Wilhelm Kube

Wilhelm Kube
Wilhelm Kube (September 1942)

Richard Paul Wilhelm Kube (* 13. November 1887 in Glogau; † 23. September 1943 in Minsk) war Journalist, Gauleiter von Brandenburg und Generalkommissar für Weißrussland in Minsk.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kube studierte von 1908 bis 1912 Geschichte, Staatswissenschaften und Theologie. 1911 erhielt er von der Berliner Universität ein Moses-Mendelssohn-Stipendium und wurde Mitbegründer und Führer des antisemitischen Deutschvölkischen Studentenverbands[1] sowie Mitglied im Verein Deutscher Studenten. 1912 wurde er Vorsitzender des Völkischen Akademikerverbandes. Im Jahr 1917 wurde er wegen seiner Parteiarbeit für die Konservative Partei in Schlesien nach wenigen Wochen Kasernendienst vom Kriegsdienst zurückgestellt. Er übte nach dem Studium bei verschiedenen konservativen Blättern den Beruf des Journalisten aus.

Kube gehörte zu den Gründern des „Deutschen Bismarckbund“ („Bismarck-Jugend“ 1920) und wurde deren Reichsführer. 1920 wurde er Generalsekretär der DNVP, trat aber im Jahr 1923 zur DVFP über. Im Jahr 1924 wurde er für die Nationalsozialistische Freiheitspartei in den Reichstag gewählt und war ab 1928 Mitglied der NSDAP. 1928 wurde er Gauleiter der NSDAP im Gau Brandenburgische Ostmark (ab Mai 1933 Gau Kurmark genannt). Zwischen 1928 und 1933 war er Mitglied und Vorsitzender der NSDAP-Fraktion im preußischen Landtag.[2] Im Jahr 1932 wurde er Kirchenvorsteher der Berliner Gethsemanegemeinde und der Kreissynode Berlin-Stadt III und Initiator der Glaubensbewegung Deutsche Christen.

Propagandistische „Krönungszeremonie“ 1928

In seiner Funktion als Gauleiter richtete Wilhelm Kube eine Verstaltung am 27. Januar 1928 in Berlin aus, die für das nahende Ende der Weimarer Republik und den Aufstieg der Nationalsozialisten bezeichnend war. Die New York Times berichtet in ihrer Ausgabe einen Tag später schockiert über die politische Dimension und den Zynismus dieser „Coronation Services“ (Krönungsdienste), wo Kube der Hauptredner war[3]:

„Eine enorme Menschenmenge von vermutlich mehr als 10.000 Menschen strömte heute Abend zu den ‚Krönungsfeierlichkeiten‘ von S. Parker Gilbert, zuständig für die Reparationszahlungen Deutschlands, zum ‚Neuen Deutschen Kaiser‘. Die „Zeremonie“ war von den Faschisten […] aus Anlass des Geburtstags des ehemaligen Kaisers arrangiert worden.

Der enorm große Saal war bis zum Ersticken voll, und Tausende mussten draußen auf der Straße bleiben, obwohl man eigens einen weiteren Saal angemietet hatte. Die patriotische Begeisterung des Publikums war grenzenlos, aber wenig Feindseligkeit wurde gegenüber dem Agenten für die Reparationszahlungen laut, dessen Name der Hauptredner, der Abgeordneten Kube[4], nur dreimal in den Mund nahm. Es gab einige Buhrufe, als Herr Kube Mr. Gilbert einen Angestellten internationaler Bankiers nannte, der sein Jahreseinkommen von 190.000 Mark aus den Taschen der Deutschen zog und auf ein Personal von 103 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zurückgreifen könne, die ähnlich überbezahlt seien. Aber der Spott wandelte sich in Gelächter, als Herr Kube hinzufügte: ‚Gilbert, ein junger Mann von 32 Jahren, ist seit heute der Deutsche Kaiser. Es ist nicht weniger als angebracht, ihm als gehorsame Untertanen unsere Ehre zu erweisen. Rein persönlich ist er uns egal, wir haben nichts gegen ihn.‘

Er hielt eine Ausgabe von Mr. Gilberts letztem Bericht hoch, den er die ‚Dawes-Bibel‘[5] nannte, und empfahl, das Buch jedem Schulabgänger in die Hände zu drücken: Es sei ein sicheres Mittel, einen Aufstand der gesamten Nation gegen Deutschlands augenblickliche Versklavung vom Zaun zu reißen. Der Rest seiner Rede war wilde Agitation und eine Tirade gegen die Partei von General von Ludendorff.

Herr Kube und Dr. Goebbels, der nach ihm sprach, zogen über alles und jeden her, wobei sie sich einer Sprache bedienten, die alles andere als parlamentarisch war. Seine Tiraden richteten sich grundsätzlich gegen Juden, aber Herr Kube griff auch die Sozialisten, Kommunisten und sogar die bürgerlichen Parteien auf unangemessene Weise an. Der Redner nannte Erzberger, Rathenau, Ebert und andere wichtige verstorbene Politiker Verräter, Gauner und Werkzeuge ausländischen Großkapitals und gab an, man hätte die Abgeordneten Scheidemann und Dittmann sowie mehrere sozialistische und kommunistische Redakteure längst aufhängen sollen.[6]

New York Times: Reich Fascisti Hail Gilbert as „Kaiser“, 28. Januar 1928, Seite 1. Übersetzt aus dem Amerikanischen

Karriere nach Hitlers Machtergreifung

Wilhelm Kube, 1933
Generalkommissar Kube (links) in der „Hauptarbeitsgruppe Ostland“ des Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Dezember 1942)
Wilhelm Kube auf dem polnischen Friedhof in Minsk, 1943

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wurde er zum Oberpräsidenten von Brandenburg-Berlin ernannt und nahm diese Funktion zusätzlich kommissarisch für die preußische Provinz Posen Westpreußen wahr. Beide Ämter übte er bis 1936 aus.[2] 1933 wurde er Mitglied der SS; ab 1934 war er SS-Gruppenführer.[2] Über Juden äußerte Kube 1934: „Der Pestträger muss ausgemerzt werden.“[7]

1936 wurde Kube wegen einer entstandenen Differenz mit Martin Bormann aller staatlichen und Parteiämter enthoben.[2] Der Grund dafür war, dass Kube außergewöhnlich korrupt war. Es waren zum Beispiel mehrere Verfahren wegen Diebstahls, übler Nachrede und ähnlichem anhängig. Auch hatte er anonym dem Obersten Parteirichter Walter Buch nachgesagt, dass dessen Frau „jüdisches Blut“ habe.

Im Jahr 1940 wurde er SS-Rottenführer im KZ Dachau. Nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR wurde er politisch reaktiviert und am 17. Juli 1941 zum Generalkommissar für den Generalbezirk Weißruthenien in Minsk ernannt. Das Amt übte er bis zu seinem Tod im Jahre 1943 aus.[2]

Am 9. September 1941 veröffentlichte er einen Aufruf an die Bevölkerung: „Wer noch im Besitz irgendeiner Waffe oder irgendwelcher Munition gefunden wird, wird erschossen. Ebenso werden die erschossen, die von dem Vorhandensein von Waffen oder Munition wissen.“ [8]

Kube war am Holocaust beteiligt, stellte sich allerdings gegen die geplante Vernichtung von deutschen Juden in seinem Hoheitsgebiet, welche dekorierte Soldaten des Ersten Weltkrieges waren. Unter anderem appellierte er an das Reichssicherheitshauptamt und sabotierte eine Liquidierungsaktion gegen Juden des Minsker Ghettos von SS-Obersturmbannführer Eduard Strauch. Die Methoden Strauchs trafen bei Kube auf vollkommene Ablehnung. Diese Art des Vorgehens sei "eines deutschen Menschen und eines Deutschlands Kants und Goethes unwürdig." [9] In einem Brief an Obergruppenführer Erich von dem Bach, empfahl Strauch die Entlassung Kubes. Er beschuldigte Kube, nicht zwischen Deutschen und deutschen Juden unterscheiden zu können. Er habe darauf bestanden, dass die Juden Kultur besäßen und seine Vorliebe für Offenbach und Mendelssohn bekundet. Einen Polizisten, der einen Juden erschossen hatte, habe er "Schwein" genannt. Zudem habe er Juden gewarnt, als der Judenrat in Minsk dazu aufgefordert wurde, 5000 Juden zur "Aussiedlung" bereitzustellen.[10] Andererseits erhob Kube offenbar keinen Einspruch gegen die Tötung arbeitsunfähiger deutscher Juden, führte einer Delegation italienischer Faschisten eine Gaskammer[11] vor und bereicherte sich persönlich am jüdischen Besitz. [12].

Kube war unberechenbar und ständig in Machtkämpfe verwickelt. Auseinandersetzungen gab es mit Reinhard Heydrich, Heinrich Himmler, und Eduard Strauch.[13].

Am 23. September 1943 wurde Kube in Minsk durch eine Bombe getötet, die die weißrussische Partisanin Elena Mazanik, als Dienstmädchen eingeschleust, unter dem Bett versteckt hatte.

Nachfolger von Kube in dessen Funktion als Generalkommissar wurde Curt von Gottberg.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-15052-X, S. 11.
  2. a b c d e Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 86, ISBN 3-8965-0213-1.
  3. Der (einzige) Redner nach Kube war Joseph Goebbels - der New York Times damals weitgehend unbekannt; es war die erste Erwähnung von „Dr. Goebbels“ in dieser Zeitung überhaupt.
  4. Die New York Times druckt den Namen ‚Kube‘ mehrmals falsch als ‚Kubel‘, später in dem Artikel aber richtig ab.
  5. Gemeint ist der Dawes-Plan vom 16. August 1924, der die Reparationszahlungen Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg auf neue, an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Weimarer Republik Füße stellen sollte.
  6. Der Text geht so weiter: „Er griff auch Außenminister Gustav Stresemann an, charakterisierte die Vereinten Nationen als eine Organisation von Dieben und entwickelte ausführlich die Verteidigung verurteilter Feme-Mörder, indem er sie als größte Patrioten hinstellte. Das riesige, ultra-reaktionäre Publikum genoss den Auftritt sichtlich, denn der Applaus war dauerhaft, und tausende von Arme schossen immer wieder zum Swastika-Gruß [siehe Hitlergruß] hoch, der eine Nachbildung des Grußes der italienischen Faschisten ist. Bereits kurz nach Beginn der Veranstaltung gab es Ausschreitungen, als mehrere Reporter für liberale Zeitungen auf Befehl des Braunhemd [gemeint waren mit „Braunhemden“ Mitglieder der SA] tragenden Vorsitzenden, Kapitän Goeting, mit körperlicher Gewalt aus dem Saal geworfen wurden. Sie seien angeblich jüdische Spione gewesen. Die hinauskatapultierten Journalisten wurden sodann von einer fanatischen Menschenmenge bedroht und entgingen nur mit Mühe körperlichen Verletzungen. Gegen Ende des Treffens erschien eine große Zahl von Arbeitern aus dem kommunistisch geprägten nördlichen Teil der Stadt zu einer Gegendemonstration. Die Lage wurde so bedrohlich, dass die Polizei Verstärkung rufen musste und gezwungen war, ihre Gummistöcke herauszuholen, um die feindselige Menge zu zerstreuen. Die Kommunisten nahmen stapelweise faschistische Publikationen von Verkaufsständen mit und verbrannten sie auf einem öffentlichen Platz. Die Nebenstraßen wurden geräumt und mehrere Menschen verhaftet, etwa um Mitternacht herum.“
  7. Helmut Heiber: Aus den Akten des Gauleiters Kube. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Heft 1, 1956, S. 68.
  8. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 346
  9. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Frankfurt am Main: Fischer, 1990. Band 2, S. 406; nach einem Aktenvermerk von Strauch, 20. Juli 1943
  10. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Frankfurt am Main: Fischer, 1990. Band 2, S. 406
  11. Hans-Jürgen Döscher, Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. Berlin 1987, S. 300
  12. Clara Hecker: Deutsche Juden im Minsker Ghetto. In: ZfG 56 (2008), H. 10, S. 837
  13. Siehe Heiber: Aus den Akten des Gauleiters Kube; Schreiben E. Strauchs an von Bach-Zelewski, 25. Juli 1943; Hilberg a. a. O., S. 250; IMT, Bd. XXXVIII S. 373; Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf, Die Geschichte der SS, Weltbild Verlag S. 341.

Weblinks


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