Wesen (Philosophie)

Wesen (Philosophie)

Das Wesen (gr. ousia, lat. essentia, quidditas) bezeichnet die Eigenschaften, die ein bestimmtes Ding notwendig haben muss, wenn es existiert.[1]

Wesentliche Merkmale sind diejenigen, welche bei jeglicher Veränderung einer Sache gleich bleiben: nach älterer Auffassung die unterscheidenden Hauptmerkmale einer Gegebenheit (Gattung); in neuerer Sicht die Merkmale, die in einer wahren Verallgemeinerung genannt werden müssen.[2] Das Allgemeine wird in Gegensatz gestellt zum Einzelnen, dem Individuellen und den zufälligen Änderungen unterworfenen Erscheinungen.

Das Wesen der Dinge erschließt sich nach Auffassung von Platon nicht der sinnlichen Wahrnehmung, sondern nur dem theoretischen Denken. So ist in seiner Ideenlehre das Wesen eines Gegenstands gleichzusetzen mit dessen Idee.

Sofern der Begriff "Wesen" die Existenz eines unwandelbaren Kerns eines Gegenstandes voraussetzt, wird er von einigen philosophischen bzw. wissenschaftstheoretischen Positionen (z. B. der Postmoderne) als starr, metaphysisch sowie normativ überfrachtet abgelehnt. Dieser Kritik wird entgegengehalten, dass das Aufgeben eines Wesenskerns die Gefahr der Auflösung der Gegenstandsbetrachtung nach sich ziehe. Karl Popper hat für seine Position die Beschreibung "modifizierter Essentialismus" akzeptiert: immer "tiefere" Erklärungsebenen, aber keine Letztbegründung.[3]

Ein fundamental verschiedener Begriff von "wesentlich" liegt vor, wenn Max Weber im Anschluss an die Wertphilosophie des Neukantianismus von "Wesentlichem" im Sinne von Bedeutung oder Sinn spricht. Die Klärung der Fragen, was es bedeutet, wie und warum eine Kulturerscheinung so gestaltet ist, wie sie ist, setzt eine Beziehung dieser Kulturerscheinung auf Wertideen voraus.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Brody, Baruch A.: Identity and essence. Princeton Univ., Princeton, N.J. 1980, ISBN 0-691-07256-6.
  • Herbert Marcuse: The Concept of Essence.. In: Negations. Essays in Critical Theory. Boston 1968 (zuerst: Zeitschrift für Sozialforschung, Bd. V, 1936).
  • L. P. Nolan: Descartes’ theory of essences, Irvine 1997.
  • Josef Seifert: Sein und Wesen. Winter, Heidelberg 1996, ISBN 3-8253-0367-5.
  • Andreas Urs Sommer: "Wesen (Rationalismus, Empirismus, Schulphilosophie, Aufklärung)", in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter †, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel, Bd. 12: W-Z, Basel / Darmstadt 2005, S. 634 ff.
  • Alexander Wiehart-Howaldt: Essenz, Perfektion, Existenz, Stuttgart 1996.

Einzelbelege

  1. Nino Cocchiarella: On the logic of natural kinds. Philosophy of science, 43, 1976, S. 202
  2. Hans Reichenbach: Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig 1968. S. 15
  3. Karl R. Popper: Die Zielsetzung der Erfahrungswissenschaft. In: Hans Albert, (Hg.): Theorie und Realität. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1964
  4. Alexander v. Schelting: Max Webers Wissenschaftslehre. J.C.B. Mohr, Tübingen 1934. S. 224

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