Würzburger Liederhandschrift

Würzburger Liederhandschrift

Die Würzburger Liederhandschrift, auch Hausbuch des Michael de Leone (Band 2), ist eine deutsch-lateinische Sammelhandschrift, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Würzburg entstanden ist. In der germanistischen Mediävistik wird sie mit der Sigle E bezeichnet.

Beschreibung

Bei der Würzburger Liederhandschrift handelt es sich um den zweiten Band des Hausbuchs des Michael de Leone. Michael de Leone begann seine Karriere als kaiserlicher Notar in Würzburg nach seinem Studium an der Universität Bologna. Später arbeitete er dort als bischöflicher Pronator. Nachdem er diesen Posten verließ, wurde er Scholastiker des Stifts Neumünster. Er erwarb in Münster auch den „Hof zum großen Löwen“, nach welchem er sich später benannte. Dieser diente als Familiensitz für sich und seine Nachfahren. Das von ihm in Auftrag gegebene Hausbuch entstand zwischen 1345 und 1354 mutmaßlich mit der Intention, ein Nachschlagewerk für seine Nachfahren zu schaffen. Das Hausbuch sollte jeweils in den Besitz des aus der Familie stammenden Eigentümers des Löwenhofes übergehen. Es wurde 1350 vorläufig fertiggestellt, aber in den folgenden Jahren noch laufend ergänzt. Einige der Nachträge stammen sogar aus der Zeit nach dem Tode Michaels de Leone 1355. Ursprünglich bestand das Hausbuch aus 33 Kapiteln, auf zwei Bände aufgeteilt. Das erste Kapitel des ersten Bandes wurde auch in den zweiten Band übertragen. Heute ist der erste Band verloren, es existieren nur noch einige Fragmente und Abschriften in anderen Schriften davon, zudem ist sein Inhaltsverzeichnis auch in dem noch erhaltenen zweiten Band aufgeführt.

Von Band 2, der Würzburger Liederhandschrift, sind heute noch 285 Pergamentblätter im Format 34,5 × 26,5 cm erhalten. Die Texte sind in gotischer Buchschrift, mit roter sowie schwarzer Tinte, zweispaltig geschrieben und mit zusätzlichen Hinweisen, Überschriften und Kapitelzahlen versehen. An dem Schriftbild lässt sich erkennen, dass mehr als zwölf Schreiber daran gearbeitet haben. Michael de Leone war aktiv an der Gestaltung des Hausbuches beteiligt, was durch seine Randnotizen belegt wird. Die Handschrift enthält eine Sammlung mittelalterlicher deutscher und lateinischer Literatur, so zum Beispiel Gebete, Merkverse, Sentenzen und Rätsel. Bekannt (und deshalb auch Liederhandschrift genannt) ist die Würzburger Liederhandschrift jedoch vor allem, weil sie auch Werke der mittelalterlichen Lyriker Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten enthält. Insgesamt sind 376 Strophen der beiden Sänger überliefert, von denen allerdings in anderen Codices einige anderen Sängern zugesprochen werden. Denn obwohl jedem Lied der Autorenname vorangestellt ist, ist keine konstante Ordnung durchgeführt. Von der Liedersammlung fehlen sieben Blätter, was 50 weiteren Strophen entspricht.

Karl Lachmann hat für die Strophen 342-376 der beiden Sänger die Bezeichnung Sigle e eingeführt, geläufiger ist allerdings die Sigle E für die gesamte Liederhandschrift. Heute wird die Würzburger Liederhandschrift in der Universitätsbibliothek München aufbewahrt und hat die Signatur 2° Cod. ms. 731. Ein vollständiges Faksimile des Hausbuches sowie verschiedene Teilfaksimila sind bereits herausgegeben worden.

Literatur

  • Walther Killy (Hrsg.): Literatur Lexikon. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1992, ISBN 3-570-03712-6
  • Horst Brunner (Hrsg.): Das Hausbuch des Michael de Leone (Würzburger Liederhandschrift)der Universitätsbibliothek München (2° Cod. Ms. 731). Kümmerle Verlag, Göppingen 1983, ISBN 3-87452-548-1
  • Hugo Moser und Helmut Tervooren: Des Minnesangs Frühling. II Editionsprinzipien, Melodien, Handschriften, Erläuterungen. S. Hirzel-Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-777-60331-7
  • Peter Keyser: Michael de Leone (†1355) und seine literarische Sammlung. Kommissionsverlag F. Schöningh, Würzburg 1966
  • Kurt Ruh (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 6. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1987, ISBN 3-11-010754-6
  • Christa Bertelsmeier-Kierst: Das >Hausbuch< des Michael de Leone. Zu Programm und Struktur der Sammlung. In: H. Brunner (Hrsg.): Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur des Spätmittelalters. Reichert Verlag, Wiesbaden 2004, S. 227-250, ISBN 3-89500-318-2
  • Joachim Bumke: Mäzene im Mittelalter. München 1979, ISBN 3-406-04871-4
  • Ulrich Müller: Die Lieder Reinmars und Walthers von der Vogelweide aus der Würzburger Handschrift 2° Cod. ms. 731 der Universitätsbibliothek München. I. Faksimile. Mit einer Einführung von Gisela Kornrumpf. Wiesbaden 1972, ISBN 978-3-920153-12-4

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