X-Verfahren

X-Verfahren

X-Leitstrahlbake ist der Name eines deutschen Funk-Leitstrahl-Systems für Kampfflugzeuge der Luftwaffe am Anfang des Zweiten Weltkrieges. Es wurde im Auftrag der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt bei Telefunken entwickelt, dort namentlich durch den Ingenieur Johannes Plendl.

Es entstand in Anlehnung an ein von der C. Lorenz AG, Berlin, entwickeltes Landeanflugsystem für den zivilen Flugverkehr aus dem Jahre 1934, mit dem Flughäfen bei eingeschränkter Sicht präzise angeflogen werden konnten. Dieses ursprüngliche Verfahren arbeitete mit einem Leitstrahl von 5°, entsprechend 8 km Breite auf 100 km Entfernung, für Angriffe also zu ungenau. Plendl verbesserte die Genauigkeit dieses Systems, indem er größere Antennen mit einem kleineren Abstrahlwinkel von 0.1° und deutlich stärkerer Leistung installierte. Dafür wurden bei Telefunken die Sender "Berta I" (50 W) und "Berta II" (500 W) entwickelt. Anders als bei Lorenz flogen jetzt die Piloten auf dem Leitstrahl von den Sendeantennen weg. Der Leitstrahlsender sendete mit zwei Antennen auf einer Frequenz im Bereich 66 bis 77 MHz. Die Antennen waren leicht gegeneinander geneigt, sodass sich zwei Richtkeulen ergaben. Die nach links strahlende Antenne sendete Morsepunkte (Morsezeichen "e"), die nach rechts strahlende Antenne Morsestriche (Morsezeichen "t"). Im Überlappungsbereich der Leitstrahlen ergänzen sich beide Signale zu einem Dauerton und der Pilot war auf dem richtigen Weg. Anfangs mussten die Töne über Kopfhörer mitgehört werden, eine spätere Ausführung dekodierte die Töne automatisch und übertrug die Leitstrahlinformation auf eine Anzeige.

Für die Zielfindung wurden die Leitstrahlen zweier X-Systeme gekreuzt und die Flugzeuge mit zwei X-Geräten ausgestattet. Das Erreichen des Zielgebietes wurde erkannt, wenn beide Empfängern ein durchgehendes Tonsignal lieferte. Es konnte auch mit drei Signalen gearbeitet werden, dann erhielt man ein Vor- und ein Hauptsignal.

Das Zielgebiet konnte mit dem X-Verfahren mit hoher Genauigkeit erreicht werden, 50 % der Bomben landeten bei einer Kampfentfernung von 300 km in einem Zielkreis von +/- 300 m. Nach Ende der Erprobung durch die Erprobungsstelle Rechlin im Jahre 1937 wurden 100 Bordfunkgeräte und 20 Bodenstationen bestellt. Diese wenigen Geräte wurden in spezielle Bomber der Kampfgruppe 100 konzentriert. Dieses "Pfadfinder"-Konzept wurde nur wenige Jahre später von der RAF kopiert und perfektioniert.

Zu diesem Zeitpunkt war die deutsche Luftwaffe die einzige der Welt, die bei Nacht oder schlechter Sicht einen Präzisionsangriff fliegen konnte. Zur selben Zeit arbeitete die britische Royal Air Force (RAF) noch wie in der Seefahrt mit einem astronomischen Navigationverfahren.

X-Systeme wurden in der Anfangsphase der deutschen Offensive bei Nachtangiffen, u. a. beim Unternehmen Mondscheinsonate am 14/15. November 1940 gegen Coventry, eingesetzt. Für die nächtlichen Luftangriffe auf England wurden zunächst zwei X-Sendestellen auf eine zu bombardierende Stadt ausgerichtet, später kamen weitere hinzu. An folgenden Standorten wurden Sendestellen aufgebaut (Auswahl):

Das X-Verfahren konnte in England, hauptsächlich durch Reginald Victor Jones, entschlüsselt und bereits 1940 erfolgreich dadurch gestört werden, dass Radiostationen das Punkt-Morse-Signal aussendeten, was zu Irritationen und in der Folge zu Flugbahnen außerhalb des eigentliches Leitstrahles führte. Diese Störsender „Domino“ waren allerdings vor dem Großangriff auf Coventry versehentlich auf die falsche Frequenz eingestellt.

Nach dem Krieg kamen der Erfinder auf der deutschen Seite, Johannes Plendl, und der Abwehrende auf der britischen Seite, Reginald Victor Jones, zusammen und wurden gute Freunde.

Siehe auch

Literatur

  • Johnson B, Streng geheim – Wissenschaft und Technik im 2. Weltkrieg. Weltbild-Verlag, Augsburg 1999, ISBN 389350818X
  • Jones, R. V. (1978). Most Secret War: British Scientific Intelligence 1939–1945. First published 1978 Hamish Hamilton. Coronet paperback edition 1979 ISBN 0-340-24169-1.
  • Fritz Trenkle, Die deutschen Funkführungsverfahren bis 1945., Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, 1987, ISBN 3-7785-1647-7
  • Joachim Beckh, Blitz und Anker, Band 2: Informationstechnik, Geschichte & Hintergründe, ISBN 3833429976

Weblinks


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