Whampoa-Militärakademie

Whampoa-Militärakademie
Sun Yat-sen am 16. Juni 1924 während der Gründungsfeierlichkeiten in Whampoa (st.v.links: He Ying-qin, Chiang Kai-shek, Wang Bo-ling)

Die Armeeoffiziersakademie der Chinesischen Nationalpartei (chinesisch 中國國民黨陸軍軍官學校 Zhōngguó Guómíndǎng Lùjūn Jūnguān Xuéxiào), gemeinhin bekannt als Whampoa-Militärakademie (chinesisch 黃埔軍校 Huángpŭ Jūnxiào), war eine Militärakademie in der Republik China, die führende Kommandeure hervorbrachte, von denen viele an den Kriegen im China des 20. Jahrhunderts teilnahmen, darunter die Nordexpedition, der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg und der Chinesische Bürgerkrieg.

Die Militärakademie wurde am 16. Juni 1924 offiziell von der Kuomintang (KMT) eröffnet. Der erste Unterricht fand aber schon am 1. Mai 1924 statt. Die Eröffnungsfeier wurde auf der Insel Chengzhou abgehalten, die vor der Küste des Kantoner Stadtteils Huangpu (Whampoa) liegt. Der erste Präsident der Republik China, Dr. Sun Yat-sen, hielt aus diesem Anlass eine Rede bei der er u.a. den Text der neuen Nationalhymne der Republik China vorstellte.

Zu ihrem Leiter wurde Chiang Kai-shek bestellt, sowie, 1926, Zhou Enlai als Vorsitzender des politischen Ausschusses.

1927, nach dem Bruch zwischen der KMT und der KPCh (Shanghai-Massaker), standen sich beide in den miteinander verfeindeten Lagern an prominenten Stellen gegenüber.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Nach dem Tod von Yuan Shikai zersplitterte China in mehrere von lokalen Kriegsherren beherrschte Teilstaaten. Sun Yat-sen versuchte 1917 und 1920, im heimatlichen Guangdong eine Basis für eine Nordexpedition zu schaffen, um China im Sinne der Drei Prinzipien des Volkes zu vereinigen. Allerdings konnten die von ihm errichteten Regierungsstrukturen kein ausreichendes militärisches Gegengewicht gegen die lokalen Kriegsherren aufbauen. Suns Aufrufe an die westlichen Mächte, ihn mit Geld und Waffen zu unterstützen, verhallten ungehört.

Es lag auf der Hand, ein Bündnis mit der ebenfalls jungen Sowjetunion einzugehen, die nach Erstem Weltkrieg und Russischem Bürgerkrieg noch schwach und international isoliert war. Dann, 1921, kam es in Guangxi zu einem Treffen Suns mit Henk Sneevliet (Pseudonym Maring), einem Vertreter der Komintern, der solch ein Bündnis anregte. Er schlug die Schaffung einer Militärakademie sowie das Training der revolutionären Streitkräfte vor, was Suns Ideen entgegenkam und von ihm rückhaltlos befürwortet wurde. Li Dazhao und Lin Boqu besprachen im Auftrag der KPCh mit Sun und seiner Partei, der KMT, die weiteren Schritte zur Schaffung dieser Akademie. Der erste Nationalkongress der Kuomintang bestätigte 1924 die Allianz mit der Sowjetunion und der KPCh als richtungsweisend für die KMT.

Dies führte schließlich zur Entscheidung, die geplante Militärakademie zu gründen. Ein Vorbereitungskomittee dafür wurde einberufen. Das für 1924 und 1925 zum Aufbau und Unterhalt nötige Geld wurde von der sowjetischen Seite bereitgestellt.

Organisation, Training, Studenten

Wassili Blücher (rechts), Befehlshaber der sowjetischen Freiwilligeneinheiten in China, zusammen mit dem Militärhelfer S. W. Schalfeew(links)
Akademiegebäude

Anfänglich hatte die Akademie nur eine Abteilung, die den Kadetten eine Grundausbildung angedeihen ließ. Das Hauptziel der Akademie war die Vorbereitung von Infantrieeinheiten, aber auch spezielle Klassen für Artillerie, Ingenieurswesen (Pionier), Kommunikation, Logistik und Maschinengewehreinheiten wurden angeboten. Später kam auch eine Abteilung für Politkommissare hinzu.

Die Akademie versammelte die revolutionären Militärtalente der damaligen Zeit. Sun übernahm ehrenhalber den Posten des Vorsitzenden der Akademie. Suns erfolgversprechender Protege Chiang Kai-shek wurde zum ersten Leiter der Akademie ernannt. Liao Zhongkai, ein berühmtes linkes KMT-Mitglied und Suns Finanzminister, wurde als Vertreter seiner Partei an die Akademie entsandt. Zhou Enlai, Hu Han-min und Wang Jingwei waren unter den Instruktoren der politischen Abteilung. He Yingqin und Ye Jianying hatten sich schon als Militärinstruktoren betätigt.

Der deutliche Mangel an Experten im Lehrpersonal war das größte Problem der Akademie. Darum genoss der von sowjetischen Offizieren abgehaltene Unterricht bei den Studenten eine außerordentlich hohe Beliebtheit. A.S. Bubnov, G.I. Gilev, M.I. Dratvin, S.N. Naumov vermittelten in ihrem Unterricht die Entwicklung der Militärgeschichte sowie die Unterschiede zwischen westlicher und sowjetischer Lehrmeinung. Galina Kolchugina (die Frau von Wassili Blücher, der Oberkommandierender aller sowjetischen Freiwilligeneinheiten in China war) gab Vorlesungen über politische Agitation.

Auch ehemalige Offiziere der Weißen Armee, die nach 1917 auf die Seite der Roten Armee gewechselt hatten, vermittelten in verschiedenen Fächern die Erfahrungen, die sie während der Russischen Revolution gesammelt hatten. Unter ihnen z.B. I. Vasilevich (Janovsky), N. Korneev, M. Nefedov, F. Kotov (Katyushin), P. Lunev, V. Akimov.

Die ersten beiden von der Akademie unterwiesenen Studentengruppen formten den Kern der beiden ersten Regimenter der Nationalen Revolutionsarmee. Sie erfuhren darin Unterstützung vom sowjetischen Militärberater V.A. Stepanov. Diese beiden Gruppen umfaßten 500 Offiziere, die dritte Gruppe 800, und die vierte Gruppe schon 2000 Offiziere.

Zu den Absolventen gehörten legendäre Kommandeure wie Lin Biao, Xu Xiangqian, Zuo Quan und Chen Geng auf seiten der Kommunisten, sowie Chen Cheng, Du Yuming, Hu Zongnan und Xue Yue auf Seiten der Kuomintang.

Für sie wurde der Krieg gegen den von Sun abtrünnigen lokalen Kriegsherren Chen Jiongming zur ersten Feuertaufe. Später konnten sie ihren Mut und ihr Können bei der Vereinigung der Provinz Guangdong unter Beweis stellen. Auch bei der Nordexpedition leisteten sie einen signifikanten Beitrag.

Einfluss

Chiang Kai-shek inspiziert Kadetten der Whampoa-Militärakademie.

Die Whampoa-Militärakademie spielte eine herausragende Rolle in der chinesischen Geschichte. Mehr noch als andere internationale Militärakademien war sie prägend für die Geschichte ihres Landes. Zum einem bildete sie als militärische Hochschule die Kommandeure für die kommenden kriegerischen Konflikte aus, in denen sich die junge Republik China behaupten musste, zum anderen nahmen später viele ihrer Absolventen und Lehrer Schlüsselpositionen in den sich neu bildenden Regierungstrukturen ein. Whampoa war der Ort, an dem sich viele zukünftige chinesische Führungspersönlichkeiten kennenlernten, politisch orientierten und in den anschließenden Feldzügen ihre ersten Lorbeeren verdienen konnten. Die Whampoa-Gruppe war Basis von Chiang Kai-sheks Machtausübung in Regierung und Partei.

Auch als die KPCh nach dem Nanchang-Aufstand 1927 ihre erste Volksbefreiungsarmee gründete, kamen die meisten ihrer Kommandeure aus Whampoa. In den folgenden zwei Jahrzehnten trainierte die KPCh ihre Armee nach Art der Whampoa-Ausbildung.

Das Motto der Akademie 'Kameradschaft' (wörtlich: 'Brüderlichkeit, Gewandtheit, Aufrichtigkeit') wurde von Sun Yat-sen während der Eröffnungsfeier verkündet.

Ironischerweise fanden sich während des Chinesischen Bürgerkriegs viele der Absolventen als Kommandeure in den verfeindeten Lagern der KMT und KPCh wieder. Sie kämpften für unterschiedliche Überzeugungen und Ideale obwohl sie an der Akademie wie Waffenbrüder zusammen studiert und gelebt hatten.

Die Akademie hatte auch einen bedeutenden Einfluss auf die Geschichte anderer asiatischer Länder. Der vierten Studentengruppe gehörten nicht nur Chinesen sondern auch Studenten anderer asiatischer Länder an. Darunter u.a. 30 Koreaner, die teilweise in China aufgewachsen waren, teilweise aber auch in Korea aktiv an der Nationalen Befreiungsbewegung von 1917 bis 1926 teilgenommen hatte und nach der Ausbildung den bewaffneten Kampf fortführen wollten. Eine weitere große Gruppe kam aus Vietnam. Sie wurde von dem im Exil lebenden Ho Chi Minh angeführt, der später die Kommunistische Partei Vietnams und den Befreiungskampf in seinem Land anführen sollte.

Standort

Das Eingangstor zur Whampoa-Militärakademie

Die ursprüngliche Whampoa-Militärakademie bestand von 1924 bis 1926; über 7000 Studenten schrieben sich während dieser sechs Semester ein.

Die Gebäude der Akademie gehörten davor zur Guangdonger Marine- und Armeeakademie.

Nach Chiang Kai-sheks Bruch mit der KPCh während der Nordexpedition, wurde die Akademie 1928, nach dem Sieg über die lokalen Kriegsherren, in die neu bestimmte Hauptstadt Nanjing übersiedelt. Während der japanischen Invasion wurde die Akademie ein weiteres Mal nach Chengdu umgezogen.

Die Gebäude am ersten Standort Huangpu wurden 1938 bei einem japanischem Luftangriff zerstört bzw. schwer beschädigt. Nach Gründung der VR China wurden sie wiederaufgebaut und stehen seit 1988 unter Denkmalschutz. Hier gibt es auch ein militärisches Trainingslager für Jugendliche.

Nach dem Sieg der Kommunisten auf dem Festland und der Errichtung der Volksrepublik China zog sich die KMT nach Taiwan zurück, wo die Akademie 1950 in Fengshan, Kaohsiung County, als Chinesische Militärakademie (jetzt R.O.C. Militärakademie) wiedereröffnet wurde.

Literatur

  • Thomas Weyrauch: Chinas unbeachtete Republik. 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte. Band 1: 1911 - 1949. Longtai, Giessen (i. e.) Heuchelheim 2009, ISBN 978-3-938946-14-5.

Verweise

Weblinks

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