Wladimir Iwanowitsch Wernadski

Wladimir Iwanowitsch Wernadski
Briefmarkenausgabe zum 100. Geburtstag W. I. Wernadskis (Sowjetunion 1963)

Wladimir Iwanowitsch Wernadski (russisch Владимир Иванович Вернадский; * 28. Februarjul./ 12. März 1863greg. in Sankt Petersburg; † 6. Januar 1945 in Moskau) war ein russischer[1][2][3] Geologe, Geochemiker und Mineraloge, einer der Begründer der Geochemie, der Radiogeologie und der Biogeochemie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wernadskis Grabmal auf dem Moskauer Friedhof des Neujungfrauenklosters

Der Sohn eines liberalen Professors der Ökonomie studierte von 1881 bis 1885 Naturwissenschaften an der Universität von St. Petersburg. Er spezialisierte sich für die Gebiete der Geologie und Mineralogie bei Wassili Wassiljewitsch Dokutschajew. 1888 besuchte er München und 1889 Paris. Auch nach Italien führte ihn seine zweijährige Reise. Ab 1890 lehrte er als Privatdozent für Mineralogie. Von 1898 bis 1911 war er als Professor für Mineralogie an der Moskauer Lomonossow-Universität tätig.

Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften (AdW) wurde er 1912, deren außerordentliches Mitglied er seit 1909 war. Zum Direktor des geologischen und mineralogischen Museums der AdW berief man ihn 1914. 1919 wurde er erster Präsident der AdW der Ukraine.

Von 1922 bis 1926 erfolgte ein Aufenthalt in Paris, wo er an der Sorbonne Vorlesungen zur Geochemie hielt, die 1924 als Buch („La geochemie“) in französischer Sprache und 1930 ergänzt in deutscher Sprache erschienen. 1926 kehrte er in die Sowjetunion zurück und war ab 1929 bis zu seinem Tode Direktor des biochemischen Laboratoriums der AdW der UdSSR. Ab 1939 war er auch Direktor des von ihm gegründeten Staatlichen Radiuminstituts in Petrograd.

russ. Gedenkmünze von 1993

Bedeutung

Er popularisierte als erster das Konzept der Noosphäre, also derjenigen Biosphäre, die durch das Bewusstsein des Menschen gesteuert wird. Innerhalb der letzten 200 Jahre ist die Menschheit als solche zu großer Bedeutung für die Geologie gelangt, insofern als sie in Summe mehr Erdmasse bewegt als die Vorgänge der reinen Biosphäre.

Wernadsky stellte zwei Gesetze auf, nach denen

  1. die Anzahl und die Arten der chemischen Elemente, die in den Zyklus der lebenden Materie eingehen, mit der Zeit zunimmt,
  2. diese Vorgänge sich mit der Zeit beschleunigen.

Als Hochschullehrer trat er für den gesellschaftlichen Fortschritt ein und nahm in der Presse kritisch zu politischen Problemen des öffentlichen Lebens in Russland Stellung. Er war Mitglied der Konstitutionell Demokratischen Partei (auch: "Kadetten"), deren Zentralkomitee er von 1905 bis 1922 angehörte.

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er mit Fragen der Rohstoffprobleme konfrontiert. Auf seine Initiative hin wurde 1915 eine Kommission zur Erforschung der natürlichen Produktionsressourcen Russlands bei der AdW (KEPS) gegründet, die bis 1930 tätig war und vor allem das Vorkommen mineralischer Rohstoffe in Russland erforschte.

Nach der Februarrevolution 1917 wurde er zeitweilig Abteilungsleiter im Volksbildungsministerium der Provisorischen Regierung. Zu Ende 1917 siedelte er nach Kiew und auf die Krim über. 1921 kehrte er nach Petrograd zurück. In den 20er Jahren war er in einer Kommission für die Geschichte des Wissens tätig. Im Jahre 1927 gehörte er zur sowjetischen Delegation der „Russischen Naturforscherwoche“ in Berlin, wo er einige sehr stark beachtete Vorträge hielt. Auf dem Internationalen Geologenkonkress 1937 in Moskau äußerte er sich im Plenum zur Rolle der Radioaktivität in der Geologie.

Wernadski gilt als einer der Begründer und Theoretiker der Geochemie und der Biogeochemie sowie der Lehre von der Biosphäre und Noosphäre. Er untersuchte auch den Bau der Silikate, die Rolle der Organismen in den geochemischen Prozessen und die Radioaktivität der Minerale. Seine Untersuchungen galten auch der Geochemie seltener und disperser Elemente, die Klärung geochemischer Erscheinungen und Prozesse wie der Erdwärme mit Hilfe der Radioaktivität und der Bestimmung des absoluten Alters von Gesteinen.

Aus der dynamischen Mineralogie entwickelten Wernadski und sein Schüler Fersman die Geochemie als eigenen Wissenschaftszweig. Ab 1922 befasste er sich mit der chemischen Zusammensetzung organischer Substanzen, dem Ablauf und den Auswirkungen geochemischer Prozesse, an denen Organismen beteiligt sind, und begründete damit die Biogeochemie. 1942 veröffentlichte er als Synthese seiner Vorstellungen über den Planeten Erde und die Grundlagen seines geochemischen und biologischen Baues die aus dem System der geochemischen Zyklen entwickelte Theorie der geologischen Hüllen (Geosphären).

Logisch entwickelte er diese weiter durch Untersuchungen zur Geoökologie. Er entwickelte die Theorie der Biosphäre, entdeckte den negentropischen Faktor in der Natur und prägte den Begriff der Noosphäre in seiner enttheologisierten Form. Die Bedeutung Wernadskis für die Geowissenschaften wird oft mit der Rolle Darwins für die Biologie verglichen:

"Vernadsky hat für den Raum geleistet, was Darwin für die Zeit getan hat: Während Darwin dokumentierte, daß alles Leben von einem entfernten Urahnen abstammt, zeigte Vernadsky, daß alles Leben einen stofflich einheitlichen Raum einnimmt, die Biosphäre" (Lynn Margulis[4]).

Zu seinen Schülern zählten Alexander Fersman, Witali Chlopin (1890–1950) und Alexander Winogradow, die sehr zur Popularisierung und Weiterentwicklung seiner Forschungen betrugen.

Der Wernadskowo-Prospekt in Moskau (westlicher Verwaltungsbezirk), die Wernadskyj-Nationalbibliothek und die Nationale Taurische Wernadskyj-Universität in der Ukraine sind nach Wernadski benannt worden.

Publikationen

  • Kratki Kurs mineralogi, schitani studentam-medikam 1891-1892, Moskau 1891
  • Ob izuscheni estestwennih proizwoditelnih sil Rossii,in: Izwestija Akad. Nauk, 6 ser., 9(1915), 8, 679-700
  • La geochemie, Paris 1924
  • Geochemie in ausgewählten Kapitel, Autorisierte Übersetzung aus dem Russischen von Dr. E. Kordes, Leipzig 1930
  • O nekotorih osnownih problema biogeochemii, in: Izwestija Akad. Nauk SSSR ser geol. 18 (1938), 1, 19-34
  • O znasschenii radiologii dlja sowremennoi geologii, in: Trudi 17 sessii Mezdunarodnogo geolog. Kongressa SSSR 1937 (Moskau 1939)
  • O geologischeski oboloschkah zemli kak planeti, in: Izwestija Akad. Nauk SSSR, ser. geogr. geofiz. (1942) 6, 251-262
  • Neskol'ko slow o noosfere, in: Uspehi biologii 18 (1944) 2, 113-120
  • Rasmyschlenija naturalista, Moskau 1977
  • Ziwoje wesestwo, Moskau 1978
  • Filisowkije mysli natguralista, Moskau 1988
  • Trudy po wseobschej istorii nauki, Moskau 1988
  • Trudy po istorii nauki w Rossii, Moskau 1988
  • Isbrannije trudy - Kristallografija, Moskau 1988

Englischsprachige Übersetzungen:

  • 1924: Geochemistry
  • 1926: The Biosphere; engl. Übers. 1998, Copernicus Books, ISBN 0-387-98268-X

Literatur

  • Peter Krüger: Wladimir Iwanowitsch Wernadskij. In: Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner. 1. Auflage. Band 55, Teubner, Leipzig 1981, ISBN 3-322-00571-2.
  • Vladimir Ivanovič Vernadskij [Wladimir Iwanowitsch Wernadskij]; Wolfgang Hofkirchner (Hrsg.): Der Mensch in der Biosphäre. Zur Naturgeschichte der Vernunft. Lang, Frankfurt am Main / Berlin / Bern / New York / Paris / Wien 1997 (Originaltitel: Биосфера [Biosfera], übersetzt von Felix Eder, Peter Krüger), ISBN 3-631-49084-4 (englisch bei Springer, Berlin / Heidelberg / New York NY 1998, ISBN 0-387-98268-X).
  • Georgy S. Levit: Biogeochemistry - Biosphere - Noosphere. The growth of the theoretical system of Vladimir Ivanovich Vernadsky. In: Studien zur Theorie der Biologie. Band 4, VWB, Verlag für Wissessenschaft und Bildung, Berlin 2001, ISBN 3-86135-351-2 (englisch).

Einzelnachweise

  1. Vladimir Ivanovich Vernadsky — Encyclopædia Britannica
  2. Vernadsky, Vladimir Ivanovich — The Oxford Companion to the Earth
  3. Vernadsky, Vladímir Ivanovich — Environmental Encyclopedia
  4. http://www.vwb-verlag.com/Katalog/m351.html

Weblinks

 Commons: Wladimir Wernadski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Vladimir I. Vernadsky. In: Институт Геохимии и Аналитической Химии им. Вернадского В.И. Российской Академии Наук, The Institute of Geochemistry and Analytical Chemistry. Abgerufen am 6. Januar 2010 (englisch).

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