Wirtschaftsprüfung

Wirtschaftsprüfung

Unter Wirtschaftsprüfung versteht man die Prüfung des Finanzgebarens von Unternehmen, insbesondere im Rahmen der Jahresabschlussprüfung. Unter den Begriff fällt die Prüfung der Buchhaltung und der Bilanzierung, nicht aber die Prüfung der Wirtschaftlichkeit. In der Theorie wird bei einer Wirtschaftsprüfung ein Ist- mit einem Soll-Zustand verglichen und auf der Grundlage der Abweichung ein Urteil gebildet, welches sich im Prüfungsergebnis ausdrückt.

Wirtschaftsprüfung dürfen nur nach der Wirtschaftsprüferordnung zugelassene Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer durchführen. Davon zu unterscheiden ist eine Kontrolle durch Mitarbeiter des geprüften Unternehmens, die man dann als Innenrevision bezeichnet, oder eine Kontrolle der Finanzen eines Vereins durch aus dem Mitgliederkreis gewählte Rechnungsprüfer (Rechnungsprüfung).

Wirtschaftsprüfung soll die formale und sachliche Korrektheit der Angaben eines Unternehmens sicherstellen und nicht, wie in der Öffentlichkeit vielfach vermutet wird, ein Urteil darüber fällen, ob sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich guten Lage befindet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Allgemeines

Bereits in alten babylonischen und ägyptischen Aufzeichnungen sind Hinweise auf Kontrollen zu finden. Das Römische Reich hatte bereits ein sehr ausgefeiltes System von Kontrollen für Finanzbeamte.

In der Neuzeit führten oft spektakuläre Unternehmenskrisen zu Veränderungen der Prüfungsauflagen. So führte 1994 die Pleite von Jürgen Schneider 1995 zu einer Verschärfung der Kreditprüfungsregeln für Banken in Deutschland. Spekulationsverluste von Unternehmen wie der Metallgesellschaft führten zum Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG). Nach Bilanzmanipulationen bei Enron und Worldcom wurde 2002 der Sarbanes-Oxley Act erlassen.

Entstehung in Deutschland

In Deutschland entstand die erste staatliche Rechnungskontrollbehörde 1701. Die erste Verpflichtung zur Prüfung ergab sich in Deutschland 1870. Das Aktienrecht wurde geändert und damit war der Aufsichtsrat verpflichtet, den Jahresabschluss zu prüfen und der Hauptversammlung darüber zu berichten. 1884 wurde das Aktienrecht erneut überarbeitet. Jetzt mussten Aktiengesellschaften ihren Jahresabschluss unter bestimmten Bedingungen von einem externen Prüfer prüfen lassen. 1896 wurde der Verband Berliner Bücherrevisoren gegründet, welcher 1905 zum „Verband Deutscher Bücherrevisoren“ (VDB) wurde. Damit war der erste Zusammenschluss von Wirtschaftsprüfern entstanden. 1929 waren 853 Prüfer Mitglied beim VDB.

Ablauf einer Prüfung

Grundlagen

Wirtschaftsprüfer üben einen freien Beruf aus, der einen rechtlichen Rahmen durch eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften erhält, insbesondere die Wirtschaftsprüferordnung und das Handelsgesetzbuch. Hinzu kommen standesrechtliche Berufsgrundsätze, die zwar formell keine Gesetze sind, aber für die Wirtschaftsprüfer herausragende Bedeutung haben.

Dies sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung, wie sie vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) formuliert werden. Insbesondere die Prüfungsstandards geben dem Wirtschaftsprüfer sehr detailliert vor, wie Aufträge anzunehmen, zu planen, durchzuführen und zu dokumentieren sind.

Den Prüfungsstandards kommt dabei insofern Quasi-Gesetzesrang zu, als dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer fast durchgängig der Ansicht ist, dass die Nichtanwendung der Standards ohne ausreichende Dokumentation eine Berufspflichtverletzung ist. Die Verletzung von Berufspflichten kann durch die Wirtschaftsprüferkammer sanktioniert werden.

Prüfungstechniken

Eine Prüfung erfolgt in der Regel durch Stichproben. Dabei wird in Bereichen mit hohem Risiko eine vergleichsweise hohe Stichprobenanzahl verwendet. Der Abschlussprüfer legt vor dem Beginn der eigentlichen Prüfungshandlungen fest, nach welchen Kriterien Fehler als unwesentlich anzusehen sind und wann sie als wesentliche Fehler Einfluss auf den Bestätigungsvermerk nehmen. Diese Kriterien werden sowohl für den Gesamtbereich als auch für die einzelnen Prüfungsfelder festgelegt.

Die Prüfungstechniken können in die

  • Systemprüfung (z. B. Prüfung des Internen Kontrollsystems oder Lohn- und Gehaltsabrechnungssystem) mit
    • Aufbauprüfung und
    • Funktionsprüfung sowie die
  • aussagebezogene Prüfung mit
    • analytischen Prüfungshandlungen und
    • Einzelfallprüfung

unterteilt werden.

Prüfungsrisiko

Prüfungsrisiko in der Jahresabschlussprüfung beschreibt das Risiko, dass vom Abschlussprüfer ein Bestätigungsvermerk erteilt wird, obwohl im Jahresabschluss wesentliche Fehler enthalten sind. Diese Fehler können dazu führen, dass über den von der Prüfungsgesellschaft ausgestellten Comfort Letter die prüfende Gesellschaft in Haftung genommen wird.

Bei dem Prüfungsrisiko unterscheidet man

  • das Fehlerrisiko mit
    • dem inhärenten Risiko: dies ist die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Fehler im Jahresabschluss enthalten sind,
    • dem Kontrollrisiko: Wahrscheinlichkeit, dass Fehler enthalten sind, welche nicht durch interne Kontrollmechanismen z. B. die Interne Revision entdeckt werden und
  • das Entdeckungsrisiko: die Wahrscheinlichkeit, dass der Abschlussprüfer wesentliche Fehler nicht entdeckt.

Arten von Prüfungen

Das Hauptgebiet der Tätigkeit von Wirtschaftsprüfern ist die Jahresabschlussprüfung. Daneben werden Zwischenabschlüsse geprüft, etwa bei Unternehmensveräußerungen, Umwandlungen oder anderen Strukturveränderungen. Selten, aber besonders arbeitsintensiv sind Sonderprüfungen zur Aufdeckung vermuteter Unregelmäßigkeiten.

Kritik

Von Seiten der Wissenschaft und der Praxis wird immer wieder Kritik an der Konzeption des Wirtschaftsprüfers geübt, da ein Wirtschaftsprüfer bei jeder Prüfung in dem Zielkonflikt steckt, einerseits sorgfältig – seinem Auftraggeber gegenüber kritisch – zu prüfen und andererseits wieder den Prüfungsauftrag für das nächste Jahr zu bekommen. Der Markt der Wirtschaftsprüfungen wird zum größten Teil von vier großen Unternehmen kontrolliert, den sog. Big Four, was auch Einflüsse auf die Qualität der Prüfung hatte (wie zum Beispiel im Fall MCI WorldCom in den USA). In der Vergangenheit wurden Wirtschaftsprüfungen häufig genutzt, um an lukrativere Aufträge in der Unternehmensberatung zu kommen; das hat teilweise zu Gesetzesänderungen geführt.

Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Bilanzrechtsreformgesetz unter anderem § 319a HGB neu eingeführt, der besondere Ausschlussgründe für den Abschlussprüfer konstituiert. Allerdings ist keine Rotation der Prüfungsunternehmen vorgeschrieben, sondern nur ein Wechsel der Prüfer.

Die Existenz marktstarker Prüfungsunternehmen hat nicht dazu geführt, dass die Prüfungsunternehmen gegenüber ihren Auftraggebern aus der abhängigen Rolle herausgekommen sind. Faktisch sind Einschränkungen des Testats extrem selten – viel seltener als notwendig, da sie den Prüfer immer auch in die Gefahr bringen, sein Mandat zu verlieren. Auch in Deutschland gab es trotz eines ausgebauten Systems der Unternehmensprüfung eine Reihe großer Bilanzskandale und Unternehmenszusammenbrüche, bei denen die Wirtschaftsprüfer keine Einschränkung in das Testat geschrieben hatten, z. B. der Skandal um den Zusammenbruch der Bankgesellschaft Berlin.

Andererseits weist das Testat des Wirtschaftsprüfers darauf hin, dass das Ergebnis der Prüfung nur mit „hinreichender Sicherheit“ festgestellt werden kann. Ein Schutz gegen betrügerisches Verhalten wird durch das Testat nicht gewährleistet.

Siehe auch

Weblinks


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