Wingsuit

Wingsuit
Fallschirmspringer mit einem Wingsuit
Wingsuit im Flug

Ein Wingsuit ist ein Flügelanzug für Fallschirmspringer und Basejumper mit Flächen aus Stoff zwischen den Armen und Beinen, um die vertikale Fallgeschwindigkeit auf weniger als 50 km/h (Stand: 2007) zu senken und in eine Horizontalgeschwindigkeit von bis zu 250 km/h umzuwandeln.[1] Dadurch können beträchtliche Strecken zurückgelegt werden, wie beispielsweise die Überquerung der Straße von Gibraltar (20,5 km) nach einem Absprung aus 13.000 m Höhe.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits Anfang der 1930er Jahre wurde versucht, den freien Fall mit Hilfe künstlicher Flügel zu beeinflussen. Mehr als 70 Fallschirmspringer bezahlten die zahlreichen Experimente mit ihrem Leben. Die bekanntesten unter ihnen waren die Franzosen Clem Sohn und Léo Valentin. Die häufigste Unfallursache war die Verwicklung der noch sehr starren Konstruktionen mit dem Hauptfallschirm. Einige der „Birdmen“ (dt. „Vogelmenschen“), wie sie sich selbst nannten, versuchten sogar bewusst, ohne das Öffnen des Fallschirms nur mit den Flügeln zu landen.

Anfang der 1970er Jahre führte der Deutsche Peter Böttgenbach bei Flugschauen mit einem selbstgeschneiderten Spezialanzug gut sichtbare Langstreckenflüge durch, blieb dabei aber aufgrund des hohen Risikos ein Einzelfall.

Mitte der 1990er Jahre entwickelte der Franzose Patrick de Gayardon einen Wingsuit, bei dem er einen neuartigen Spoiler am Rücken mit seinem Schirm vernähte. Seine Versuche endeten mit einem tödlichen Absturz.[3]

Im Herbst 1998 begannen der Finne Jari Kuosma und der Kroate Robert Pečnik die Entwicklung eines leicht beherrschbaren Wingsuits, der auch von einem durchschnittlichen Fallschirmspringer verwendet werden konnte. Im Juni 1999 kam der erste im Handel erhältliche Wingsuit unter dem Namen BirdMan auf den Markt.

Heute wird häufig auch der Ausdruck BirdMan-Anzug, nach dem führenden Hersteller, als Synonym bzw. Gattungsname für Wingsuits verwendet.

Ein Wisbase Sprung vom Berg Brento

Entwicklungen

Wing Suit BASE-Jumping (WiSBASE)

De Gayardon sprang Ende des Jahres 1997 das erste Mal mit dem Wingsuit von einem festen Standort, dem Berg Brento in der Nähe von Arco, Italien. Sein Sprung von diesem Standort in 1500m Höhe gilt als erster WiSBASE Sprung.[4] 6 Jahre später begannen auch BASE-Jumper, Wingsuits zu nutzen.[5] WiSBASE (Wing Suit BASE jumping) wird von einigen als die Zukunft des Base-Jumping betrachtet.[6]

Eine riskante und spektakuläre Form ist proximity flying, das Fliegen in der Nähe von Hängen und Graten der Berge. Jeb Corliss flog als Erster (24. September 2011) mit einem Wingsuit durch eine große Öffnung in der Seite eines Berges.[7]

Bekannte Orte an denen Wisbase in Europa praktiziert wird, sind der Kjerag und der Trollstigen in Norwegen und die Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch Gruppe. In letztgenannter ist heute die größte BASE jumping Plattform der Welt - die sogenannte "ekstatische Plattform" (die Ecstasy Board) - auf dem Eiger.[8] Sie wurde im August 2009 von Dean Potter eröffnet. Dank einem Höhenunterschied von mehr als 2500m war Potter in der Lage in 2 Minuten und 50 Sekunden die Rekordstrecke von 5,8km zu fliegen[9] und in der Nähe von Grindelwald zu landen. Der Startplatz liegt 500 Meter über dem "Pilz" (die Mushroom), schon seit dem Jahre 2000 einer der beliebtesten WiSBASE Plattformen.

Die Lebensgefährlichkeit und Unfallträchtigkeit des Sports hat in einigen Staaten zu Auflagen geführt: In Deutschland benötigen Wingsuit Springer „für jedem Sprung eine Genehmigung, Absprungstellen und Landeplätze müssen freigegeben sein.” In der Schweiz sind keine Behördenstempel nötig, aber es gibt Beschwerden aus der Bevölkerung über die hohe Zahl der Unfälle und Todesfälle.[10]

Raketengetriebene Wingsuits

Christian Stadler, Gladbeck, entwickelte im Winter 2006 das vegaV3, ein raketengetriebenes Wingsuit-System. Im Beinflügel des Wingsuits ist eine lenk- und regelbare Antriebseinheit integriert.[11]

Wingpacks

Starre Flügel (so g. Wingpack) sind seit einigen Jahren in Erprobung. Der Schweizer Militärpilot Yves Rossy erprobt seit 2004[12] einen von ihm entwickelten starren Flügel. Die letzte Entwicklung ist mit für den Transport einklappbaren Flügelspitzen versehen. Am 14. Mai 2008 stellte er sein Fluggerät der Öffentlichkeit vor. Der Start erfolgte durch einen Sprung aus dem Flugzeug mit vier laufenden Mini-Turbinen und eingeklappten Flügelspitzen. Erst nach dem Absprung wurden die Flügel vollständig entfaltet. Die erreichte Geschwindigkeit soll durch die Turbinen bis zu 300 km/h betragen haben. Die Landung erfolgte mit dem Fallschirm.[13]

Für den militärischen Einsatz wird derzeit der Gryphon, ein 15 kg schwerer und 1,8 m breiter Kohlefaser-Flügel entwickelt. Der Fallschirmspringer springt mit dem Flügel auf dem Rücken aus ca. 10.000 Meter Höhe ab und kann im Flug in 15 Minuten über 40 km zurücklegen. In einer weiteren Entwicklungsstufe soll die Reichweite mit zwei Miniatur-Triebwerken vervielfacht werden. Im Horizontalflug soll sich der Springer damit auf über 200 km/h beschleunigen.[14]

Mediale Rezeption und Projekte

  • Im Rahmen des Wingsuit Landing Project plant Jeb Corliss ohne zusätzlichen Fallschirm zu landen.[19]

Literatur

  • Michael Abrams: Birdmen, Batmen, and Skyflyers: Wingsuits and the Pioneers Who Flew in Them, Fell in Them, and Perfected Them, ISBN 978-1400054916 (englisch)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Flying Humans, Hoping to Land With No Chute. The New York Times, 10. Dezember 2007, abgerufen am 19. September 2010 (englisch).
  2. Spanish Bird-Man Team crosses the Strait of Gibraltar. 7. Juni 2005, abgerufen am 19. September 2010 (englisch).
  3. The Longest Flight. Patrick de Gayardon. Mai 1998, abgerufen am 7. September 2011 (englisch).
  4. The flight of the bird men. Abgerufen am 2. September 2011 (englisch).William Speed Weed, "Popular Science", Juli 2003, Seite 56.
  5. Matt Gerdes, The Great Book of BASE, BirdBrain Publishing, 2010, S. 216.
  6. Sport samobójców? Śmiertelne numery skoczków – Interview mit Olek Domalewski. Abgerufen am 2. September 2011 (polnisch).
  7. Human glider flies through hole in the side of mountain. Abgerufen am 28. September 2011 (englisch).
  8. The biggest BASE jump in the world. Abgerufen am 2. September 2011 (englisch).
  9. The Icarus Project. Abgerufen am 2. September 2011 (englisch)."National Geographic", Dec. 2009/Jan. 2010
  10. Lukas Eberle: Fledermäuse im Sturzflug. In: Der Spiegel. Nr. 36, Spiegel Verlag, Hamburg 5. September 2011, S. 114,6.
  11. First living rocket airplane in the world! peroxidepropulsion.com, abgerufen am 26. September 2009 (englisch).
  12. The bird man flies over the Alps. 18. Mai 2008, abgerufen am 19. September 2010 (englisch).
  13. „Fusionman“ gibt Gas. Ein-Mann-Fluggerät. FAZ, 14. Mai 2008, abgerufen am 26. September 2009.
  14. Dan Löffler: SHAPS - ParaLander - Gryphon. 2007, abgerufen am 19. September 2010.
  15. mspfilms: MSP's wingsuit segment from "Seven Sunny Days". youtube.com, 4. Dezember 2007, abgerufen am 26. September 2009 (FLV, englisch, Trailer (2min 27sec)).
  16. Russian daredevil Valery Rozov BASE jumps from Antarctica's Mount Ulvetanna theaustralian.com, 10. Dezember 2010
  17. Daredevil jumps from mountain in Antarctica The Daily Telegraph, 11. Dezember 2010, abgerufen am 12. Dezember 2010
  18. 'Transformers' jumpers up in birdland chicagotribune.com; Transformers 3 - Wingsuit Flying, wingsuitnews.com, abgerufen am 5. Juli 2011
  19. How to Land in a Wingsuit, Sans Parachute popularmechanics.com; Preparations for world's first human landing WITHOUT a parachute gizmag.com, abgerufen am 13. Oktober 2011

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