Willi Kreikemeyer

Willi Kreikemeyer

Willi Kreikemeyer, (* 11. Januar 1894 in Salbke bei Magdeburg; † unbekannt, nach Darstellung des MfS: 31. August 1950) war eine der Schlüsselfiguren der Fieldaffäre. Willi Kreikemeyer wurde auf dem 28. Plenum des ZK der SED (1956) rehabilitiert.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kreikemeyer war ein gelernter Dreher. Er schloss sich 1910 der Gewerkschaft an und 1919 der KPD. Durch seine Funktionärstätigkeit für die KPD kam er in engen Kontakt zu Willi Münzenberg.

Kreikemeyer wurde im Spanischen Bürgerkrieg schwer verwundet und danach zuerst als Kaderchef der deutschen Abteilung, später als Chefadjudant für alle Kaderabteilungen der Interbrigaden eingesetzt. In diesen Tätigkeiten hatte er Kontakt mit Erich Mielke, der damals unter dem Decknamen Leistner oder Leissner Chef der Instruktionsabteilung und Adjutant der zentralen Administration war. Unter anderem ist bekannt, dass Kreikemeyer sowohl um Bemühungen Mielkes wusste, sich in das sichere Mexiko abzusetzen, als auch um Hilfen, die Mielke aus dem Hilfswerk Noel Fields erhielt.

Fieldaffäre

Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg Kreikemeyer bis 1950 zum Generaldirektor der Reichsbahn auf. Im Zuge der Fieldaffäre geriet er ins Visier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), da er für Fields Hilfswerk gearbeitet hatte und wurde verhaftet. Im Zuge der Ermittlungen ordnete er den Decknamen Leistner Mielke zu. Da dies entlarvend für Mielke wirken musste, konnte doch außer der Nähe zu Field dadurch ans Licht kommen, dass er versucht hatte, sich aus dem Widerstand nach Mexiko abzusetzen, zielten Mielkes Bemühungen darauf ab, Kreikemeyer in einer Hülle des Schweigens zu verstecken. Es wurde jahrelang eine strikte Nachrichtensperre auch innerhalb des MfS gewahrt.

Kreikemeyers Ende

Nach Darstellung des MfS beging Willi Kreikemeyer Selbstmord durch Erhängen: der stark verschnupfte Kreikemeyer soll einen Wärter um die Herausgabe konfiszierter Taschentücher gebeten und sich dann mit drei zusammengeknoteten Taschentüchern an der Zellentür erhängt haben. Diese Version wurde erst 4 Jahre nach dem angeblichen Selbstmord niedergeschrieben und erst 1957 veröffentlicht. Auch der Totenschein wurde erst 1957 ausgestellt. Diese Darstellung wurde von Wolfgang Kießling stark angezweifelt. Es gibt weder einen Beleg, dass die Leiche des Häftlings ärztlich untersucht wurde, noch ist dokumentiert, wo sie bestattet wurde. Es existieren auch zwei Briefe Mielkes an Walter Ulbricht, in denen behauptet wird, Kreikemeyer sei sowjetischen Behörden übergeben worden und 1955 in sowjetischer Haft verstorben.

Kreikemeyers Schicksal wurde nie aufgeklärt. Wolfgang Kießling vermutet, dass Mielke Kreikemeyer ermorden ließ. Beweisen lässt sich das freilich nicht. Die letzten Notizen Kreikemeyers in der Untersuchungshaft dokumentieren seine tiefe Bestürzung über seinen Parteiausschluss, weshalb auch eine Selbsttötung nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Zersetzungsmaßnahmen“ gegen seine Ehefrau

Kreikemeyers Ehefrau, Marthe Kreikemeyer, wurde als „feindlich zur DDR“ eingestuft – wohl, weil sie immer wieder Briefe an die Behörden schrieb, in denen sie Aufklärung über das Schicksal ihres Mannes forderte. Diese Briefe weisen sie aber als überzeugte Kommunistin aus, die fest an einen Justizirrtum glaubte. Ihre einzige „feindliche“ Tat bestand in ihrer Weigerung, ihren französischen Pass abzugeben solange ihre Eltern noch lebten. Mielke trieb sie aus dem Land: Er lud sie 1954 zu einem Gespräch ein, in dem er sich angeblich zu Kreikemeyers Schicksal äußern wollte. Tatsächlich aber konfrontierte er sie mit Verdächtigungen, auch sie sei in die Fieldaffäre verstrickt. Marthe Kreikemeyer floh daraufhin nach West-Berlin und weiter nach Frankreich. Über die Kommunistische Partei Frankreichs sandte sie weiter ihre Briefe nach Ost-Berlin. Dort wurden sie geflissentlich ignoriert. Wilfriede Otto zitiert folgenden makaberen Protokollvermerk der Kommission zur Überprüfung von Parteiangelegenheiten: „Die Kommission beschloß, den Brief von Frau Kreikemeyer zur Kenntnis zu nehmen und den staatlichen Organen zu empfehlen, der Frau Kreikemeyer keine Antwort zukommen zu lassen, da sie selbst Ausländerin ist und im Ausland lebt.“

Erst 1957 bekam Frau Kreikemeyer eine Antwort: Die oben erwähnte MfS-Version vom Selbstmord ihres Mannes. Bis zu ihrem Tod 1986 schrieb sie weiter Briefe an die DDR-Behörden. Das einzige Ergebnis war, dass Willi Kreikemeyers Parteiausschluss schließlich rückgängig gemacht wurde.

Literatur

  • Wolfgang Kießling: Leistner ist Mielke. Schatten einer gefälschten Biographie. Aufbau Taschenbuch, Berlin 1998, ISBN 3-7466-8036-0
  • Wolfgang Kießling: Spurlos verschwunden? Tod ohne Leiche. Der Fall des Reichsbahnchefs Willi Kreikemeyer, 11teilige Artikelserie, erschienen in den Wochenendausgaben der Jungen Welt vom 22./23. Juni bis 31. August/1. September 1996
  • Udo Grashoff: „In einem Anfall von Depression…“ Selbsttötungen in der DDR, Berlin 2006, S. 111 und 305.

Weblinks


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