefons Herwegen, Emmanuel von Severus: Der heilige Benedikt, 5. Auflage, Düsseldorf 1980.
  • Raphael Molitor (Hrsg.): Vir Dei Benedictus. Eine Festgabe zum 1400. Todestag des Heiligen Benedikt, Münster 1947
  • Veith Risak: Benedikt - Menschenführer und Gottsucher, Böhlau-Verlag 1991.
  • Adalbert de Vogüé: Benedikt von Nursia. In: Theologische Realenzyklopädie Band 5, 1980, S. 538-549.
  • Adalbert de Vogüé, Benedikt von Nursia. Ein Lebensbild, München u.a. 2006.

Weblinks

 Wikisource: Benedictus de Nursia – Quellen und Volltexte (Latein)
 Commons: Benedikt von Nursia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Gregor der Große, Dialogi 2,1,2.
  2. Johannes Fried: Der Schleier der Erinnerung, München 2004, S. 345–349.
  3. Johannes Fried: Der Schleier der Erinnerung, München 2004, S. 356.
  4. Francis Clark: The "Gregorian" Dialogues and the Origins of Benedictine Monasticism, Leiden 2003.
  5. Siehe dazu Joachim Wollasch: Benedikt von Nursia. Person der Geschichte oder fiktive Idealgestalt? In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Bd. 118, 2007, S. 7–30; Paul Meyvaert: The Enigma of Gregory the Great's Dialogues. In: Journal of Ecclesiastical History 39, 1988, S. 335–381; Adalbert de Vogüé: Grégoire le Grand et ses "Dialogues" d'après deux ouvrages récentes. In: Revue d'histoire ecclésiastique 83, 1988, S. 281-348; Adalbert de Vogüé: Grégoire le Grand est-il l'auteur des Dialogues? In: Revue d'histoire ecclésiastique 99, 2004, S. 158–161 (mit Angaben zu weiterer einschlägiger Kontroversliteratur).

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