Zentraler Venenkatheter

Zentraler Venenkatheter
Doppellumiger ZVK

Der zentrale Venenkatheter (ZVK; Synonyme: Zentralvenöser Katheter, Zentralvenenkatheter, Zentralvenöser Zugang) ist ein dünner Kunststoffschlauch, der über eine Vene der oberen Körperhälfte in das Venensystem eingeführt wird und dessen Ende in der oberen oder unteren Hohlvene vor dem rechten Vorhof des Herzens liegt.

Im Unterschied zu peripheren Venenkathetern erlaubt ein ZVK die Zufuhr hochkonzentrierter Elektrolyt- und Nährstofflösungen und die Messung des zentralvenösen Druckes (ZVD) als Anhalt für das intravaskuläre Volumen ( = Blutvolumen). Da die Anlage eines zentralen Venenkatheters aufwändiger und komplikationsträchtiger als die eines peripheren Katheters ist, bedarf es einer klaren Indikation für diesen Eingriff.

Ein zentraler Venenkatheter ist nicht mit einem Swan-Ganz-Katheter zu verwechseln, der auch durch eine zentrale Vene bis in den rechten Vorhof, dann weiter durch die rechte Kammer bis in die Pulmonalarterie vorgeschoben wird. Er kommt hinter dem rechten Vorhof und der rechten Herzkammer im Stamm der Arteria pulmonalis zu liegen.

Inhaltsverzeichnis

Indikationen und Kontraindikationen

Bei der Notwendigkeit der Infusion von Lösungen und Medikamenten, die stark venenreizend wirken, wie beispielsweise höherdosiertes Natriumbikarbonat, Kaliumchlorid sowie hochkalorische Glukose- oder Aminosäureninfusionen insbesondere im Rahmen einer parenteralen Ernährung ist ein zentraler Zugang indiziert. Auch die Infusion von kreislauf- und herzwirksamen Medikamenten mit kurzer Halbwertszeit, insbesondere Katecholaminen, erfordern meist die Anlage eines zentralen Venenkatheters. Eine zwingende Indikation ist die fehlende Möglichkeit der Anlage eines peripheren Infusionszugangs. Dies tritt ein bei sämtlichen Schockformen (vor allem Volumenmangelschock und septischer Schock), bei ausgedehnten Verbrennungen, bei Hypothermie oder bei lange dauernden Infusionstherapien mit rezidivierenden Punktionen peripherer Venen.

Relative Kontraindikationen sind anatomische Fehlbildungen aufgrund des Risikos von Fehlpunktionen, Störungen der Blutgerinnung wegen des Risikos von ausgedehnten Blutergüssen, schwere chronische und akute Lungenerkrankungen, bei denen das Risiko eines Pneumothorax besteht und Allergie des Patienten auf die ZVK-Materialien.

Da jedoch die Anlage eines ZVK für gewöhnlich ohnehin nur bei sehr kranken Patienten durchgeführt wird, kann eine solche Anlage auch nach Risiko-Nutzen-Abwägung bei Vorliegen dieser relativen Kontraindikationen durchgeführt werden.

ZVKs gibt es mit bis zu sechs Lumina. Am häufigsten werden zwei und dreilumige Varianten gewählt. Es können dann über einzelne Lumen z.B. parenterale Ernährung, Katecholamine und Antibiotika parallel laufen, ohne die Gefahr von Inkompatibilitäten zwischen den einzelnen Substanzen. Allerdings erhöht sich mit ansteigender Anzahl der Lumen das Infektionsrisiko, so daß die Indikation für mehrere Lumen streng gestellt werden sollte.

Zugangswege für den ZVK

In der Vena jugularis interna liegender Katheter

Der bevorzugte Zugangsweg sollte die Vena jugularis interna am seitlichen Bereich des Halses sein. Hier ist die Vene anhand anatomischer Landmarken leicht zu finden und sonographisch gut darzustellen. Es handelt sich zudem um eine große, hinter Muskeln fixierte und im Liegen fast immer offene Vene. Der rechtsseitigen Punktion sollte wenn möglich der Vorzug gegeben werden, da die Vene aufgrund ihres Verlaufes hier einfacher zu treffen ist und der auf der Gegenseite einmündende Ductus thoracicus nicht verletzt werden kann.

Es besteht das Risiko, bei Fehlpunktionen die Arteria carotis communis zu punktieren (was aber unter sonographischer Sicht minimiert werden kann). Dies kann zu einer Thrombusbildung in der A. carotis mit Thrombembolie in hirnversorgende Gefäße und damit zu einem apoplektischen Insult (Schlaganfall) führen. Auch ein akuter Verschluss der A. carotis durch Thrombenbildung kann zu einem Apoplex führen.

Als Alternative bietet sich die Vena subclavia unter dem Schlüsselbein an. Vorteile sind eine klare anatomische Orientierung und eine oft schnell mögliche Anlage. Vor allem bei einem Volumenmangel ist dieser Zugangsweg vorteilhaft, weil diese Vene zwischen Schlüsselbein und 1. Rippe aufgespannt und damit immer entfaltet ist (die Vena jugularis interna kann kollabiert und nicht zu punktieren sein). Die Strecke vom Durchtritt durch die Haut bis zum Eintritt in die Vene ist relativ lang, was eine Infektionsbarriere darstellt. Subclaviakatheter können daher meist länger belassen werden bevor eine Katheterseptikämie eintritt. Die meisten Patienten empfinden den Subclavia Katheter auch als weniger störend als den am Hals austretenden Jugularis interna Katheter. Schwerwiegende Nachteile sind die Gefahr eines Pneumothorax bei versehentlicher Punktion der Lungenspitze und nur schwer beherrschbare Blutungen in die Haut und in den Brustkorb, da die Vena subclavia einer Kompression von außen nicht zugänglich ist. Fehlpunktionen der Arteria subclavia sind recht häufig, bleiben für den Patienten jedoch meist ohne nachteilige Folgen. Wegen der Gefahr eines Pneumothorax darf bei einseitigen Lungenerkrankungen niemals die gesunde Seite punktiert werden. Aus demselben Grund ist bei Fehlpunktion eine erneute Punktion auf der Gegenseite zu unterlassen.

Unter Umständen kann der Zugang über die Vena jugularis externa – sofern sie von außen gut sichtbar ist – eine technisch einfache Alternative darstellen, ist jedoch mit häufigen Fehllagen (z. B. Abknicken des Katheters in andere Venen oder nach kranial) verbunden.

Die Punktion der Armvenen ist nicht immer möglich, wenn auch insgesamt komplikationsarm. Auch kann der Katheter insbesondere bei Punktion der Vena cephalica nicht immer ausreichend weit vorgeschoben werden. Wegen des langen Katheters sind Komplikationen wie Phlebitis oder Thrombose der Armvenen häufiger, so dass ein Armvenenkatheter meist nur wenige Tage belassen werden kann.

Die Vena femoralis in der Leiste stellt einen technisch eher einfach zu punktierenden Gefäßzugang dar. Ein hier gelegter Katheter ist jedoch mit einem Thromboserisiko der Beinvene verbunden. Auch Läsionen des N. femoralis sind möglich. Aus hygienischer Sicht (starke Besiedlung der Leistengegend mit aeroben und anaeroben Bakterien) ist eine Punktion der Vena femoralis eher abzulehnen. Vor allem wegen der erstgenannten Komplikation eignet sich dieser Zugangsweg nicht zur längeren Belassung des Katheters, so dass die Vena femoralis nur dann zur Punktion gewählt werden sollte, wenn andere Punktionsorte nicht in Frage kommen oder allenfalls für eine passagere Anlage, bis unter möglicherweise verbesserten Ausgangsbedingungen ein Katheter in die V. jugularis oder V. subclavia gelegt werden kann.

Durchführung

ZVK mit Punktionsmaterial

Zuerst wird die Punktionsregion inspiziert, eventuell unter Nutzung von Ultraschall. Bei der Jugularispunktion erfolgt nun eine Kopftieflagerung, zur besseren Füllung der Vene und zum Schutz vor Luftaspiration. Danach wird eine örtliche Betäubung und Desinfektion vorgenommen.

Die Punktion in steriler Technik erfolgt entweder blind, nach Kenntnis der Anatomie, oder unter Ultraschallsicht. Der Katheter wird meist mit Hilfe der Seldinger-Technik eingeführt. Es sind aber auch Direktpunktionssets im Handel. Deren Vorteil besteht in der schnelleren Anlage ohne Führungsdraht, der Nachteil in der Venenpunktion mit einer großlumigen Kanüle, durch die der Katheter direkt eingeführt wird.

Nun kann gegebenenfalls eine Lagekontrolle mit Hilfe des Vorhof-EKG vorgenommen werden. Über den mit Hilfe einer Markierung genau an die ZVK-Spitze zurückgezogenen Seldinger-Draht wird ein Monitor-EKG abgeleitet. In der Nähe des rechten Vorhofs kommt es zu einer spitzen Überhöhung der P-Welle, die sich beim Zurückziehen des Katheters wieder normalisiert, so dass sich die korrekte Lage einstellen lässt.

Danach erfolgt eine Aspirationskontrolle und Spülung des Katheters. Der ZVK wird normalerweise durch Halteclip und Naht fixiert. Zuletzt wird ein steriler Pflasterverband angelegt. Eine Thorax-Röntgenaufnahme dient der abschließenden Lagekontrolle und dem Ausschluss eines Pneumothorax.

Komplikationen

Bei liegendem zentralen Venenkatheter besteht die Gefahr diverser Komplikationen. Hierzu gehören die Bildung von Hämatomen nach Fehlpunktion oder Perforation der Vene, seltener einer Arterie oder die Verletzung benachbarter Nerven, eine Fehllage des ZVK (mit Herzrhymusstörungen bei intrakardialer Lage) und ein Pneumothorax, auch als akut lebensgefährlicher Spannungspneumothorax, bei Verletzung der Pleura.

Eine Besiedelung durch Bakterien oder Pilze führt zur sog. Zentralvenenkatheter-assoziierte Bakteriämie bzw. Fungämie und oft zu einer − im angelsächsischen Sprachraum als catheter-related blood stream infection (CRBSI) bezeichneten − Kathetersepsis, an der im Jahre 1994 15-25% der Patienten verstarben. Die Inzidenzzahlen für eine Kathetersepsis in der Europäischen Union wurden mit 1,55 pro 1.000 ZVK-Liegetagen angegeben.[1]

Durch Eindringen von Luft in das venöse System besteht die Gefahr einer Luftembolie. Thrombenbildung und Thrombophlebitis sind weitere Komplikationen.

Siehe auch

Einzelbelege

  1. Munoz P., Bouza E., San Juan R., Voss A., Pascau J., Desco M., Co-Operative Group of the European Study Group on Nosocomial Infections (ESGNI): Clinical-epidemiological characteristics and outcome of patients with catheter-related bloodstream infections in Europe (ESGNI-006 Study), Clin. Microbiol. Infect. 10 (2004) 843-5.
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