Wohnungsmarkt

Wohnungsmarkt
Faktoren der Mietpreisbildung

Auf dem Wohnungsmarkt begegnen sich Angebot und Nachfrage der Ware Wohnung. Hier entscheidet sich, wer wo und wie wohnt. Daher liegt dieser Markt von jeher nicht nur allein im Blickpunkt der Mikroökonomie, sondern auch Stadtsoziologen und Geographen befassen sich mit der resultierenden sozialräumichen Struktur. Aufgabe der Wohnungspolitik ist es, durch geeignetes Eingreifen in den Wohnungsmarkt sozialen Spannungen vorzubeugen.

Je nach fachwissenschaftlicher Perspektive und politischer Überzeugung werden unterschiedliche Modelle favorisiert, um die Mechanismen des Wohnungsmarktes zu beschreiben und zu erklären.

Inhaltsverzeichnis

Wohnungsmarktmodelle

Das Marktmodell der Mikroökonomie

Das einfachste allgemeine Marktmodell betrachtet aus mikroökonomischer Perspektive ein einzelnes Gut und das Zustandekommen seines Preises. Postuliert wird ein Gleichgewichtspreis, der sich allein aus dem Verhältnis zwischen der angebotenen und nachgefragten Menge (kurz: zwischen Angebot und Nachfrage) ergibt. Ist die Preisbildung erfolgt, so werden kurzzeitige Abweichungen sogleich zu Anpassungsvorgängen führen:

a) Steigt der Preis für eine Ware, so treibt dies sein Angebot nach oben (seine Nachfrage nach unten), bis das resultierende Überangebot wiederum eine Preissenkung herbeiführt.
b) Fällt der Preis nun unter den angenommenen Gleichgewichtspunkt, so geht das Angebot zurück (die Nachfrage steigt); es ergibt sich eine Übernachfrage, die den Preis wieder steigen lässt.

Die mathematisch klare Prägnanz dieses Modells resultiert aus seiner zirkulären Struktur, aus der Ausblendung von Produktionskosten und Gebrauchswert und nicht zuletzt aus einer Reihe äußerst stringenter Prämissen, durch die ein sogenannter vollkommener Markt definiert wird:

Vorausgesetzt werden:

  1. Vollständige Transparenz, d. h. jeder ist voll informiert;
  2. freie Konkurrenz, d. h. Kartellbildung oder Preisabsprachen werden ausgeklammert,
  3. flexible Anpassung, d. h. Anbieter wie Nachfrager müssen innerhalb des Raum-Zeit-Kontinuums, in dem sie interagieren, unmittelbar auf Preisschwankungen reagieren können, die Ware muss mobil sein.
  4. Homogenität, d. h. persönliche Präferenzen bleiben außen vor; das impliziert rational handelnde Nachfrager (Ausblendung psychologischer Faktoren wie Markenbewusstsein)
  5. sachliche Gleichartigkeit der Waren, d. h. jede Ware ist im wahrsten Sinne des Wortes austauschbar (substituierbar).

Nur selten sind diese Prämissen eines vollkommenen Marktes erfüllt. Daraus schließen (neo-)klassische Ökonomen jedoch im Allgemeinen jedoch nicht auf die Schwäche ihres Modells; vielmehr halten sie diese Gegebenheit für einen Fehler der Realpolitik: Sie möchten das reine Modell nicht den unvollkommenen Märkten anpassen (Akkommodation), sondern statt dessen die Märkte vollkommener machen (etwa politische Interventionen ausschalten), was sie als Voraussetzung für die optimale Bedürfnisbefriedigung von Anbietern wie Nachfragern gleichermaßen halten (Assimilation).

Hier setzt die Kritik des mikroökonomischen Marktmodells an. Die folgende Punkte werden angeführt, um die Gefahren einer gänzlich freien Marktwirtschaft zu nennen:

a) soziale Blindheit: Der beschriebene Marktmechanismus kennt nur die kaufkräftige Nachfrage. Ein gegebenes Marktgleichgewicht impliziert eine optimale Versorgung - jedoch kann z. B. bezogen auf einzelne Bedarfskategorien Unterversorgung bestehen, die sich im Extremfall in Hunger und Obdachlosigkeit ausdrückt.
b) Externalisierung volkswirtschaftlicher Kosten: Bei der Preisbildung werden die Herstellungskosten des Anbieters - wenn überhaupt - nur insofern berücksichtigt, als es sich um einzelwirtschaftliche Kosten handelt; soziale oder ökologische Schäden ökonomischen Handelns werden auf die Gesellschaft abgewälzt.
c) Unkoordinierte Marktdynamik: Der jeweilige Entwicklungstrend des Marktes bestimmt sich allein aus dem Status quo, d. h. alle Entscheidungen können praktisch erst im Nachhinein getroffen werden, was zu Ungleichgewichten auf sektoraler und räumlicher Ebene führt.
d) Preis-Angebot-Korrespondenz: Nicht immer korrelieren Angebot und Preis: Häufig ist der Anbieter auf ein bestimmtes Einkommen angewiesen, so dass er bei fallenden Preisen sein Angebot erhöhen muss.

Das Filtering-Konzept

Das Filtering-Konzept befasst sich mit dem Problem der Heterogenität des Wohnungsmarktes, indem es Sickereffekte zwischen zunächst qualitativ unterschiedlichen Marktsegmenten voraussetzt (vgl. Abbildung). Ausgehend von einer Korrespondenz von personeller Einkommensverteilung und Verteilung der Wohnungsqualität (t1), werden folgende Annahmen getroffen:

  • Die Qualität einer Wohnung entspricht der Position innerhalb ihres Lebenszyklus', d. h. sie nimmt mit der Zeit ab (t2).
  • Parallel zur Qualität fällt der Mietpreis einer Wohnung.
  • Fällt die Qualität einer Wohnung unter ein bestimmtes Level, so wird sie abgerissen (t3).
  • Im oberen Preissegment des Wohnungsmarktes werden neue Wohnungen von höchster Qualität gebaut.
  • Die Bewohner sind mobil.

Wenn die Einkommensverteilung als konstant angenommen wird, ergibt sich nun ein fortlaufendes Durchsickern (engl.: Filtering-Down) der Wohnungen, dem sich die Bewohner durch regelmäßiges Umziehen in neuere Wohnungen anpassen. Es ergeben sich charakteristische Umzugsketten. Als Erweiterung des Modells wird die Möglichkeit eingeführt, dass eine Wohnung modernisiert wird, was dann als Filtering-Up bezeichnet wird.

Das Filtering-Konzept beschreibt ein Fließgleichgewicht für einen heterogenen Markt, und stellt damit eine Modifikation des mikroökonomischen Marktmodells dar. Trotz seiner Schwächen (u.a. die implizierte Annahme eines strukturellen Überangebotes) dient es immer wieder als Argumentation für eine staatliche Wohnungsbau-Förderungspolitik, die primär mittleren und höheren Einkommensgruppen zugute kommt (Eigenheimzulage).

Andererseits stellen empirische Untersuchungen das Modell in Frage. Ipsen, Glasauer und Lasch (1986) stellen daher das folgende Gegenkonzept vor, das auf mehreren Studien beruht:

Das Konzept des segmentierten Wohnungsmarktes

Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Annahme einer Korrelation zwischen Wohnungsqualität und Miethöhe nicht generell aufrechterhalten werden kann. Es ergibt sich vielmehr eine U-förmige Verteilungskurve: Sowohl schlecht ausgestattete als auch gut ausgestattete Wohnungen weisen die höchste Miete pro Quadratmeter auf (Ipsen/Glasauer/Lasch 1986: 20). Erklären lässt sich dieses Phänomen dadurch, dass der Wohnungsmarkt keine rein ökonomische Angelegenheit ist, sondern sozial überformt ist. Der Preis als Funktion der Konkurrenz im Spannungsfeld zwischen Angebot und Nachfrage kann sich nur in anonymen Situationen durchsetzen. Neben rein ökonomische Faktoren tritt nun also das soziale Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter. Der in diesem Zusammenhang interessante Parameter Wohndauer führt nun zur geographischen Unterscheidung von mobilen und immobilen Quartieren innerhalb der Stadt, ?Räume unterschiedlicher Tauschregeln? (Ipsen & al).

Eine solche Marktsegmentierung in jeweils relativ geschlossene Teilmärkte führt dazu, dass qualitativ bessere Quartiere geringere Mieten aufweisen können. Die untersten Einkommensschichten sind jedoch von diesen Teilmärkten ausgeschlossen. Dabei liegen die Barrieren zu einem großen Teil in nicht-ökonomischen Bereichen: Kommunikative Elemente wie Informationsflüsse, der Einfluss der social gatekeeper (→ Managerialism), situative Hintergründe des Umzuges etc. spielen eine oft vernachlässigte Rolle für die städtische Segregation.

Allerdings überformen solche sozialen Faktoren nur herkömmliche ökonomische Voraussetzungen wie Einkommen und Berufsgruppe, die unbestritten die jeweilige Marktchance bestimmen. Friedrichs (1995:59) findet die folgendermaßen Wohnungsmarktsegmente:

  • Sozialwohnungen
  • preiswerte freifinanzierte Wohnungen,
  • "normale" Mietwohnungen
  • Eigentumswohnungen
  • Eigenheime

Kritik der reinen Ökonomie: Wohnraum als sozialer Raum

Der Wohnungsmarkt ist ein unvollkommener Markt. Dies liegt nicht einfach an bestehenden staatlichen Regulierungen, die man einfach abschaffen müsste, sondern an dem spezifischen Charakter der Wohnung als "Ware".

Bereits Max Weber hat herausgestellt, dass der Markt als das Zentrum der modernen kapitalistischen Gesellschaft nicht nur ein ökonomischer, sondern zugleich ein sozialer Raum ist (vgl. Urban Managerialism).

Noch deutlicher und konkreter zeigen sich Notwendigkeit und Ansatzpunkte politischer Intervention im Bereich der Wohnungsproduktion, wenn man diese unter sozialökonimischen Gesichtspunkten analysiert:

Der Wohnungsmarkt im Spannungsfeld der Wohnungsproduktion

Der Wohnungsmarkt wird häufig auch als "Bestandsmarkt" charakterisiert, da der jährliche Neuzugang gemessen am Gesamtwohnungsbestand kaum mehr als 2 % ausmacht (vgl. Jenkis). Diese rein statistische Tatsache kann dazu verleiten, die Bedeutung der Wohnungsproduktion zu unterschätzen:

  • Die theoretische Befassung mit dem zunächst rein betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozess des Bauherren kann unter besonderer Berücksichtigung des Allokationsprozesses Erklärungen für das räumliche Muster der gebauten (Wohn-)Umwelt liefern.
  • Eine Dynamisierung des Allokationsprozesses führt zu den Hintergründen der Reproduktion räumlicher Strukturen: Nicht nur, weil das Gegebene häufig das Neue vorprägt; vielmehr muss die gegebene Flächennutzung mit zunehmender Konkurrenz alternativer Nutzungsarten sich permanent bewähren. Einmal getroffene Standortentscheidungen können revidiert werden, Wohnungen können abgerissen werden oder ihre Funktion kann (z. B. in Gewerbezwecke) umgenutzt werden. Insofern bedeutet Neubauproduktion nicht automatisch auch eine Zunahme des Wohnungsbestands.
  • Art und Weise der Wohnungsproduktion haben langfristige Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt mit seiner baulich vorgeprägten Raumstruktur. Neben der grundsätzlichen Langlebigkeit einer Wohnung impliziert bereits die Kalkulation der Baukosten den ungefähren Verlauf der Mietzinsfestsetzung.
  • Aus demselben Grund stellt die Wohnungsproduktion auch einen wichtigen Angriffspunkt einer vorausschauenden Wohnungspolitik dar.

Literatur

  • Jürgen Friedrichs: Stadtsoziologie. Opladen 1995
  • Detlev Ipsen, Herbert Glasauer, Vera Lasch: Markt und Raum. Die Verteilungswirkungen wohnungspolitischer Subventionsformen im städtischen Raum. Frankfurt a.M. / New York 1986
  • Helmut W. Jenkis (Hrsg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft. München 1996
  • Stefan Kofner: Wohnungsmarkt und Wohnungswirtschaft. München 2004
  • Helmut Westphal (1978): Die Filtering-Theorie des Wohnungsmarktes und aktuelle Probleme der Wohnungsversorgung. In: Leviathan, Nr. 4 S. 536 ff.

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