Wilhelm Schmid (Philosoph)

Wilhelm Schmid (Philosoph)

Wilhelm Schmid (* 26. April 1953 in Billenhausen / Schwaben) ist ein deutscher Philosoph mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Lebenskunstphilosophie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach einer Lehre als Schriftsetzer und vier Jahren bei der Bundeswehr holte Wilhelm Schmid am Augsburger Bayernkolleg 1980 das Abitur nach. Von 1977 bis 1980 war er in Augsburg Vorsitzender der dortigen Jungdemokraten, damalige Jugendorganisation der FDP. 1980 begann er ein Studium von Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin, der Pariser Sorbonne und der Universität Tübingen, das er 1991 mit einer Doktorarbeit über Michel Foucault abschloss. Er übernahm Lehraufträge an der Universität Leipzig (1990–1991), der Technischen Universität Berlin (1991–1992), der Pädagogischen Hochschule Erfurt (1993–1999) und der Universität Jena (1999–2000). In Erfurt habilitierte er sich im Jahr 1997 mit seiner Arbeit „Grundlegung zu einer Philosophie der Lebenskunst“.

Er lehrte als Gastdozent (DAAD-Kurzzeitdozenturen) an der Universität Riga/Lettland (1991–2000) und an der Staatlichen Universität Tiflis/Georgien (1997–2006). Von 1998 bis 2007 arbeitete er regelmäßig als „philosophischer Seelsorger“ am Spital Affoltern am Albis (bei Zürich).

Wilhelm Schmid lebt seit 1980 als freier Philosoph in Berlin. Zudem lehrt er Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Seine Bücher sind ins Niederländische, Italienische, Spanische, Lettische, Finnische, Dänische und Serbische übersetzt. Sie erreichten 2008 eine Gesamtauflage von etwa 400.000 Exemplaren. Wilhelm Schmid ist verheiratet und hat vier Kinder.

Lebensphilosophie

„Für sich selbst zu sorgen“, bedeutet für Wilhelm Schmid weder nur sich ökonomisch zu verhalten, d. h. seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, noch im Sinne des so genannten „Positiven Denkens“ etwa Bedrohungen zu ignorieren oder Zweifel zu unterdrücken. Die „reflektierte Lebenskunst“ bestehe stattdessen darin, sich selbst wahrzunehmen, zu orientieren und zu entwickeln, ohne beziehungslos zu werden oder sich anderweitig zu verengen; man solle sich bemühen, weder zu einem Egomanen noch zu einem „Herdentier“ zu verkommen.

Das individuelle Lebensglück, die Erfahrung des eigenen Sinns und Wohlbefindens, ergibt sich laut Schmid im Wesentlichen nicht daraus, dass man vorübergehend „Glück hat“, d. h. zufällig oberflächliche Vorteile erlangt. Glücklich werde man vielmehr dadurch, dass man seine realen Möglichkeiten erkennt und unter diesen selbstbestimmt und klug wählt. Dies bezeichnet Schmid als das „aristotelische Element“ (s. Aristoteles) der Lebenskunst. Die individuelle Lebensgestaltung müsse selbstgesetzten Ansprüchen genügen, die sich im Laufe des Lebens verändern.

Nur ein bewusster Umgang mit den eigenen Gefühlen und Lüsten führt laut Schmid zu „Selbstmächtigkeit“. Dies nennt er das „epikureische Element“. Ein erfülltes Leben ist nicht von „hedonistischem Lustkonsum zu erwarten, der üblicherweise zu einer Verflachung“ des Erlebens führt. Vielmehr ist eine selbst gewählte Dosierung von Lust dem gesteigerten Empfinden und Genuss förderlich. Dazu gehört es auch, vorübergehende Schmerz- und Unlustgefühle hinzunehmen, die zum Leben gehören. Es sei wichtig, sein eigenes Maß zu finden.

Was jemand aus seinem Leben macht, ist nach Schmid eine Frage der „Selbstaneignung“. Ein beruflicher oder sozialer Status garantiert das individuelle Glück nicht. Das „gute Leben“ im Sinne Schmids bedarf einer selbst zu findenden Balance zwischen Außen und Innen, womit sich der Bogen zum antiken Epikureismus schließt. Diese Balance kann man mit einem aus der Mode gekommenen Begriff als ein Ergebnis von Weisheit bezeichnen. Wesentlich sind die Selbstbefreiung von unnötigen Abhängigkeiten sowie Freundschaften, die einem helfen, die erstrebte Balance im Leben zu halten.

Zitate

  • „Die reflektierte Lebenskunst setzt an bei der Sorge des Selbst um sich, die zunächst ängstlicher Natur sein kann, unter philosophischer Anleitung jedoch zu einer klugen, vorausschauenden Sorge wird, die das Selbst nicht nur auf sich, sondern ebenso auf Andere und die Gesellschaft bezieht.“ (Grundlegung, 1998, S. 51)
  • „Die möglichst weit gehende Verfügung des Selbst über sich und sein Leben im Sinne der Selbstmächtigkeit (Autarkie), und die dafür erforderliche Arbeit des Selbst an sich zur Veränderung und Festigung seiner selbst (Askese) repräsentieren das kynische Element der reflektierten Lebenskunst und führen zum modernen Gedanken der Autonomie.“ (Grundlegung, 1998, S. 51f)

Schriften

  • Bilder Deines Lebens. Einfach ein nettes kleines Buch und nix Berühmtes. Verlag Junger Augsburger Autoren, Augsburg 1980.
  • Wolfgang. Versuche zu einem Portrait; die Welt, der Traum, der Tod. Verlag Junger Augsburger Autoren, Augsburg 1981.
  • Gespräch mit dem Leben. Bruchstücke aus der Welt der Gedanken. Verlag Junger Augsburger Autoren, Augsburg 1981.
  • Wille zum Leben! Entwurf zur Haltung. Verlag Junger Augsburger Autoren, Augsburg 1983.
  • Die Geburt der Philosophie im Garten der Lüste. Michel Foucaults Archäologie des platonischen Eros. Athenäum, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-09200-9. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-39715-X.
  • Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Die Frage nach dem Grund und die Neubegründung der Ethik bei Foucault. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-58082-5. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-29087-8.
  • Was geht uns Deutschland an? Ein Essay. Edition Suhrkamp 1882, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-11882-X.
  • Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung. Suhrkamp-TB Wissenschaft 1385, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-28985-3.
  • Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst. In: Bibliothek der Lebenskunst. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-41207-8. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-518-45664-4.
  • mit Volker Caysa: Reinhold Messners Philosophie. Sinn machen in einer Welt ohne Sinn. Edition Suhrkamp, Band 2242, Frankfurt am Main 2002. 3. Auflage 2005, ISBN 978-3-518-12242-6.
  • Seelsorge und Lebenskunst. In: Wege zum Menschen. Jahrgang 58, Heft 1, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006.
  • Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst. In: Bibliothek der Lebenskunst. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-518-41656-3. Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45882-2.
  • Leben und Lebenskunst am Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Heinz-Nixdorf-MuseumsForum. Fink, Paderborn, München 2005, ISBN 978-3-7705-3955-0.
  • Die Kunst der Balance. 100 Facetten der Lebenskunst. Insel-Taschenbuch 3120, Frankfurt am Main, Leipzig 2005, ISBN 978-3-458-34820-7.
  • Die Fülle des Lebens. 100 Fragmente des Glücks. Insel-Taschenbuch 3199, Frankfurt am Main, Leipzig 2006, ISBN 978-3-458-34899-3.
  • Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Insel, Frankfurt am Main, Leipzig 2007, ISBN 3-458-17373-0.
  • Ökologische Lebenskunst. Was jeder Einzelne für das Leben auf dem Planeten tun kann. Suhrkamp-TB 4034, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-46034-4.
  • Die Liebe neu erfinden. Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-518-42203-8.

Gespräche

Literatur

  • Elke Schmitter: Den Schmerz ausloten. In: Der Spiegel 17/2004, Seiten 177–179.
  • Volker Caysa: Aktuelle deutschsprachige Konzeptionen einer Philosophie der Lebenskunst. In: Information Philosophie, Cladia Moser, Lörrach Dezember 2000.
  • Eudaimonismus, Das Lebenskunstmodell. In: Marcus Düwell u. a. (Hrsg.): Handbuch Ethik, Metzler, Stuttgart 2002, S. 90–92 ISBN 3-476-01749-4.
  • Wolfgang Kersting, Claus Langbehn (Hrsg.): Kritik der Lebenskunst, Suhrkamp-TB Wissenschaft 1815, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-29415-4.

Weblinks


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