Wilhelm Hasenclever

Wilhelm Hasenclever
Wilhelm Hasenclever, Porträtaufnahme aus dem Jahr 1884

Wilhelm Hasenclever (* 19. April 1837 in Arnsberg, Provinz Westfalen, Preußen; † 3. Juli 1889 in Schöneberg bei Berlin) war von Beruf Lohgerber, später Journalist und Schriftsteller. Er wurde jedoch vor allem als Politiker der Vorläuferorganisationen der SPD bekannt.

Für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) war Hasenclever 1869/70 Abgeordneter im Reichstag des Norddeutschen Bundes. Ab 1871 war er letzter Präsident des ADAV, bevor dieser sich 1875 mit der SDAP zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) vereinigte. Von 1874 bis 1888 war er erneut Mandatsträger der Sozialdemokratie im Reichstag des 1871 ausgerufenen Deutschen Kaiserreichs: zunächst noch für den ADAV, dann für die SAP. Auch dort gehörte Hasenclever dem Parteivorstand an.

Zudem begründete er 1876 zusammen mit Wilhelm Liebknecht das Zentralorgan der SPD, die Parteizeitung Vorwärts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Das Hasencleverhaus in Arnsberg wurde von seinem Vater als Lohmühle an Stelle einer Perlmühle errichtet

Die Mutter Helene (geb. von Dahl) war eine Bauerntochter aus dem Kreis Altena. Der Vater Johann Christoph stammte aus Halver im gleichen Kreis, war ursprünglich Hammerschmied und gründete in Arnsberg eine Lohgerberei. Die Familie war protestantisch und gehörte damit in der überwiegend katholisch geprägten Stadt Arnsberg zu einer konfessionellen Minderheit. Nach dem Besuch des Gymnasiums bis zur „Obersekunda“ (heute: Mittlere Reife) wurde Hasenclever im elterlichen Betrieb zum Lohgerber ausgebildet. 1857/58, während der Reaktionsära in Preußen, war er gezwungen, einen einjährigen Militärdienst zu absolvieren; 1859 folgte eine weitere Phase bei der preußischen Armee in Düsseldorf und Köln.

Dazwischen und danach ging Hasenclever – wie viele Handwerker damals – als Gelegenheitsarbeiter für mehrere Jahre auf Wanderschaft (die sogenannte Walz). Sie führte ihn in die meisten Staaten des Deutschen Bundes, die Schweiz, nach Oberitalien und Südfrankreich. Seine dabei gemachten Erfahrungen, über die er auch für die Nöte der abhängig beschäftigten Arbeiterklasse sensibilisiert wurde, wirkten sich prägend auf seine spätere politische Einstellung aus.

Erste journalistische Erfahrungen und politisches Engagement

Ferdinand Lassalle (1825–1864), Begründer des ADAV

Über sein Engagement in Turnverbänden entdeckte Hasenclever seine Leidenschaft für das Schreiben und das Halten von Reden. 1862/63 wurde er in Hagen Redakteur der demokratisch orientierten Westfälischen Volkszeitung. Durch seine journalistische Arbeit wurde er auf Schriften des genossenschaftlich orientierten Sozialisten Ferdinand Lassalle aufmerksam, besonders auf dessen Arbeiterprogramm. Dieses wurde zur Grundlage der ersten sozialdemokratisch orientierten Partei Deutschlands mit Untergruppen in den meisten Staaten des Deutschen Bundes: dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), gegründet am 23. Mai 1863 in Leipzig auf Initiative Lassalles.

Während des deutsch-dänischen Krieges zog man Hasenclever im Sommer 1864 für kurze Zeit erneut in die preußische Armee ein. Kaum entlassen, wurde er aufgrund eines Artikels in der Rheinischen Zeitung wegen Ehrfurchtsverletzung gegenüber Sr. Majestät (Majestätsbeleidigung), Preußens König Wilhelm I., zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, jedoch in der Berufungsinstanz wieder freigesprochen.

Nach dieser ersten Erfahrung als Angeklagter der preußischen Justiz trat er im selben Jahr in den ADAV ein – nur wenige Monate nach dem Duelltod Ferdinand Lassalles.

Parteikarriere im ADAV, Konkurrenz zur SDAP

1866 wurde Hasenclever unter der Verbandspräsidentschaft Carl Wilhelm Tölckes zum Sekretär des ADAV gewählt. Von 1868 bis 1870 bekleidete er dort das Amt des Kassenwarts. Daneben war er von 1867 bis 1869 Geschäftsführer der Lohgerberei seiner Schwester in Halver.

1869 kam Hasenclever für den Wahlkreis Duisburg als Abgeordneter in den Reichstag des Norddeutschen Bundes, der 1867 nach dem Sieg Preußens im Deutschen Krieg gegen Österreich ausgerufen worden war. Nach der Wahl verlegte er seinen Wohnsitz nach Berlin. Seine Parteigenossen Friedrich Wilhelm Fritzsche und der preußenfreundliche, antimarxistische Johann Baptist von Schweitzer, der im selben Jahr Präsident des ADAV geworden war, zogen mit ihm in den Reichstag ein.

Dort war auch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) mit Wilhelm Liebknecht und August Bebel vertreten. Diese am revolutionären Marxismus ausgerichtete Partei war 1869 in Eisenach aus dem deutlich dominierenden linken Flügel der Sächsischen Volkspartei gegründet worden. Im Gegensatz zum ADAV vertrat sie eine strikt antipreußische Haltung und strebte eine großdeutsche Reichseinigung – unter Einbeziehung Österreichs – mit föderalistischer Struktur an. Dabei ging es der SDAP auch darum, die Hegemonie des von ihr als reaktionär und militaristisch betrachteten Preußens einzudämmen. Damit widersprach sie nicht nur den Zielen des konservativen preußischen Ministerpräsidenten und Kanzlers des Norddeutschen Bundes, Otto von Bismarck, sondern auch von Schweitzer, dem umstrittenen Vorsitzenden des ADAV, der dem Kanzler in der nationalen Frage näher stand als der eher internationalistisch orientierten sozialdemokratischen Konkurrenzpartei SDAP.

Nach dem Ende seines ersten Reichstagsmandats nahm Hasenclever am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 teil. Dieser führte nach dem Sieg des von Preußen angeführten norddeutschen Bundes über Frankreich und dem Bundesbeitritt der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern zur Ausrufung des Deutschen Reichs mit dem preußischen König als Kaiser Wilhelm I. an dessen Spitze. Damit hatte sich die Kleindeutsche Lösung durchgesetzt. Bismarck übernahm als Reichskanzler die Führung der vom Monarchen bestimmten Regierung.

Kurz darauf wurden bis dahin verdeckte Verbindungen und Absprachen zwischen der Reichsregierung und von Schweitzer, der im ADAV als autoritär bis diktatorisch auftretender Anführer galt, bekannt. Daraufhin trat dieser vom Parteivorsitz zurück und beendete seine parteipolitische Arbeit. Hasenclever wurde noch 1871 als sein Nachfolger zum Präsidenten des ADAV gewählt.

Bismarck versuchte in der Folgezeit, SDAP und ADAV, die er beide als „Reichsfeinde“ betrachtete, gegeneinander auszuspielen. Ihre Rivalität erleichterte es der Regierung, mit polizeilichen Anordnungen und anderen rigorosen Methoden – z.B. Razzien oder Hausdurchsuchungen – reichsweit gegen Arbeitervereine vorzugehen.

Hasenclever begann als neugewählter Präsident des ADAV sogleich, die Partei neu zu orientieren. Dies führte, auch unter dem Einfluss der zunehmend restriktiven Politik Bismarcks, mittelfristig zu einer Annäherung an die SDAP. Dabei behielten beide Parteien ihre unterschiedlichen Prioritäten vorerst bei und kritisierten einander dafür: vorrangige Reformorientierung (ADAV-Position) gegen revolutionäre Ausrichtung (SDAP-Position), Anspruch auf nationale Interessenvertretung der Arbeiterbewegung (ADAV) gegen den Vorrang eines proletarischen Internationalismus (SDAP), genossenschaftlicher Schwerpunkt (ADAV) gegen gewerkschaftsnahe Orientierung (SDAP).

Die beiden ADAV-Parteizeitungen – Der Social-Demokrat und Der Agitator, die von Schweitzer bis zu seinem Rücktritt beherrscht hatte – wurden nun zu einem Parteiorgan, dem Blatt Der Neue Sozial-Demokrat, zusammengefasst. Dessen Chefredakteure waren Hasenclever und sein parteiinterner Gönner, Wilhelm Hasselmann. Zudem war Hasenclever Redakteur der Zeitschrift Sozial-politische Blätter und ab 1873 Herausgeber der Sonderedition Sozialpolitische Blätter zur Unterhaltung und Belehrung der deutschen Arbeiter.

Der ADAV wuchs unter seiner Präsidentschaft von 5.300 Mitgliedern im Jahr 1871 auf mehr als 19.000 Parteiangehörige bis zum Jahreswechsel 1873/74 an. Der Neue Sozial-Demokrat hatte bis dahin über 11.000 Abonnenten. Aufgrund seiner publizistischen Arbeit wurde Hasenclever 1874 mehrfach zu Strafen bis hin zu Gefängnishaft zwischen einem und drei Monaten verurteilt, z.B. wegen „öffentlicher Aufforderung zu strafbaren Handlungen“, „Beleidigung“ oder „Beteiligung an einem geschlossenen Verein“.

Fusion des ADAV mit der SDAP zur SAP

Wilhelm Liebknecht (1826–1900)

Nach vier Jahren Unterbrechung wurde Hasenclever 1874 für den Wahlkreis Altona erneut in den Reichstag des nunmehr deutschen Kaiserreichs gewählt. Seitdem näherten sich die Positionen von ADAV und SDAP immer stärker aneinander an. Schließlich fusionierten beide Parteien am 5. Mai 1875 auf dem gemeinsamen Parteitag in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP).

Hasenclever und Wilhelm Liebknecht hatten sich als führende Köpfe des ADAV und der SDAP auf einen Kompromiss geeinigt, der sich im Gothaer Programm der SAP inhaltlich niederschlug. Darin wurden die revolutionären Ziele der vormaligen SDAP relativiert, indem der legale Rahmen zur Durchsetzung der Parteiziele festgeschrieben wurde.

„[…] erstrebt die sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft.“

Zudem sollten diese Ziele vorrangig auf nationaler Ebene erreicht werden, was den internationalistischen Aspekt sozialdemokratischer Politik abschwächte. Der Programmpunkt der „Befreiung der Arbeit“ forderte stärker als das bisherige SDAP-Programm die Unterstützung von genossenschaftlichen Organisationsformen in der Wirtschaft.

Obwohl damit die von Liebknecht vertretenen marxistischen Inhalte nicht gänzlich fallen gelassen wurden, kritisierte Karl Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms von seinem Londoner Exil aus unter anderem die Zugeständnisse an die Reformorientierung des vormaligen ADAV.

Titelblatt der Erstausgabe des Vorwärts vom 1. Oktober 1876

Hasenclever war 1875/76 mit Georg Wilhelm Hartmann Vorsitzender der neuen SAP. 1876 begründete er in Leipzig zusammen mit Liebknecht, mit dem er auch die Chefredaktion teilte, das neue Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, den Vorwärts. Am 1. Oktober 1876 erschien dessen erste Ausgabe. Bis heute ist er die Parteizeitung der 1890 aus der SAP hervorgegangenen SPD geblieben.

Ebenfalls 1876 zog Hasenclever nach Hamburg und gründete dort das Hamburg-Altonaer Volksblatt. Zusätzlich gab er noch in Leipzig ein satirisch-humoristisches Arbeiterblatt heraus.

Reichstagsarbeit unter den Sozialistengesetzen

Angesichts der ständigen Stimmenzuwächse für die Sozialdemokratie versuchte Bismarck grundlegender und gesetzlich wirksamer gegen die Partei und ihre Unterverbände vorzugehen. Den Vorwand dazu gaben ihm zwei kurz hintereinander durchgeführte, wenn auch erfolglose Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Mai/Juni 1878. Wider besseres Wissen beschuldigte er die SAP, diese Attentate in Auftrag gegeben zu haben.

Nach einem Mehrheitsbeschluss der Konservativen und Nationalliberalen Reichstagsabgeordneten legte Bismarck dem Kaiser das bis heute als Sozialistengesetz bekannte Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zur Unterschrift vor. Darin wurden die Aktivitäten, Versammlungen und Veröffentlichungen der SAP außerhalb des Reichstags und der Landtage verboten. Es trat am 22. Oktober 1878 in Kraft und sollte erst 1890 – ein Jahr nach Hasenclevers Tod und kurz nach der Entlassung Bismarcks als Reichskanzler durch den 1888 inthronisierten Kaiser Wilhelm II. – wieder aufgehoben werden.

Auch der Vorwärts war in dieser Zeit verboten. Der Sozialdemokrat war eine der wenigen Parteizeitungen, die illegal im Reich verbreitet wurden. Er wurde seit 1880 in Zürich gedruckt, ab 1887 in London. Viele Sozialdemokraten sahen sich zur Emigration ins Ausland gezwungen, andere wurden wegen Verstößen gegen das Sozialistengesetz inhaftiert oder als „Agitatoren“ aus ihren Wohnorten ausgewiesen. Dies geschah vermehrt, nachdem die Regierung den so genannten Kleinen Belagerungszustand über mehrere Hochburgen der Sozialdemokratie verhängt hatte.

Hasenclever, Liebknecht, Bebel und weitere Parteigenossen behielten jedoch ihre Mandate im Reichstag und opponierten weiter gegen die Politik Bismarcks und der ihn tragenden Parteien. Sie durften allerdings außerhalb des Parlaments nicht öffentlich als Vertreter der Sozialdemokratie im Reichsgebiet auftreten. Trotz dieser Repression wurden sie bei den nachfolgenden Reichstagswahlen, bei denen die SAP erneut Stimmen hinzugewann, bestätigt. Entgegen Bismarcks Absichten bewirkte das Sozialistengesetz trotz seiner unterdrückenden Wirkung einen enormen Solidarisierungsschub in der Arbeiterschaft, durch den die Arbeiterbewegung noch mehr politisiert wurde und im Effekt enger an die Partei heranrückte.

Zwischen 1881 und 1890 wuchs der Stimmenanteil für die Kandidaten der SAP im Reichstag von knapp 312.000 Wählern im Jahr 1881 auf mehr als 1,4 Millionen bis 1890, also um über 450 %. Damit wurde die SAP zur wählerstärksten Partei des Deutschen Reiches. Diesen Trend konnte auch die damals als fortschrittlich geltende Sozialgesetzgebung des Reichskanzlers, die die Grundlage für die Sozialversicherungen schuf, nicht aufhalten.

Wie viele Sozialisten war Hasenclever während der Sozialistengesetze unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. Nach 1878 gründete er etwa den Berliner Arbeiterbund mit. Bei seiner publizistischen Arbeit schrieb er teilweise unter Pseudonym.

Trotz seines Reichstagsmandats musste er infolge des Kleinen Belagerungszustands mehrfach seinen Wohnort in Deutschland wechseln, da er von den Behörden 1881 aus Leipzig, 1884 aus Berlin ausgewiesen wurde. So lebte er zeitweise als freier Schriftsteller in Wurzen, Halle und Dessau. Da er seine Abgeordnetenarbeit kaum selbst finanzieren konnte, war er auf die materielle Unterstützung seiner Frau Clara, die er 1875 geheiratet hatte und die in Berlin einen Zigarrenhandel mit zwei Geschäftsfilialen betrieb, angewiesen.

Erkrankung, Lebensende

Im späteren Verlauf der 1880er Jahre machte sich bei Hasenclever ein damals nicht näher diagnostizierbares Leiden mit neurologisch-psychiatrisch zunehmend auffälliger Symptomatik bemerkbar, die seine politische Arbeit immer mehr einschränkte, und schließlich aufgrund geistiger Verwirrung unmöglich machte. Im Verlauf dieser Erkrankung legte er 1888 sein Reichstagsmandat nieder, nachdem er beim Düsseldorfer Geheimbund-Prozess im selben Jahr zusammengebrochen war. Er suchte Genesung im Maison de la santé (aus dem Französischen übersetzt: Haus der Gesundheit), einer Heilanstalt in Schöneberg, damals im Süden Berlins gelegen. Dort starb der am Ende pflegebedürftige und geistig abwesende Wilhelm Hasenclever im Alter von 52 Jahren am 3. Juli 1889, noch vor der ein Jahr später erfolgenden Aufhebung der Sozialistengesetze und der Umbenennung der SAP in SPD.

An seiner Beerdigung auf dem Friedhof der freireligiösen Gemeinde Berlins/Prenzlauer Berg gaben ihm etwa 15.000 Personen das letzte Geleit.

Würdigung

Gedenktafel am Wilhelm-Hasenclever-Platz, in Berlin-Wedding

Im Jahr darauf, 1890 wurde dort von Parteiangehörigen der SPD eine Gedenksäule für Hasenclever gestiftet. Deren Inschrift lautet: „Dem alten Kämpfer für Wahrheit, Freiheit und Recht“. Heute ist der Wilhelm-Hasenclever-Platz im Berliner Stadtteil Wedding, auf dem sich eine weitere Gedenktafel befindet, nach ihm benannt, des Weiteren eine Straße in Treptow. 1987 wurde Hasenclevers Geburtshaus in Arnsberg am Mühlengraben, unterhalb der Altstadt, ebenfalls mit einer Gedenktafel versehen.

Schriftstellerisches Wirken

Hasenclevers schriftstellerische Tätigkeit ging über seine breit gefächerte publizistische Arbeit in vielen Zeitungen und Zeitschriften, von denen er mehrere selbst begründete, hinaus. Er verfasste verschiedene Abhandlungen zu sozialpolitischen Fragen der Zeit, aber auch Novellen, Gedichte und Lieder, in denen er sich der Sache der Arbeiterbewegung in vorwiegend emotional-pathetischer Form annahm. Seine Lyrik hatte ihre Wurzeln in politischen Gedichten des Vormärz und war eher geprägt von einem agitatorischen als von einem künstlerischen Anspruch. In der politischen Praxis galt Hasenclever allerdings in Relation zu führenden Sozialisten seiner Zeit als gemäßigter Parteiangehöriger.

In der Partei umstritten war seine 1881 unter dem Pseudonym Wilhelm Revel veröffentlichte Schrift „Der Wahrheit die Ehre. Ein Beitrag zur Judenfrage in Deutschland“. Darin bezog Hasenclever Stellung zur antisemitischen Bewegung von Adolf Stoecker, der mit der Gründung einer Christlich-Sozialen (Arbeiter-)Partei den politischen Antisemitismus in Deutschland mit verbreitete. In der ablehnenden Kritik dieser „Bewegung“, die zeitweilig, wenn auch mit nur geringem Erfolg, versuchte, die sozialdemokratische Wählerbasis anzusprechen und zu unterwandern, griff Hasenclever allerdings auch antisemitische Ressentiments in der Arbeiterbewegung auf, indem er für deren antikapitalistische und antiintellektuelle Motivation Verständnis äußerte. In diesem Zusammenhang offenbarte er eigene, latent-antisemitische Vorurteile, durch die er sich auch parteiintern der Kritik führender Genossen aussetzte, die in Hasenclevers Schrift eine Gefährdung der offiziellen Parteilinie der Emanzipation und Assimilierung des Judentums sahen.

Werke (Auswahl)

  • Über die Beeinflussung des Arbeiterstandes durch die gegenwärtige Presse. Heidelberg 1864.
  • Erlebtes - Skizzen und Novellen. Leipzig 1877.
  • Erlebtes. Erinnerungen aus dem Soldatenleben 1857 bis 1871. Leipzig 1877.
  • Liebe, Leben, Kampf. Gedichte. Hamburg 1878.
  • Noch einmal Herr Findel und die Socialdemokratie. Leipzig 1880.
  • Der Wahrheit die Ehre. Ein Beitrag zur Judenfrage in Deutschland. Nürnberg 1881 (geschrieben unter dem Pseudonym Wilhelm Revel).

Literatur

  • Eduard Bernstein: Die Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung. 3 Bände. Berlin 1907.
  • Franz Mehring: Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Dietz, Berlin 1898, 1980.
  • Ludger Heid, Klaus-Dieter Vinschen und Elisabeth Heid (Hrsg.): Wilhelm Hasenclever. Reden und Schriften. Dietz, Bonn 1989, ISBN 3-8012-1130-4.
  • Georg Eckert (Hrsg.): Wilhelm Liebknecht. Briefwechsel mit deutschen Sozialdemokraten. 1862 bis 1878. Band 1. Assen 1973. ISBN 90-232-0858-7 (enthält auch Zeugnisse über Hasenclever von Wilhelm Liebknecht, Ignaz Auer, Friedrich Engels u. a.)
  • Ludger Heid: Pazifist – Patriot – Parlamentarier. Wilhelm Hasenclever in der antimilitaristischen Tradition der deutschen Arbeiterbewegung. In: Ludger Heid u. a. (Hrsg.): Wilhelm Hasenclever. Erlebtes. Franke, Arnsberg 1987. (Nachdruck: Röhl, Leipzig.)
  • Anne Roerkohl: Wilhelm Hasenclever. Westfalen im Bild. Bildmediensammlung zur westfälischen Landeskunde. Persönlichkeiten aus Westfalen. Band 3. Münster 1991.

Weblinks

 Commons: Wilhelm Hasenclever – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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