Werner Munzinger

Werner Munzinger
Werner Munzinger

Werner Munzinger (* 21. April 1832 in Olten, Schweiz; † 16. November 1875 bei Awsa, Äthiopien) war ein Schweizer Afrikaforscher.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Ausbildung

Werner Munzinger war der Sohn des Bundesrates Josef Munzinger und Bruder des Kirchenrechtlers Walther Munzinger. Werner Munzinger studierte Naturwissenschaften und Geschichte an der Universität Bern, später Orientalistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Sorbonne in Paris. Für die Fortsetzung seiner orientalischen Studien ging er 1852 nach Kairo. Letztendlich soll er 25 Sprachen gesprochen haben.

Familie

Während seines Aufenthalts in Keren heiratete er 1855 Nafa, eine Einheimische, und adoptierte deren Sohn Kifle (später Kifle Bey).

Afrika

Erste Unternehmungen

1853 trat er in Alexandria in ein französisches Handelshaus ein. Als Leiter einer Handelsexpedition wurde er 1854 zum Roten Meer entsandt. Er verbrachte ein Jahr in Massawa, heute: Eritrea. Von dort aus zog er nach Keren, wo er auch seine Frau, eine Angehörige der Bilen, kennen lernte. Er nutzte die Zeit für geografische und ethnologische Studien.

Heuglin-Expedition

1859 veröffentlichte er die Schrift Über die Sitten und das Recht der Bogos , die ihn als Kenner des Landes auswies. Er wurde daraufhin als Mitglied der deutschen Expedition unter Theodor von Heuglin, die in Innerafrika nach dem verschollenen Afrikaforscher Eduard Vogel suchen sollte. Am 1. Juli 1861 traf er in Massawa mit der Expedition zusammen, trennte sich aber am 11. November im Norden Äthiopiens von ihr. Er bereiste mit Gottlob Kinzelbach das nie zuvor von Europäern betretene Land Basen und erreichte am 1. März 1862 Khartum. An Heuglins Stelle zum Leiter der Expedition ernannt, begab sich Munzinger anschließend nach Kurdufan, konnte aber Darfur und Wadai nicht erreichen. Über Massawa kehrte er nach Europa zurück. Hier verfasste er seine Reisewerke Ost-Afrikanische Studien und Die deutsche Expedition in Ostafrika sowie ein Vocabulaire de la langue Tigré.[1]

Zweiter Afrika-Aufenthalt

Ab 1864 hielt sich Munzinger wieder in der damals zum Osmanischen Reich gehörenden Hafenstadt Massawa auf, zunächst als Vertreter des Handelshauses Kohler, Nägeli & Cie. Seit Oktober 1865 verwaltete er vertretungsweise das britische Konsulat, kurz darauf auch das französische.[2] Er nahm an der Britischen Äthiopienexpedition von 1868 gegen den Neguse Negest Tewodros II. teil. Nach dem Abzug der britischen Truppen im Juni 1868 blieb Munzinger in Massawa, verwaltete dort weiterhin das französische Konsulat und wurde formell zum Vizekonsul ernannt. 1870 bereiste er die südöstlichen Küstenländer der Arabischen Halbinsel.

In ägyptischen Diensten

1871 trat Munzinger in ägyptische Dienste, das seit 1866 die Westküste des Roten Meeres vom Osmanischen Reich übernommen hatte. 1873[3] ernannte ihn Ismail Pascha, der ägyptische Khedive, zum Generalgouverneur (Pascha) des Roten Meeres und des östlichen Sudan mit dem Titel eines Bey. Das Gebiet reichte in etwa von Sawakin bis Berbera, landeinwärts bis Kassala, sowie südlich über die ganze Rote-Meer-Küste über Massawa bis Zayla. In dieser Eigenschaft baute er den Hafen aus, der als Basis für die weitere Eroberung des Landes durch Ägypten dienen sollte. Für sich erweiterte er die Residenz der obersten osmanischen Verwaltungsbeamten in Massawa, den späteren Kaiserpalast Massawa. Ebenso errichtete er eine Wasserversorgung für Massawa und die beiden Dämme, die die beiden dem Festland vorgelagerten Inseln, auf denen die Stadt liegt, Massawa und Taulud, mit dem Festland verbinden. Als ägyptischer Pascha nahm er an der Weltausstellung 1873 in Wien teil, die er mit Vertretern der wichtigsten Stämme der von ihm verwalteten Provinz besuchte.

Im Binnenland erwarb Munzinger Pascha große Ländereien und eroberte 1872 auch seinen früheren Wohnsitz, Keren, für Ägypten. Ende Oktober 1875 trat Munzinger zusammen mit dem Schweizer Gustav Adolf Haggenmacher eine Siedler- und Militär-Expedition in das unabhängige äthiopische Königreich von Shewa an, wo Munzinger – entgegen den ägyptischen Befehlen – vorhatte, in die Dienste des Königs Menelik zu treten, des späteren Kaiser Menelik II. von Abessinien. Diese Expedition hatte ägyptischerseits auch den Auftrag, das auf dem Weg liegende Afar-Sultanat Awsa formell zu annektieren. Der Sultan, der davon erfahren hatte, befahl daraufhin die Expedition zu vernichten. Es kam am 14. November bei Awsa zu einer Schlacht, bei der Werner Munzinger schwer verwundet wurde. Er starb zwei Tage später. Auch seine Frau kam dabei ums Leben.

Werke

Monografien

  • Über die Sitten und das Recht der Bogos. Winterthur 1859.
  • Ost-Afrikanische Studien. Schaffhausen 1864.
  • Die deutsche Expedition in Ostafrika. Gotha 1865.
  • Vocabulaire de la langueTigré. Leipzig 1865.

Aufsätze

  • Die Inselstadt Massua in Rothen Meer. In: Das Ausland 37 (1864), S. 1079f.
  • Die nördliche Fortsetzung der Abessinischen Hochlande; neue Forschungen in den Gebieten der Beni-Amer und Habab. In: Petermanns Geographische Mitteilungen 18 (1872), S. 201-206.
  • Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. In: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde 3 (1857), S. 177-205.
  • Die Schohos und die Beduan bei Massaua. In: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde 10 (1859), S. 89-110.
  • Ein Jagdausflug von Keren im Lande der Bogos nach dem Berge Zad’amba am oberen Laufe des Barka-Flusses. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 8 (1860), S. 141-151.
  • Brief. In: Petermanns Geographische Mitteilungen 19 (1873), S. 35f.
  • Vermischte Notizen aus Munzingers Ostafrikanischen Studien. In: Das Ausland 37 (1864), S. 1150f.

Literatur

  • Dan Connell & Tom Killion: Historical Dictionary of Eritrea. 2. Aufl. Lanham 2011, Stichwort: „Munzinger, Werner (1832-1875) “.
  • H. Barth: Auszüge aus Werner Munzinger’s Tagebuch, angefangen den 13. Juli 1861 bei der Abreise con Mocullu (Om Kullu), vollendet den 15. Oktober in Keren. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 12 (1862), S. 162-174 u. 356-363.
  • Alex Capus: Munzinger Pascha. 1997 [Roman] (ISBN 978-3-423-13076-9).
  • Ludwig Langknecht: Werner Munzinger. In: Eritrea. 2. Aufl. Heidelberg 1998, S. 76.
  • Herbert Lewandowski: Ein Leben für Afrika: Das abenteuerliche Leben von Werner Munzinger Pascha. Zürich 1954.
  • Friedrich Ratzel: Munzinger, Werner. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 50 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wörterbuch des Tigrè
  2. Abweichende zeitliche Angaben dazu bei: Dan Connell.
  3. Abweichende zeitliche Angaben dazu bei: Dan Connell.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Werner Münzinger — Werner Munzinger Werner Munzinger Nom de naissance Werner Munzinger Naissance 21 avril 1832 Olten Décès 7 novembre 1875 (à 43 ans) Awsa Nationalité …   Wikipédia en Français

  • Werner Munzinger — Nom de naissance Werner Munzinger Naissance 21 avril 1832 Olten Décès 7 novembre 1875 (à 43 ans) Awsa Nationalité …   Wikipédia en Français

  • Werner Munzinger — (Olten, Switzerland, 1832 Awsa, current Djibouti, 7 November 1875) was a Swiss administrator and explorer of Africa. He was born in Olten, and studied science and history at the University of Bern, then later took courses in Oriental studies at… …   Wikipedia

  • Munzinger — ist der Familienname folgender Personen: Ernst Munzinger (1887−1945), deutscher Offizier Josef Munzinger (1791–1855), schweizerischer Politiker Ludwig Munzinger (Jurist) († 1894), Bezirksgerichtspräsident (Straßburg?) Ludwig Munzinger senior… …   Deutsch Wikipedia

  • Munzinger — may refer to: Josef Munzinger (1791 1855), Member of the Swiss Federal Council Werner Munzinger (1832 1875), Swiss adventurer This disambiguation page lists articles associated with the same title. If an internal li …   Wikipedia

  • Werner von Grundherr zu Altenthann und Weiherhaus — (* 22. Januar 1888 in Nürnberg; † 8. November 1962 in Weißenburg in Bayern) war ein deutscher Diplomat in der Zeit des Nationalsozialismus und Botschafter der Bundesrepublik in Griechenland. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Antrag auf NSDAP… …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Wirthle — (* 23. August 1908 in Blaubeuren; † 2. August 2001 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Verleger. Leben und Leistungen Wirthle ist in Ulm aufgewachsen und wurde zunächst in Leipzig beim B. G. Teubner Verlag ausgebildet. Anschließend wechselte… …   Deutsch Wikipedia

  • Munzinger — Munzinger, Werner, Reisender und Linguist, geb. 21. April 1832 zu Olten in der Schweiz, gest. 16. Nov. 1875, studierte Naturwissenschaft, orientalische Sprachen und Geschichte in Bern, München und Paris, ging 1854 als Chef einer Handelsexpedition …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Werner Bickenbach — (* 14. April 1900 in Solingen; † 15. Juli 1974 in München) war ein deutscher Gynäkologe und Geburtshelfer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Schriften (Auswahl) 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Brinkmann — (* 10. Dezember 1946 in Hamm) ist Alleinvorstand der Stiftung Warentest in Berlin Tiergarten. Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung 2 Berufsweg 3 Sonstiges …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”