Wolfgang Staudte

Wolfgang Staudte

Wolfgang (Georg Friedrich) Staudte (* 9. Oktober 1906 in Saarbrücken; † 19. Januar 1984 bei Dreharbeiten in Zigarski, SR Slowenien) gilt als einer der wichtigsten deutschen Filmregisseure der Nachkriegszeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang Staudte gab 1930 die Synchronstimme zur Hauptrolle der amerikanischen Verfilmung von Im Westen nichts Neues, ein Film, der den jungen Staudte stark prägte. Seine Karriere als Regisseur begann er in den 1930er Jahren. Daneben trat er auch als Schauspieler auf, unter anderem in Veit Harlans Propagandastreifen Jud Süß (1940). Seinen ersten langen Spielfilm Akrobat Schö-ö-ö-n inszenierte er 1942/43. 1944 wurde ein weiterer Film Staudtes verboten, woraufhin er seine Freistellung verlor.

In den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs erreichte Staudte nach Meinung der Kritik den Höhepunkt seiner künstlerischen Fähigkeiten. Mit dem von der SMAD unterstützten ersten DEFA-Spielfilm Die Mörder sind unter uns schuf Staudte 1946 den ersten deutschen Nachkriegsfilm überhaupt. In den darauffolgenden Jahren und auch nach der Gründung der beiden deutschen Staaten arbeitete er hauptsächlich für die ostdeutsche DEFA, so bei Rotation (1948/1949) und Der Untertan (1951), für den zunächst Falk Harnack als Regisseur vorgesehen war. In beiden Filmen attackierte Staudte vor allem die Borniertheit des unpolitischen Kleinbürgers in der deutschen Geschichte. Nach der Premiere des „Untertan“, der im Westen fünf Jahre lang verboten blieb, nannte ihn Der Spiegel einen „politischen Kindskopf“ und „verwirrten Pazifisten“.

1955 verließ Staudte die DEFA endgültig und blieb dauerhaft in der BRD. Der Hauptgrund für diesen Arbeitsortwechsel lag in dem Verhalten von Bertolt Brecht und Helene Weigel, die durch ihre Einsprüche den Abbruch seines DEFA-Films Mutter Courage und ihre Kinder verursacht hatten.

Staudte resümierte, wie schwer es sei, die Welt verbessern zu wollen mit dem Geld von Leuten, die die Welt in Ordnung finden.

Im Westen wurde ihm zunächst keine Möglichkeit geboten, seine gesellschaftskritischen Anliegen zu inszenieren. 1958 heiratete er die Schauspielerin Ingmar Zeisberg, die Ehe hielt bis 1964. Erst 1959 konnte er mit Rosen für den Staatsanwalt wieder einen Erfolg sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum erreichen und lieferte damit eines der seltenen Beispiele für eine kritische Thematisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit im bundesdeutschen Spielfilm der 1950er Jahre.

1962 galt Staudte, nach dem Oberhausener Manifest, im Kino nicht mehr als zeitgemäß, auch die junge Generation westdeutscher Filmemacher, die sich um 1968 zu Wort meldete, wollte nichts mit ihm zu tun haben.

1964 kam Staudtes Herrenpartie, eine Mischung aus politischer Satire und Schicksalstragödie, in die Kinos. Der Film behandelt den Zustand der Vergangenheitsbewältigung in der Nachkriegszeit und wurde deshalb von der Öffentlichkeit und der Kritik abgelehnt.

„Nicht minder interessant ist der Blick auf die damalige Rezeptionsgeschichte des Films, der als ‚üble Nestbeschmutzung‘ diffamiert wurde und die Kino-Karriere Staudtes als engagierter Gesellschaftskritiker beendete.“

Lexikon des internationalen Films

1968 gründete Staudte die Produktionsgesellschaft Cineforum GmbH, mit der er den Film Heimlichkeiten produziert. Der Film fiel beim Publikum durch und Staudte war bis an sein Lebensende verschuldet.[1] Er war dadurch gezwungen, für das Fernsehen zu arbeiten, von dem er noch 1968 behauptete: „Ich habe ein gestörtes Verhältnis zum Fernsehen. Diese Zwergenschicksale interessieren mich nicht sonderlich.“[2]

Für das Fernsehen inszenierte er unter anderem zahlreiche Folgen der Krimiserien Tatort und Der Kommissar und war für die ZDF-Abenteuervierteiler Der Seewolf (1971) und Lockruf des Goldes (1975) verantwortlich. 1977 drehte er die überaus erfolgreichen 8-teilige ARD-Familienserie MS Franziska, die das Leben einer Binnenschifferfamile auf dem Rhein darstellte.

Wolfgang Staudte starb 1984 bei den Außenaufnahmen zu seinem letzten Fünfteiler für das Fernsehen Der eiserne Weg. Am 3. März 1984 wurde die Asche Wolfgang Staudtes der Nordsee übergeben.

Ab der Berlinale 1990 vergeben die Internationalen Filmfestspiele Berlin alljährlich zu seinem Andenken den Wolfgang-Staudte-Preis für einen Film des Internationalen Forums des jungen Films.[3]

Am 9. Oktober 2006 wurde an seinem Geburtshaus in der Mainzer Str. 11 in Saarbrücken eine Gedenktafel enthüllt mit der Inschrift: „Feigheit macht jede Staatsform zur Diktatur.“

Filme

Darsteller

Regie

Auszeichnungen

Literatur

  • Wolfgang Staudte, Hein Heckroth, Günter Raguse: Die Dreigroschenoper 63. Werkbuch zum Film. München: Laokoon-Verlag, 1964
  • Schmidt-Lenhard, Uschi u. Andreas (Hrsg.): Courage und Eigensinn. Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Staudte. St. Ingbert: Röhrig-Universitätsverlag, 2006. ISBN 3-86110-415-6 (Schriftenreihe der DEFA-Stiftung, Berlin)
  • Ludin, Malte: Wolfgang Staudte. Reinbek, 1996
  • Netenjakob, Egon (u.a.): Staudte. [Edition Filme 6], Berlin, 1991
  • Orbanz, Eva: Wolfgang Staudte. Berlin, Spiess, 1977
  • Orbanz, Eva: Wolfgang Staudte. Berlin, Stiftung Deutsche Kinemathek, 1974
  • Knietzsch, Horst: Wolfgang Staudte. Berlin, Henschelverlag, 1966
  • Sanders, Helma: Wir haben ihn allein gelassen. In: Hans Günther Pflaum (Hrsg.): Jahrbuch Film 1984/85. Verlag Carl Hanser München, Wien, 1985
  • Schenk, Ralf: Die gescheiterte Courage – Notizen zur Werkgeschichte eines großen Filmprojekts von Bertolt Brecht und Wolfgang Staudte. In: film-dienst, 03/1998

Quellen

  1. Wolfgang Staudte, von Eva Orbanz Seite 106 ISBN 3920889533
  2. Hamburger Abendblatt Nr. 148 vom 28. Juni 1968, Seite 9
  3. Info vom Filmhaus Saarbrücken
  4. filmportal.de
  5. filmportal.de

Weblinks


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