Wichard von Alvensleben (Offizier)

Wichard von Alvensleben (Offizier)
Wichard von Alvensleben

Wichard von Alvensleben (* 19. Mai 1902 in Wittenmoor; † 14. August 1982 in Ascheberg) war ein deutscher Land- und Forstwirt. Er befreite 1945 als deutscher Offizier prominente SS-Geiseln in Südtirol.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wichard von Alvensleben entstammte der niederdeutschen Adelsfamilie von Alvensleben und war der vierte und jüngste Sohn von Ludolf Udo von Alvensleben (1852–1923) aus Wittenmoor und dessen Frau Ida von Glasenapp (1866–1924). Er besuchte die Schule im Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg, die Ritterakademie in Brandenburg an der Havel und machte das Abitur 1921 auf der Klosterschule Roßleben. Nach vierjähriger praktischer Ausbildung in Land- und Forstwirtschaft studierte er in Eberswalde und München Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Jura. 1927 heiratete er Cora von Erxleben, Erbin der Güter Tankow-Seegenfelde, Landkreis Friedeberg Nm., und Dertzow, Landkreis Soldin in der Neumark. Von 1929 bis 1939 bewirtschaftete er diese Güter. 1936 erwarb er außerdem das Forstgut Viarthlum, Landkreis Rummelsburg i. Pom. 1934 und 1936 wurden zwei Töchter geboren. Wichard von Alvensleben war Rechtsritter des Johanniterordens und ein tiefgläubiger Christ.

Im Zweiten Weltkrieg war von Alvensleben als Offizier der Wehrmacht in Polen, Frankreich, Russland, im Afrikafeldzug und in Italien eingesetzt. In Russland wurde er 1941 schwer verwundet und erhielt das Verwundetenabzeichen, das Infanterie-Sturmabzeichen und das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Seine Frau Cora erschoss sich bei der Ankunft der Roten Armee am 29. Januar 1945 in Tankow. Das Schloss wurde geplündert und niedergebrannt, der Besitz enteignet und kam zu Polen.

Im Herbst 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen, fand von Alvensleben zunächst Zuflucht bei Verwandten in Nörten-Hardenberg bei Göttingen. Bis 1952 arbeitete er als Holzfuhrmann, Angestellter einer Zuckerfabrik und war zeitweise arbeitslos. Im August 1946 heiratete er in zweiter Ehe Astrid von Brand, verwitwete Gräfin von Brockdorff-Ahlefeldt, deren Mann in Russland gefallen war. Von 1952 bis 1956 verwaltete er das Brockdorffsche Gut in Ascheberg bei Plön. Danach arbeitete er für das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Rendsburg. Seine Verantwortungsbereiche waren die Integration von Flüchtlingen, insbesondere von Jugendlichen, und die Alkoholikerbetreuung. 1974 ging er in den Ruhestand. Seine Ruhestätte befindet sich auf dem Brockdorffschen Familienfriedhof in Ascheberg.

Die Befreiung der SS-Geiseln

In die letzten Kriegstage Ende April 1945 fiel ein Ereignis, das sein Leben nach eigenen Angaben sehr tief geprägt hat. Er befreite als Hauptmann der Wehrmacht in Niederdorf/Südtirol einen Transport von 139 prominenten Sonderhäftlingen aus zwölf verschiedenen Nationen, deren SS-Wachmannschaft den Befehl hatte, diese Häftlinge nicht lebend in Feindeshand fallen zu lassen. Zu diesen Häftlingen gehörten u. a. der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der mehrfache französische Premierminister Léon Blum, Martin Niemöller, der spätere Weihbischof Johannes Neuhäusler, Fabian von Schlabrendorff, Alexander von Falkenhausen, Isa Vermehren sowie Sippenhäftlinge des 20. Juli 1944, u. a. aus den Familien Stauffenberg und Goerdeler.

Die mutige Rettungsaktion wurde erst 19 Jahre später durch einen größeren Zeitungsartikel einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Weitere Einzelheiten und Hintergründe hat der Journalist Hans-Günter Richardi anlässlich des 60. Jahrestages dieses Ereignisses in seinem Buch „SS-Geiseln in der Alpenfestung“ zusammengetragen. Wichard von Alvensleben selbst gab 1964 – in einem Brief an Niemöller – dem damaligen Ablauf eine christliche Deutung: Es sei kein Zufall gewesen, „sondern Fügung und Führung durch das Walten außerweltlicher Kräfte, die wir Christen als Gott bezeichnen.“ Demgegenüber sei das Herausstreichen irgendeines Mitwirkenden gegenstandslos, „da wir alle nur Werkzeuge und Handlanger waren, die nach höheren Intentionen benötigt wurden.“ Anders sei der unwahrscheinliche Ablauf der Ereignisse für den nachdenklichen Eingeweihten nicht zu erklären. „Aber“ – so schließt er den Brief an Niemöller – „wie sagen wir es den Heutigen?“

Literatur

Weblinks


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