Wurmloch

Wurmloch

Wurmlöcher sind theoretische Gebilde, welche sich möglicherweise aus speziellen Lösungen (Kruskal-Lösungen) der Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben. Erstmals wurden sie im Jahre 1935 von Albert Einstein und Nathan Rosen beschrieben und deshalb ursprünglich Einstein-Rosen-Brücke genannt.

Der Begriff wurde 1957 von John Archibald Wheeler geprägt.[1][2] Der Name Wurmloch stammt von der Analogie mit einem Wurm, der sich durch einen Apfel hindurchfrisst. Er verbindet also zwei Seiten desselben Raumes (der Oberfläche) durch einen Tunnel. Das beschreibt anschaulich die besondere Eigenschaft der Kruskal-Lösungen, da diese zwei Orte im Universum miteinander verbinden.

Inhaltsverzeichnis

Theoretische Grundlage

Die allgemeine Relativitätstheorie erweitert den anschaulichen euklidischen Raum der Alltagserfahrung zum allgemeineren Gebilde der Raumzeit. Mathematisch gesehen ist die Raumzeit eine vierdimensionale, pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit. Jegliche Form von Energie, wie etwa Masse, Licht oder elektrische Ladung, ruft Veränderungen der geometrischen Eigenschaften der Raumzeit hervor, die wiederum selbst einen Einfluss auf die Bewegung der sich im Gebiet befindlichen Objekte haben. Dieser Einfluss ist die Gravitation und man spricht dabei allgemein von einer Krümmung der Raumzeit. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es ein häufiger Fehler ist, wenn nur von einer Krümmung des Raumes gesprochen wird.

Das Gravitationsfeld einer spezifischen Energieverteilung ist eine Lösung der Einsteingleichungen. Die bekannteste und einfachste ist die Schwarzschild-Lösung, die das Gravitationsfeld einer homogenen, nicht geladenen und nicht rotierenden Kugel beschreibt. Damit beschreibt sie in guter Näherung auch das Gravitationsfeld der Erde oder eines Sterns im Außenraum. Fällt ein Stern hingegen zu einem schwarzen Loch zusammen, genügen die Schwarzschild-Koordinaten nicht, um das ganze Gebilde zu beschreiben. Am sog. Ereignishorizont des Objekts findet sich eine Koordinaten-Singularität, die anschaulich vergleichbar ist mit dem Nord- oder Südpol eines Kugelkoordinatensystems. Es handelt sich nicht um eine physikalische Singularität, da sie sich durch Wahl neuer Koordinaten entfernen (wegtransformieren) lässt. Das geschieht mithilfe der Kruskal-Szekeres-Koordinaten, die neue Lösungen im Innern des Ereignishorizontes beschreiben. Es zeigt sich, dass es neben dem Außen- und Innenraum des schwarzen Loches noch dazu äquivalente, gespiegelte Räume gibt. Somit zeichnet sich ein möglicher Übergang zu einem weißen Loch ab, aus dem Materie zwar austreten, aber nicht in es eindringen kann.

Die Verbindung zwischen den beiden Gravitationsanomalien wird als Einstein-Rosen-Brücke und das gesamte Objekt selbst als ein Wurmloch bezeichnet. Prinzipiell ist es denkbar, dass Wurmlöcher entweder zwei Orte derselben Raumzeit oder zwei parallele Raumzeiten ('Universen/Multiversen') miteinander verbinden.

Praktische Überlegungen

Es gibt bislang keine experimentellen Beweise für Wurmlöcher. Rein theoretische Überlegungen deuten darauf hin, dass Wurmlöcher sog. exotische Materie brauchen, um zu entstehen und stabil zu bleiben. Einige Wissenschaftler wie Kip Thorne gehen davon aus, dass eine Instabilität der Wurmlochverbindung nur durch exotische Materie verhindert werden könne. Stephen Hawking schließt nicht völlig aus, dass es durch hineinfallende Teilchen normaler Materie trotzdem zu einem schnellen Zusammenbrechen des Wurmloches kommen könnte. In seinem Buch Das Universum in der Nussschale stellt Hawking zahlreiche Überlegungen dazu an, welche praktischen Auswirkungen nutzbare Wurmlöcher zur Folge hätten.

Die exotische Materie hat die Eigenschaft, in einem bestimmten Raumgebiet (dort, wo das Wurmloch sein soll) antigravitativ zu wirken (genauer, es hat eine negative mittlere Energiedichte). Bisher ist keine Möglichkeit bekannt, wie man exotische Materie herstellen, geschweige denn, wie man damit Wurmlöcher bauen kann. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass man für ein Wurmloch mit einem Meter Durchmesser exotische Materie äquivalent einer Jupitermasse brauchen würde. Eventuell sind nur mikroskopische Wurmlöcher (das heißt von der Größe weniger Atomradien) möglich, wenn exotische Materie beziehungsweise negative Energiedichten im Spiel sind. Forscher der Universität von Victoria (Wellington) gehen jedoch davon aus, dass auch sehr kleine Mengen exotischer Materie zur Erzeugung von Wurmlöchern ausreichen.

Science-Fiction

Science-Fiction, die sich im Rahmen der Wissenschaft bewegen will, nutzt gerne Wurmlöcher, um Reisen im Weltraum zu beschleunigen. Die Serie Deep Space Nine aus der Star-Trek-Reihe beispielsweise handelt von einer abgelegenen Raumstation, die durch ein in der Nähe entdecktes Wurmloch große strategische und wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Allerdings ist dieses Wurmloch kein Wurmloch im eigentlichen Sinne, sondern eine künstlich erzeugte Passage. Auch die mehrere Jahre laufende Serie Stargate bedient sich dieser Technologie. In dem Kinofilm Donnie Darko wird dagegen die Existenz eines Wurmlochs als Ausgangspunkt für eine paradoxe und vieldeutige Geschichte um Zeitreisen, Schicksal und Metaphysik verwendet. Auch hier ist der Rahmen der Geschichte aber nur scheinbar wissenschaftlicher Natur und wird mit zahlreichen Elementen der Fantasy aufbereitet. Des Weiteren kommt im Film Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit eine Maschine vor, die mittels Wurmlöchern in die Vergangenheit sehen, geringe Mengen Materie in die Vergangenheit schleusen und die Vergangenheit sogar verändern kann. In dem Film Contact wird ein künstlich hergestelltes Wurmloch dazu verwendet, um mit einer anderen Zivilisation Kontakt aufzunehmen. In der Serie Sliders ist es möglich per Wurmloch in Parallelwelten zu reisen. In der Comicverfilmung Thor (Film) reisen die "Götter" zu verbundenen Planeten ebenfalls durch ein Wurmloch. Eine weitere Referenz zu Wurmlöchern ist Hauptbestandteil des Spielprinzips von Portal, in dem der Spieler mittels eines Geräts durch zwei Portale Wurmloch-ähnliche Durchgänge kreiert, um Hindernisse zu umgehen und Rätsel zu lösen.

Zu bemerken ist aber, dass diese Darstellung von Wurmlöchern in der Science-Fiction wenig mit der oben beschriebenen Theorie gemein hat. So wird zum Beispiel das Wurmloch häufig als ein zweidimensionales „Loch“ dargestellt, in das Personen ein- und austreten. Laut der Theorie der Wurmlöcher ist die Öffnung eines Wurmlochs allerdings kugelförmig. Auch scheinen die von der Theorie vorhergesagten enormen Gezeitenkräfte den meisten Autoren wenig Sorge zu bereiten. Der wissenschaftliche Gehalt solcher Fantasien sollte daher nicht überschätzt werden. Darstellungen von Wurmlöchern, die eher dem aktuellen Kenntnisstand entsprechen, findet man in Das Licht ferner Tage von Stephen Baxter und Arthur C. Clarke sowie – sehr detailliert – in den Büchern Diaspora von Greg Egan und Contact von Carl Sagan als auch in dem Weltenbau Internetprojekt Orion's Arm.

Literatur

  • Stephen Hawking: Das Universum in der Nussschale. Deutscher Taschenbuch Verlag, 2004. ISBN 3-423-34089-4
  • Rüdiger Vaas: Tunnel durch Raum und Zeit. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006 (2. Aufl.), ISBN 3-440-09360-3
  • Kip Thorne: Gekrümmter Raum und verbogene Zeit. Droemer Knaur, November 2000, ISBN 3-426-77240-X
  • Matt Visser: Lorentzian Wormholes: From Einstein to Hawking. Springer, Berlin 1996, ISBN 1-56396-653-0
  • Sunny Kalara, (et al.): Blackholes, membranes, wormholes and superstrings. World Scientific Publ., Singapore 1993, ISBN 981-02-1151-1
  • Paul Halpern: Löcher im All - Modelle für Reisen durch Zeit und Raum. Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-60356-X
  • Jim Al-Khalili: Schwarze Löcher, Wurmlöcher und Zeitmaschinen. Spektrum Akad. Verl., Heidelberg 2001, ISBN 3-8274-1018-5
  • Paul Davies: Wormholes and Time Machines. Sky & Telescope, vol.83, 01/1992, S. 20 - 23
  • S. W. Hawking: Wormholes in spacetime. Phys. Rev. D Volume 37 Issue 4, S.904-910 (1988), Abstract

Weblinks

Einzelnachweise

  1. wormhole daviddarling.info
  2. Charles W. Misner, John A. Wheeler: Classical physics as geometry. Annals of Physics, 2, Issue 6, S.525-603, 12/1957, @ADS abgerufen am 21. September 2011
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