Wilhelm Freiherr von Pechmann

Wilhelm Freiherr von Pechmann

Wilhelm Franz Alois Freiherr von Pechmann (* 10. Juni 1859 in Memmingen; † 10. Februar 1948 in München) war Direktor der Bayerischen Handelsbank in München und übernahm neben seinem Beruf zahlreiche wichtige Ämter innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pechmann arbeitete seit 1886 als juristische Hilfskraft in der Bayerischen Handelsbank in München. Im gleichen Jahr heiratete er Emma von Feilitzsch. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. 1898 wurde er Direktor der Bank.

1901 wurde er in die Bayerische Generalsynode berufen. 1909 wäre von Pechmann beinahe in das höchste Amt der bayerischen Landeskirche, zum Präsidenten des Oberkonsistoriums, berufen worden; die Berufung scheiterte nur daran, dass er Jurist und nicht Theologe war. 1913 verlieh ihm die Evangelisch-Theologische Fakultät zu Erlangen den Grad eines Ehrendoktors der Theologie. Von 1919 bis 1922 war Pechmann der erste gewählte Präsident der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Es folgten weitere Mitgliedschaften im Ständigen Ausschuss des Lutherischen Weltkonvents und dem Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß. Er war Präsident des verfassunggebenden Deutschen Evangelischen Kirchentages von Stuttgart (1921), Bethel (1924) und Königsberg (1927).

Pechmann war den Nationalsozialisten in ihrer Anfangszeit als Direktor der Handelsbank noch behilflich, entwickelte sich aber bald zu einem entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus und der den Nationalsozialisten nahe stehenden Deutschen Christen. Er wurde 1933 Mitglied der Bekennenden Kirche und pflegte Beziehungen zu den Theologen Karl Barth und Martin Niemöller. Am Ostermontag 1934 trat Wilhelm von Pechmann unter Protest „gegen die Vergewaltigung der Kirche, gegen ihren Mangel an Widerstandskraft, auch gegen ihr Schweigen zu viel Unrecht und zu all dem Jammer und Herzeleid, das man ... in ungezählte „nichtarische“ Herzen und Häuser, christliche und jüdische, getragen hat“ (der Abschiedsbrief wurde im gleichen Jahr in der Zeitschrift Junge Kirche veröffentlicht), aus der Deutschen Evangelischen Kirche aus. Am 17. Juni 1936 erhielt er auf seinen Antrag hin die Mitgliedskarte der Bekennenden Kirche.

Aber auch mit dem damaligen bayerischen Landesbischof Hans Meiser lag er im Streit, weil dieser sich gegenüber den Nationalsozialisten als rückgratlos erwies, insbesondere was die Judenverfolgung betraf.

Sein Leben nahm in den letzten Jahren eine unerwartete Wendung: Obwohl er zeitlebens in zahlreichen hochrangigen Ämtern innerhalb der evangelischen Kirche tätig gewesen war, konvertierte Pechmann wenige Jahre vor seinem Tod zum Katholizismus. Am 15. April 1946 trat Pechmann offiziell in die Katholische Kirche über, nachdem er tags zuvor seinen Austritt aus der evangelischen Dreieinigkeitsgemeinde München-Bogenhausen erklärt hatte, und wurde am 12. Juni 1946 von Kardinal Michael Faulhaber gefirmt.

Pechmann starb am 10. Februar 1948 in München und wurde dort auf dem Nordfriedhof beerdigt.

In jüngerer Vergangenheit wurde Pechmann für seine kritische Haltung im Nationalsozialismus an verschiedenen Orten geehrt:

1998 benannte die Augustana-Hochschule Neuendettelsau ihr Hörsaalgebäude nach von Pechmann. Am 29. Januar 2000 wurde im Englischen Garten in München ein Freiherr-von-Pechmann-Weg eingeweiht. Anfang 2008 beschloss die Stadt Memmingen, eine Straße nach Pechmann zu benennen.

Wilhelm-Freiherr-von-Pechmann-Preis

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern vergibt ab 2008 im Gedenken an von Pechmann den „Wilhelm Freiherr von Pechmann-Preis“.

In der Begründung für den Preis heißt es: „Mit dem Preis wird an seine besonderen Verdienste um Humanität, Christentum und Kirchlichkeit in den Jahren vor, während und nach dem „Dritten Reich“ erinnert. Freiherr von Pechmann kämpfte um ein mutigeres Verhalten der Kirche gegenüber der Barbarei des Nationalsozialismus und dessen ‚Politik‘ der Judenverfolgung und -vernichtung. Mit dem Preis werden herausragende Leistungen ausgezeichnet, die sich dem Thema Zivilcourage in historisch-wissenschaftlicher Forschung oder in der Bildungsarbeit widmen. Außerdem können überzeugende Beispiele für Gemeinsinn und Zivilcourage in der heutigen Zeit gewürdigt werden“. (Zitat aus Pressemitteilung des Landeskirchenamts vom 10. April 2008)

Die Preisträger im Jahr 2011 sind:

Emmi Hetzner und die Klasse M9 der Stephanie-Mittelschule Gunzenhausen für das Schulprojekt „Die Geschichte jüdischer Familien und ehemals jüdischer Wohnhäuser im Gunzenhausen des 20. Jahrhunderts“

Maximiliane Saalfrank und Thies Marsen für das Radiohörbild „Blauer Strich heißt Leben, rotes Kreuz bedeutet Tod. Industrielle Ermordung. Vor 70 Jahren begann die Euthanasie der Nazis“, Bayern 2, 1. November 2010

Dr. Jörg Skriebeleit für die Erinnerungs- und Bildungsarbeit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, sowie Kerstin und Jörg Schröder (Evangelische Jugend Oberfranken), für das „International Youth Meeting Flossenbürg“

Prof. Dr. Wolfgang Sommer erhielt den (undotierten) Ehrenpreis für seine Forschungsstudien

Im Jahr 2010 wurde kein Wilhelm-Freiherr-von-Pechmann-Preis vergeben.

Die drei Preisträger im Jahr 2009 waren:

Thomas Greif für sein Buch „Frankens braune Wallfahrt. Der Hesselberg im Dritten Reich“, Ansbach 2007 (ISBN 978-3-87707-698-9).

Bürgerforum Gräfenberg für die „Initiative für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“

Sabine Gerhardus und Björn Mensing für die Buchveröffentlichung „Namen statt Nummern - Dachauer Lebensbilder und Erinnerungsarbeit“, Leipzig 2007 (ISBN 978-3-374-02488-9)


Die drei Preisträger im Jahr 2008 waren:

Jutta Neupert für die BR-Fernsehproduktion „Gottvertrauen und Zivilcourage. Evangelische Opfer des NS-Regimes“, in der Sendereihe „Stationen“, vom 21. November 2007

Sigena-Gymnasium, Nürnberg für den Gedenkband: „Verfolgt, Vertrieben, Ermordet. Die 120 Jüdinnen vom Mädchenlyzeum“, erarbeitet von Schülern der 9. Klasse, 2007

Axel Töllner für sein Buch „Eine Frage der Rasse? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, der Arierparagraf und die bayerischen Pfarrfamilien mit jüdischen Vorfahren im ‚Dritten Reich’“, Stuttgart 2007

Im Jahr 2008 war der Preis mit 10.000 Euro dotiert, zu gleichen Teilen gestiftet von der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und der Hypo Real Estate Bank (als Nachfolgerin der Bayerischen Handelsbank)

Literatur

  • Adalbert Freiherr von Pechmann: Pechmann, Wilhelm Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 152 f.
  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach (Hrsg.): Widerstand und Solidarität der Christen in Deutschland 1933-1945 - Eine Dokumentation zum Kirchenkampf aus den Papieren des Wilhelm Freiherrn von Pechmann, Neustadt/Aisch 1971.
  • R. Voderholzer: Stimme des Gewissens im Kampf gegen das Böse: Wilhelm Freiherr von Pechmann (1859-1948), in: Münchener Theologische Zeitschrift 52 (2001) 3, S. 245-259.
  • Kurt Dietrich Schmidt (Hrsg.): Die Bekenntnisse und grundsätzlichen Äußerungen zur Kirchenfrage des Jahres 1933, Göttingen 1934.
  • Wilhelm Freiherr von Pechmann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
  • Wolfgang Sommer: Wilhelm Freiherr von Pechmann - Ein konservativer Lutheraner, Göttingen 2010.
  • Der umfangreiche Nachlass von Pechmann befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek [1]

Weblinks


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