Xenophobie

Xenophobie

Die Xenophobie (gr. ξενοφοβία „Fremdenangst“, von ξένος xénos „Fremder“ und φοβία phobia „Angst“, „Furcht“), auch Fremdenfeindlichkeit, bezeichnet ein mit persönlicher Abneigung und Abwehr verbundenes Verhalten der Scheu oder Furcht gegenüber als „anders“ oder „fremd“ vorgestellten Personen oder Gruppen, das vielfältige Formen der Ausgrenzung zur Folge hat.

Sozialpsychologisch gesehen wird hier ein negativ konnotiertes Fremdbild geschaffen, um ein überlegenes Selbstbild zu erzeugen. Xenophobes Verhalten wird sozial gelernt und kann somit verändert und abgelegt werden. An den Prozessen der Konstruktion von Bildern über vermeintlich „Fremde“ oder „Andere“ sind wissenschaftliche, mediale, politische und andere von Interessen geleitete Akteure der Gesellschaft beteiligt.[1] Der Begriff wird in der Rassismusforschung dort vermieden, wo er die Prozesse der Stigmatisierung durch Psychologisierung und Biologisierung übersieht und eine quasi kausale naturgegebene Erklärung für Gewalt und Ausgrenzung nahelegt.[2]

Der Begriff „Xenophobie“ steht im Gegensatz zur „Xenophilie“ (Fremdenfreundlichkeit) und in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Exotismus, einer Art naiven, quasi voyeuristischen Xenophilie, mit welcher er gewisse konstituierende Merkmale gemein hat, zum Beispiel das Postulat der eigenen, meist kulturellen, Überlegenheit.

Inhaltsverzeichnis

Sozialpsychologische Erklärungsmodelle

In der Sozialpsychologie werden diskriminierende Verhaltensweisen mit dem Begriff der Xenophobie unter sozialen und psychologischen Aspekten betrachtet.

  • Rebellierende Selbstunterwerfung

Als Erklärungsmodell für das Auftreten von Fremdenfeindlichkeit schuf Nora Räthzel den Terminus "Rebellierende Selbstunterwerfung". Als rebellierende Selbstunterwerfung bezeichnet sie ein Phänomen, bei dem Widerstand gegen soziale Ausgrenzung nicht gegen dessen Verursacher gerichtet werde, sondern in Form eines Sündenbocks gegen einen unbeteiligten Dritten in Form des Anderen, des Fremden. Diese Ersatzhandlung diene letztlich der eigenen Unterwerfung unter die Zustände, die man zu bekämpfen suche.[3]

Legitimierende Erklärungsmodelle

Der Begriff Xenophobie wird auf unterschiedliche Weise auch dazu benutzt, um Rassismus und Diskriminierung als Resultat biologischer, kultureller oder ökonomischer Gegenheiten zu legitimieren:

  • Beispiele für biologisierende Erklärungsmodelle: Tierarten verteidigen das eigene „Territorium“ gegen Eindringlinge. Inwieweit es sich bei Xenophobie des Menschen um biologische Determinanten, durch Sozialisation erworbenes Verhalten bzw. in engem Rahmen freie Entscheidungen handelt, ist umstritten. Was im konkreten Fall als "fremd" wahrgenommen (und abgelehnt) wird, hängt allerdings nachweislich in erster Linie von historisch-kulturellen Faktoren ab.

Ein ausgeprägt biologistisches Erklärungsmodell für Fremdenfeindlichkeit liefert z.B. die Ethologie und als einer ihrer prominentesten Vertreter Irenäus Eibl-Eibesfeldt.

Ethologische Erklärungsmodelle

Der Ethologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt deutet die Abwehr des Fremden bzw. als Fremd empfundenen sowie die sich historisch unterschiedlich darstellende Abgrenzung von Gruppen als anthropologisches Erfordernis zur Aufrechterhaltung einer stabilisierenden Gruppennorm. [4] Normen machten "das Verhalten voraussehbar, tragen Ordnung in die Gemeinschaft und vermitteln damit Sicherheit" [5] Eibesfeldt verweist auf die prägende Funktion kultureller Normen:

"Die Gruppennorm äußert sich in Sprache, Brauchtum, Kleidung, Körperschmuck und vielen anderen Alltäglichkeiten. Die materielle wie geistige Kultur ist nach ihr ausgerichtet. Kultur erweist sich hier prägend und legt uns als zweite Natur insofern fest, als uns auch der Schatz tradierten Brauchtums nicht allzuviel Bewegungsfreiheit lässt." [6]
Alles soziale Handeln ist kulturell überformt, d. h. kollektive Distanz und Feindseligkeit ist erworbene Grundstimmung (siehe auch Mentalität einer Gesellschaft). Dennoch werden Behauptungen aufgestellt, nach denen sogenannte Stammesgesellschaften, aber auch ländliche Gesellschaften mit Grundbesitzerstrukturen, deren Traditionen stark auf fixierten Regeln beruhen würden, Neubürgern gegenüber eher zurückhaltend bis ablehnend eingestellt sein. Vielfach werden dieselben Gesellschaften als ausgesprochen gastfreundlich dargestellt; handeltreibende Kulturen (wie das antike Griechenland – vgl. Homer, Herodot oder Aischylos) gelten in diesen Konstruktionen als eher vorurteilsarm. Auch die vorherrschende Religion habe großen Einfluss auf die beobachtbare Haltung gegenüber "Fremden". Ein vergleichbar langsamer sozialer Wandel begünstige xenophobe Reaktionen. Nach Pierre Bourdieu steige mit der Komplexität der Gesellschaft die Möglichkeit, Xenophobie zu verringern.
  • Beispiele für ökonomistisch begründete Erklärungsmodelle:
Das Eindringen fremder Waren in Gestalt von neuartigen Techniken könne ebenso wie das Auftreten von in einer bestimmten Kultur unbekannten Kauf- oder Fachleuten Furcht erwecken und Fremdenscheu hervorbringen.

Gemeinsam sind diesen Erklärungsmodellen, dass geschichtliche und gesellschaftliche Konstruktionsprozesse für Selbst- und Fremdbilder nicht untersucht werden, sondern als quasi natürliche Gegebenheiten akzeptiert werden.

Siehe auch

Literatur

  • Ben Barkow, Stefan Zeidenitz: Xenophobe's Guide to the Germans. Oval Books, London 1999, 2003. ISBN 1-902825-29-2
  • Thomas Baumer: Handbuch Interkulturelle Kompetenz. 2 Bde. Orell Füssli, Zürich 2002. ISBN 3-280-02691-1
  • Jan C. Behrends, Thomas Lindenberger, Patrice G. Poutrus (Hrsg.): Fremde und Fremd-Sein in der DDR. Zu historischen Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland. Berlin 2003. ISBN 3-936411-01-8
  • Jan Christopher Cohrs: Von konstruktiven Patrioten und schwarzen Schafen: Nationale Identifikation und Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit. Dissertation. Univ. Bielefeld 2004. urn:nbn:de:hbz:361-5004
  • Elke M. Geenen: Soziologie des Fremden. Leske + Budrich, Opladen 2002. ISBN 3-8100-3599-8
  • Günther Rathner: Xenophobie, Autoritarismus und Antisemitismus.
  • Klaus Wahl: Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsextremismus. Drei Studien zu Tatverdächtigen und Tätern. Bundesministerium des Innern, Berlin 2001.
  • Hans-Jürgen: Wirth Fremdenhaß und Gewalt als familiäre und psychosoziale Krankheit. in: Psyche. Stuttgart 2001, 11 (Nov.), S.1217-1244. ISSN 0033-2623

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Damir Skenderovic, „Fremdenfeindlichkeit“, in: Historisches Lexikon der Schweiz s. Weblinks
  2. Christoph Butterwegge: Globalismus, Neoliberalismus und Rechtsextremismus. [1]
  3. Kalpaka, Annita / Räthzel, Nora (Hrsg.): Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein, Köln: Dreisam Verlag, 1994, ISBN 3-89607-022-3
  4. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, Vierkirchen 2004, Blank Media, ISBN 3-937501-01-0, Seite 409 ff. und 443
  5. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, Vierkirchen 2004, Blank Media, ISBN 3-937501-01-0, Seite 409
  6. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, Vierkirchen 2004, Blank Media, ISBN 3-937501-01-0, Seite 409

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