Wizlaw III.

Wizlaw III.

Wizlaw III. (* 1265 oder 1268; † 8. November 1325) war der letzte slawische Fürst von Rügen. Er ist wahrscheinlich identisch mit dem Minnesänger Wizlaw aus der Jenaer Liederhandschrift.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Prinz Wizlaw von Rügen wurde als erster von vermutlich vier Söhnen und vier Töchtern in der Ehe von Fürst Wizlaw II. und der welfischen Prinzessin Agnes von Braunschweig-Lüneburg 1265 oder 1268 geboren. Wohl unter dem Einfluss seiner mütterlichen Verwandten erhielt er ein ritterlich höfische Erziehung. Er wurde unter anderem durch den Stralsunder Magister Ungelarde († um 1300) unterrichtet, der auch als Sänger bekannt war. Ein überliefertes Ereignis aus Wizlaws Jugendjahren war alles andere als schön: Wizlaw wurde während einer Andacht im Rigaer Dom, nachdem er einem Kaufmann eine unwillige Antwort wegen einer Schuld gab, von diesem niedergestochen. Als Folge davon litt er an einem Gehfehler.

Wizlaw III. wurde 1283 erstmals urkundlich genannt, als er eine Schenkung seines Vaters an das Kloster Neuenkamp bestätigte. Sein Vater regierte bis zum Ende seines Lebens und vererbte den Fürstenthron 1302 nicht an Wizlaw allein: Er musste ihn mit dem einzigen noch lebenden Bruder Sambor teilen. Beide befehdeten sich derart, dass sie 1304 zur Unterschrift eines Schriftstücks gedrängt wurden, das sie dazu zwang, in Zukunft Frieden zu halten – sonst wären ihre Mannen berechtigt gewesen, sich gegen sie zu stellen. Nach Sambors Tod 1304 regierte Wizlaw bis 1325 allein. Da er noch ohne Erben war, schloss sein Lehnsherr, der Dänenkönig Erik Menved, mit ihm 1310 einen Erbvertrag. Darin wurde vereinbart, dass das rügische Lehen beim Tode Wizlaws ohne Erben an die dänische Krone fallen sollte. Gleichzeitig verzichteten die Nebenlinien der Fürsten von Rügen, die Herren von Gristow und von Putbus, auf eine mögliche Nachfolge.

Die Regierungszeit Wizlaws verlief alles andere als friedlich: Er wurde hineingezogen in den Markgrafenkrieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum zwischen seinem Lehnsherrn Erik VI. von Dänemark (Erik Menved), Markgraf Waldemar von Brandenburg und den reichen Handelsstädten an der Ostsee. Besonders kompliziert war Wizlaws Verhältnis zu Stralsund, jener einflussreichen und mächtigen Stadt im Fürstentum Rügen. Nachdem Stralsund sich 1313 unter dem Eindruck der Eroberung Rostocks durch Heinrich II. von Mecklenburg durch Geldzahlungen und Verzicht auf Privilegien von einer drohenden Invasion dänischer, mecklenburgischer und weiter verbündeter Truppen freigekauft hatte, versuchte Wizlaw seinen Einfluss auf die Stadt auszuweiten. Die Verhandlungen dazu scheiterten, da Stralsund nicht bereit war, die von Wizlaw geforderten Einschränkungen des lübischen Rechts hinzunehmen und sich 1314 mit Waldemar von Brandenburg und dem rügischen Landadel gegen seinen Landesherrn verbündete. Als 1316 ein Heer unter dem Herzog Erich I. von Sachsen-Lauenburg Stralsund angriff, hatte Wizlaw auf Seiten der dänischen Flotte an der seeseitigen Belagerung der Stadt teilgenommen. Die Belagerung endete mit dem Sieg über das Belagerungsheer bei einem nächtlichen Ausfall der Stralsunder und der Gefangennahme des Herzogs. Auch die Belagerungsflotte erlitt große Verluste, Wizlaw musste fliehen. Erst 1317 kam es zum Friedensschluss. Wizlaw, dem es durch die Kriegskosten an Geld mangelte, vergab weitreichende Privilegien an Stralsund, und verpfändete der Stadt die fürstlichen Zölle und die Gerichtsbarkeit. Außerdem trat er ihr gegen eine Geldsumme seine Münze ab, in der ab 1319 die Sundische Mark geprägt wurde.

Wizlaw war zweimal verheiratet: Zuerst (vor 1305) mit Margareta aus einem unbekannten Geschlecht und nach ihrem Tod (um 1310) mit Agnes aus dem Hause Lindow-Ruppin. Die erste Ehe blieb wahrscheinlich kinderlos, bei der ersten Tochter Euphemia wäre aber eventuell eine Mutterschaft von Margareta denkbar. Mit Agnes hatte Wizlaw dann noch die Tochter Euphemia und als letztes Kind den lange ersehnten Nachfolger Jaromar. Doch dieser starb, vermutlich etwa dreizehnjährig, am 24. Mai 1325 noch vor dem Vater (8. November 1325). Wizlaw starb wohl an gebrochenem Herzen, weil er den Tod seines einzigen Sohns, der ja auch der letzte männliche Spross des Fürstengeschlechts war, nicht verkraften konnte.

Nach dem Tod König Erik Menveds 1319 war der Erbvertrag mit Dänemark hinfällig geworden und Wizlaw hatte 1321 einen Erbverbrüderungsvertrag mit seinem Neffen, dem Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast geschlossen. Als dieser bereits 1326 starb, kam es zum Rügischen Erbfolgekrieg.

Der Lied- und Spruchdichter Wizlaw

Vom Sänger Wizlaw sind uns 14 Lieder und 13 Sprüche überliefert, die als Nachtrag in der Jenaer Liederhandschrift auf den Blättern 72vb - 80vb enthalten sind. Sein Werk ist erstaunlich vielseitig: Sangsprüche zu moralischen Fragen, Minnelieder im Sinne der alten Meister, geistliche Gesänge, ein Rätsel, ein Tagelied, ein Lobspruch und immer wieder auch deutliche erotische Anspielungen. Auch musikalisch ist Wizlaw sehr experimentierfreudig: Man findet hoch komplexe melismatische Melodien genauso wie zupackende Gassenhauer, eine Komposition in reiner Pentatonik und sogar orientalische Anklänge. Sein bekanntestes Lied ist das Herbstlied Loibere risen, das sich auch heute noch im Repertoire vieler Mittelaltergruppen findet und sogar von Angelo Branduardi interpretiert wurde.

Gedichtet hat er mehr Lieder als überliefert sind, da in der Jenaer Liederhandschrift nachweislich drei Blätter verlorengegangen sind. Deshalb ist auch die Autorschaft des ersten Sangspruchs Ich wil singen in der niuwen wîse ein liet unklar – früher wurde er Friedrich von Sonnenburg zugeschrieben, dessen Oeuvre im Kodex direkt vorangeht; er könnte jedoch auch zum Wizlawkorpus gehören. Die Zuordnung eines Autornamen zu den Texten konnte nur erfolgen, da ein Wizlaw sich in drei verschiedenen Liedern selbst nennt. Drei der Lieder sind infolge der abhanden gekommenen Seiten nur unvollständig erhalten. Sämtliche Minnelieder und Sprüche enthalten auch die Melodien in Quadratnotation, mehrere Sprüche werden (wie bei Sangspruchdichtern üblich) in derselben Melodie („im selben Ton“) gesungen.

Zwei Fürstenpreisstrophen, eine von Frauenlob und eine von dem Goldener, rühmen den Rügenfürsten. Einige Wissenschaftler (Seibicke, Wallner, Wachinger) vertreten die Meinung, dass der Fürst Wizlaw III. nicht der Minnesänger Wizlaw gewesen sei. Andere Literatur- und Musikwissenschaftler, die sich mit Wizlaw befasst haben, sehen jedoch eine Identität beider Personen.

Für die Identität werden folgende Argumente ins Feld geführt:

  1. In der Jenaer Liederhandschrift finden sich die beiden erwähnten Fürstenpreisstrophen, in denen der Rügenfürst als „Wizlaw der Junge“ tituliert wird, um ihn von seinem gleichnamigen Vater zu unterscheiden. Im gleichen Kodex finden sich die Wizlaw-Lieder, in denen dieser sich an einer Stelle als „Wizlaw der Junge“ bezeichnet. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die Verfasser der Strophen noch nicht wissen konnten, daß diese dereinst gemeinsam in einem Kodex versammelt würden.
  2. In einem Lied lobt der Sänger eine Minneweise (senende wise) des Sängers „Unghelarte“. Dieser ist urkundlich um 1300 in Stralsund nachgewiesen.
  3. In einem Lobspruch preist Wizlaw einen Herrn von Holstein (Graf Erich von Holstein-Schauenburg, 1328 als Hamburger Propst urkundlich bezeugt). Die Holsteiner standen urkundlich nachgewiesen in enger Verbindung zum Rügener Fürstenhaus. Ein Herr von Holstein unterschrieb auch 1304 das Friedensdokument zwischen den Fürsten Wizlaw und Sambor.

Gegen die Identität werden folgende Argumente ins Feld geführt:

  1. Der Name Wizlaw war nicht selten. Auch der Zusatz der Junge ist nicht so einzigartig, daß ihn nicht verschiedene Personen tragen konnten.
  2. Das überlieferte Oeuvre, vor allem die Spruchdichtung, passt eher zu einem Berufsdichter als zu einem adeligen Dilettanten. Vor allem Fürstenpreissprüche - wie der auf den Grafen von Holstein - gehören ins Repertoire bezahlter Auftragsdichtung. Dass ein ranghöherer Fürst (!) einen befreundeten Adeligen in Versen öffentlich rühmen könnte, ist im Licht der zeitgenössischen Hofliteratur unwahrscheinlich.

Der Name des Fürsten und Sängers wird in den verschiedenen Publikationen oft unterschiedlich geschrieben: Wizlaw, Wizlav, Wizlaf, Wizlaff, Witzlaw, Witzlav, Witzlaf, Witzlaff.

Literatur

(chronologisch geordnet)

  • Friedrich Heinrich von der Hagen: Minnesinger, Deutsche Liederdichter des 12., 13. und 14. Jahrhunderts I - IV. Leipzig 1838, Nachdruck Aalen 1963 (Wizlaws Texte: S. 78–85, Band I, Wizlaws Melodien: S. 808–817, Band IV)
  • C. G. Fabricius: Urkunden zur Geschichte des Fürstentums Rügen unter den eingeborenen Fürsten., Stettin 1851
  • Ludwig Ettmüller: Des Fürsten von Rügen Wizlaws des Vierten Sprüche und Lieder in niederdeutscher Sprache. (Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur, 33. Band), Quedlinburg und Leipzig 1852, Neuausgabe durch Edition Rodopi, Amsterdam 1969
  • Theodor Pyl: Lieder und Sprüche des Fürsten Wizlaw von Rügen. Greifswald 1872
  • Franz Kuntze: Wizlaw III – Der letzte Fürst von Rügen. Halle a. S. 1893
  • Georg Holz, Franz Saran, Eduard Bernoulli (Hrsg.): Die Jenaer Liederhandschrift. Teil I. Getreuer Abdruck des Textes, hg. von Georg Holz, Teil II. Übertragung, Rhythmik und Melodik, bearb. von Eduard Bernoulli und Franz Saran, Leipzig 1901, Nachdruck Hildesheim 1966
  • Erich Gülzow: Des Fürsten Wizlaw von Rügen Minnelieder und Sprüche. Greifswald 1922
  • Ursula Scheil: Genealogie der Fürsten von Rügen (1164 - 1325). Greifswald 1945
  • Wesley Thomas, Barbara Garvey Seagrave: The Songs Of The Minnesinger, Prince Wizlaw Of Rügen. Chapel Hill, The University of North Carolina 1967
  • Sabine Werg: Die Sprüche und Lieder Wizlavs von Rügen. Untersuchungen und kritische Ausgabe der Gedichte. Hamburg 1969
  • W. Seibicke: „wizlau diz scrip“ oder: Wer ist der Autor von J, fol. 72v-80v? In: NdJb. 101/1978, S. 68–85 (Argumentation, dass der Dichter Wizlaw nicht der Fürst von Rügen sei)
  • Wolfgang Spiewok: Wizlaw III. von Rügen, ein Dichter. In: Almanach für Kunst und Kultur im Ostseebezirk, 8/1985
  • Horst-Diether Schroeder: Der Erste Rügische Erbfolgekrieg – Ursachen, Verlauf und Ergebnisse. 1986, In: Beiträge zur Geschichte Vorpommerns: die Demminer Kolloquien 1985–1994. Thomas Helms Verlag, Schwerin 1997, ISBN 3-931185-11-7.
  • Birgit Spitschuh: Wizlaw von Rügen: eine Monographie. Greifswald 1989
  • Joachim Wächter: Das Fürstentum Rügen - Ein Überblick. 1993, In: Beiträge zur Geschichte Vorpommerns: die Demminer Kolloquien 1985–1994. Thomas Helms Verlag, Schwerin 1997, ISBN 3-931185-11-7
  • Burghart Wachinger: Wizlav. In: Verfasserlexikon 10/1999, S. 1292-1298
  • Reinhard Bleck: Untersuchungen zur sogenannten Spruchdichtung und zur Sprache des Fürsten Wizlaw III. von Rügen. In: Göppinger Arbeiten zur Germanistik. 681/2000, Kümmerle Verlag
  • Lothar Jahn: Nach der sehnenden Klage muss ich singen - Schlaglichter auf die Musik des Minnesängers Wizlaw: In: Karfunkel Musica. 1/2005, Wald-Michelbach, S. 44–49

Weblinks



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