Zechensiedlung

Zechensiedlung
Datei:Dahlhauser Heide01.jpg
Die Dahlhauser Heide als typische Zechenkolonie
Zechensiedlung mit typischen Kniestockhäusern
Verdichtete Bauweise, Sektion VIII in Kaiserau ca. 1978

Als Zechenkolonien wurden die im 19. und 20. Jahrhundert errichteten typischen Bergarbeiter-Siedlungen im Ruhrgebiet bezeichnet, die sich um die Standorte der Zechen herum gruppierten.

Inhaltsverzeichnis

Frühindustrialisierung im Ruhrgebiet

Auf dem Gebiet des Ruhrgebietes zwischen den Flüssen Rhein, Ruhr und Lenne existierten zum Beginn der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts keine nennenswerten Städte. Dort am Hellweg, einem der bedeutendsten Handelsstraßen des Mittelalters, war das Land flach und sumpfig, außer ein paar Dörfern gab es nur einige wenige Ortschaften.

Am Südrand des Ruhrgebietes gab es wenige Kleinzechen und holzkohlebetriebene Eisenhütten, deren Arbeiter aus der ortsansässigen Landbevölkerung stammten und in Bauernkotten in ihren bäuerlichen Dorfstrukturen lebten.

Mit der Einführung der Dampfmaschine änderten sich diese Strukturen innerhalb kürzester Zeit. In den 1830ern entstanden erste große Eisenhütten und Maschinenbaubetriebe, der Bedarf an Arbeitern nahm rasch zu, und es wurden erste "Ledigenwohnheime" gebaut, kasernenartige Unterkünfte (Kaserne der Paulinenhütte) für die alleinstehenden Industrie- und Bergarbeiter.

Wohnsiedlungen

Um Wohnraum für verheiratete Vorarbeiter und Meister zu schaffen, begann 1844 die Gutehoffnungshütte in Oberhausen mit der Kolonie "Eisenheim" als erster Industriebetrieb mit dem Werkswohnungsbau. Jedes der Häuser war zweistöckig und bestand aus zwei Wohnungen, die durch separate Eingänge deutlich voneinander abgetrennt waren.

Der typische Haustyp der Zechenkolonie, der das Ruhrgebiet dann prägte, das Haus im "Kreuz-Grundriss", wurde erstmals in Mulhouse (im Elsass) für die Kalibergbau-Arbeiter gebaut und 1855 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt. 1858 entstand in Bochum-Stahlhausen eine erste Siedlung nach diesem Schema im Ruhrgebiet. Die Häuser waren zweigeschossig mit vier Wohnungen, zu ihnen gehörte ein Garten mit einem Schuppen für Stall und Toilette.

Als 1871 nach dem Sieg im Krieg gegen Frankreich die Wirtschaft weiter aufblühte, kamen in den folgenden 40 Jahren in mehreren Wellen über 700.000 Zuwanderer ins Ruhrgebiet, vornehmlich besitzlose Landarbeiter aus Schlesien, aus West- und Ostpreußen, aus Polen und Masuren.

Die Zechensiedlungen konnten den Zustrom an Arbeitskräften kaum verkraften, so dass sich viele Familien eine Wohnung teilten und Kostgänger oder Schlafburschen aufnahmen. Diese Entwicklung wurde beim Bau neuer Häuser berücksichtigt, indem die Küche zur Wohnküche wurde und der Zugang zu den anderen Räumen vorverlegt wurde. So konnten die Untermieter ihre Zimmer erreichen, ohne die Familienzimmer betreten zu müssen. Eine Weiterentwicklung war die Anlage von "Wohnungsfluren", die als Schleuse den Zugang in die Häuser kontrollierte.

Weitere Entwicklungen

Nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jh. ausschließlich monotone Reihensiedlungen ohne jede Begrünung in der Form geschlossener Zeilen und später dann Reihensiedlungen mit Vor- und Hausgärten errichtet wurden, begann in den Jahren ab ca. 1905 der Bau von Arbeitergartenstädten (siehe Gartenstadt). Als Musterbeispiele sind die von Robert Schmohl entworfenen Kruppschen Siedlungen in Rheinhausen, Datteln ("Beisenkamp") und Bochum-Hordel ("Dahlhauser Heide") zu nennen. Die bekanntesten Beispiele sind aber wohl die von Prof. Georg Metzendorf entworfene Kruppsche Siedlung "Margarethenhöhe" in Essen und die vom gleichen Architekten gebaute "Gartenstadt Hüttenau" der Henrichshütte in Welper.

Einen noch weiter fassenden Ansatz verfolgten die Stadtplaner der Neuen Stadt Wulfen in den 1960er Jahren. Hier wurde eine komplette Stadt mit Infrastruktur für bis zu 60.000 Einwohnern auf dem Reißbrett neu entworfen. Wegen mangelnder Produktivität des größten Arbeitgebers, der Zeche Wulfen, mussten die Pläne jedoch auf 20.000 Einwohner herabgesetzt werden.

Die Schrumpfung der deutschen Montanindustrie führte ab den 1970-er Jahren zu einer Privatisierung des Werkswohnungsbestandes, der zu sozialen Problemen der Bewohner dieser Siedlungen und teilweise heftigem Widerstand führte. Darüber hinaus wurde der geschlossene städtebauliche Charakter oft durch die "Gestaltungswut" und übertriebene individuelle Vielfalt der neuen Eigentümer zerstört. In einigen Fällen konnte jedoch durch die Unterschutzstellung der Siedlungen als Denkmalbereich der ursprüngliche Siedlungscharakter und ein Hauch des verflossenen Charmes gerettet werden.

Literatur

  • Hermann, Wilhelm und Gertrude: Die alten Zechen an der Ruhr (mit einem Katalog von fast 500 Zechen samt ihren 'Lebensgeschichten' und Nachweis denkmalgeschützter Bergmanns-Siedlungen). 5. Auflage 2003, 328 S., 416 Abb. u. Pläne, dav. 72 farbig, Königstein i. Ts. (Dezember) 2003, ISBN 3-7845-6993-5.

Siehe auch

Weblinks


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