William Harvey

William Harvey
William Harvey (Gemälde von Daniel Mytens, ca. 1627, Öl auf Leinwand, heute in der National Portrait Gallery).
William Harvey

William Harvey (* 1. April 1578 in Folkestone (Grafschaft Kent, England); † 3. Juni 1657 in Hampstead (Camden, England)) war ein englischer Arzt und Anatom und mit der Entdeckung des Blutkreislaufs im Abendland der Wegbereiter der modernen Physiologie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Ausbildung

William Harvey wurde als ältestes von neun Kindern des Kaufmanns Thomas Harvey und seiner Ehefrau Joan in Folkestone geboren. Er lernte in Canterbury klassische Sprachen und studierte zunächst an der Universität von Cambridge. Dieses Studium beendete er 1597 mit dem Bachelor of Arts. In der Folge studierte er bis 1602 Medizin an der Universität von Padua in Italien, der renommiertesten medizinischen Fakultät jener Zeit. Dort hatte der angesehene Chirurg und Anatom Hieronymus Fabricius zwar die Venenklappen entdeckt, ihre Bedeutung jedoch noch nicht verstanden, da nach den damals gültigen Auffassungen Galens ein Kreislauf des Blutes nicht vorstellbar war. Vielmehr war man seit 14 Jahrhunderten der Meinung, das Blut werde laufend in der Leber produziert und durch Kontraktion der Arterien in Bewegung versetzt.

Das akademische Leben in Padua war gekennzeichnet durch bisweilen heftige Auseinandersetzungen zwischen eher liberal und kosmopolitisch eingestellten Studenten auf der einen Seite und der Kirche auf der anderen Seite, in welcher der Papst und die Jesuiten streng über die Reinheit der Lehre wachten. Diese Kontroversen gipfelten 1600 in der Verbrennung von Giordano Bruno, einem ehemaligen Professor der Universität Padua, in Rom durch die Inquisition.

Späteres Leben

Mit diesen Eindrücken kehrte Harvey zwei Jahre später zurück nach England. In London eröffnete er eine Praxis und heiratete Elizabeth Browne, die Tochter des Leibarztes von Königin Elisabeth I. 1607 wurde Harvey Mitglied des Royal College of Physicians, 1608 an den Hof von König James I. berufen und nach dessen Tod 1625 auch Leibarzt dessen Nachfolgers Charles I., mit dem er befreundet war und der seine Forschungen großzügig unterstützte. 1628 veröffentlichte er sein 72seitiges Werk Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus oder kurz De Motu Cordis (Anatomische Studien über die Bewegung des Herzens und des Blutes), was ihm zu Ansehen in ganz Europa verhalf, ihm andererseits auch harte Kritik der Anhänger Galens einbrachte, auf die er 1649 mit der Veröffentlichung seiner detaillierten Antworten reagierte. Das große Rätsel, wie das Blut aus den Arterien in die Venen komme, konnte allerdings erst nach der Erfindung des Mikroskops der italienische Anatom Marcello Malpighi mit seiner Entdeckung der Kapillaren lösen.

Im Alter von 79 Jahren erlag Harvey den Folgen eines Schlaganfalles.

Schriften

Fast alle seiner Handschriften sind entweder während des Bürgerkriegs oder aber bei dem großen Brand in London (1666) untergegangen.

Was William Harvey von seinen forschenden Zeitgenossen unterschied, war seine klare Trennung von Hypothesen und Fakten. Ergebnisse seiner Forschungen akzeptierte er erst, wenn sie auch in Kontrollversuchen bestätigt wurden. Er war somit der erste, der wissenschaftliche Methoden auf dem Gebiet der Biologie und Medizin einführte und kann somit als der Begründer der neuzeitlichen Medizin und Physiologie betrachtet werden. Seine Berechnung der Pumpleistung des Herzens ist die erste bedeutende Anwendung der Mathematik auf die Biologie. Harveys neue Erkenntnisse eröffneten auch den philosophischen Kampf zwischen Vitalisten und Mechanisten, der sich bis in die heutige Zeit zieht. Bedeutsam war auch seine Tätigkeit am Royal College of Physicians, wo er seit 1615 Vorlesungen hielt, Sektionen sowie anatomische Demonstrationen durchführte, seine Thesen über den Blutkreislauf seit etwa 1618 vertrat und sich damit vor der Veröffentlichung seiner Ansichten der Kritik stellte.

Mit seiner 1651 veröffentlichten Arbeit Exercitationes de Generatione Animalium (Übungen über die Erzeugung der Tiere) lieferte Harvey bedeutende Beiträge zur Embryologie.[1] Er war der erste, der nicht nur aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien beschrieb, sondern eine dynamische Betrachtungsweise einnahm. Im Widerspruch zu der damals allgemein anerkannten Präformationslehre stellte er dar, wie die verschiedenen Organe aus undifferenzierter Substanz hervorgehen (Epigenese). In der Tradition des griechischen Philosophen Aristoteles nahm er dabei ein formbildendes Prinzip an, das er als einen „göttlichen Architekten“ bezeichnete. Mit diesen Anschauungen war er zu seiner Zeit ein Außenseiter; der von ihm vertretene epigenetische Ansatz konnte sich, von dem metaphysischen Beiwerk befreit, erst im frühen 19. Jahrhundert gegen den Präformismus durchsetzen.

Literatur

  • Gottfried Zirnstein: William Harvey. Biographien Hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker, und Mediziner, Band 28. Teubner, Leipzig 1977.

Einzelnachweise

  1. Ilse Jahn, Rolf Löther, Konrad Senglaub (Hrsg.): Geschichte der Biologie, 2. Aufl. 1985, S. 218

Weblinks

 Commons: William Harvey – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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