Werner Kraft

Werner Kraft

Werner Kraft (* 4. Mai 1896 in Braunschweig; † 14. Juni 1991 in Jerusalem) war ein deutsch-israelischer Bibliothekar, Literaturwissenschaftler und Schriftsteller jüdischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Werner Kraft wuchs in Hannover auf, legte das Abitur an der Leibnizschule ab und studierte in Berlin, wo er 1915 Walter Benjamin und Gershom Scholem kennenlernte. Nach dem Militärdienst in den Wahrendorffschen Anstalten im Lazarett für Kriegshysteriker und Kriegsneurotiker (heute Klinikum Wahrendorff) in Ilten bei Hannover setzte er sein Studium ab 1919 in Hamburg und Freiburg im Breisgau fort. 1920 begann er eine bibliothekarische Ausbildung, heiratete 1922 Erna Halle und arbeitete 1922 bis 1926 an der Deutschen Bücherei Leipzig. Er promovierte 1925 über das Motiv der Päpstin Johanna in der deutschen Literatur und trat 1928 eine Stelle als Bibliotheksrat bei der Vormals Königlichen und Provinzial-Bibliothek (der heutigen Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek) in seiner Heimatstadt Hannover an, wo er mit seiner Frau und zwei Kindern lebte. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde er als Jude aus dem Dienst entlassen und emigrierte 1934 nach Jerusalem, wo er bis zu seinem Tode als Schriftsteller, Lyriker und Essayist deutscher Sprache lebte. In seiner zweiten Heimat Palästina bzw. Israel blieb er dennoch, und obwohl er sich auch für die dortigen politischen und sozialen Verhältnisse interessierte, dem „deutschen Geist“ – ein Zentralbegriff seines Denkens –, der deutschen Sprache und Kultur verbunden. Er gehörte einem Freundeskreis deutsch-jüdischer Intellektueller um Martin Buber, Else Lasker-Schüler, Ludwig Strauss, Gershom Scholem und Ernst Simon an, die wie Kraft vor allem im Jerusalemer Stadtteil Rehavia wohnten.

Neben einem durchaus experimentell zu nennendem Roman, Der Wirrwarr, verfasste der Schriftsteller Werner Kraft eine Autobiographie, Spiegelung der Jugend, sowie hauptsächlich Lyrik.

Der Literaturwissenschaftler Werner Kraft beschäftigte sich – neben Goethe, zu dessen Leben und Werk er lebenslang publizierte – mit den Sprachkritikern Carl Gustav Jochmann und Karl Kraus sowie verschiedenen Vertretern der Wiener Moderne. Er verfasste weiterhin Monographien zu Rudolf Borchardt, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal und Franz Kafka.

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke

  • Wort aus der Leere. Ausgewählte Gedichte. [I.] Jerusalem: Manfred Rothschild Verlag 1937.
  • Gedichte II. Jerusalem: Selbstverlag 1938.
  • Gedichte III. Jerusalem: Palestine Literary Guild 1946.
  • Figur der Hoffnung. Ausgewählte Gedichte 1925–1953. Heidelberg: Lambert Schneider 1955.
  • Karl Kraus. Beiträge zum Verständnis seines Werkes. Salzburg: Otto Müller 1956.
  • Wort und Gedanke. Kritische Betrachtungen zur Poesie. Bern, München: Francke 1959.
  • Der Wirrwarr. Ein Roman. Frankfurt am Main: S. Fischer 1960. - Italienische Ausgabe: Il garbuglio. Un romanzo. Traduzione di Claudio Magris e Maria Donatella Ponti. Milano: Adelphi 1971.
  • Rudolf Borchardt. Welt aus Poesie und Geschichte. Hamburg: Claassen 1961.
  • Augenblicke der Dichtung. Kritische Betrachtungen. München: Kösel 1964.
  • Gespräche mit Martin Buber. München: Kösel 1966.
  • Franz Kafka. Durchdringung und Geheimnis. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1968. (Bibliothek Suhrkamp. Band 211.)
  • Rebellen des Geistes. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz : Kohlhammer 1968.
  • Zeit aus den Fugen. Aufzeichnungen. Frankfurt am Main: S. Fischer 1968.
  • Carl Gustav Jochmann und sein Kreis. Zur deutschen Geistesgeschichte zwischen Aufklärung und Vormärz. München: C. H. Beck 1972.
  • Bewältigte Gegenwart. Alte und neue Gedichte. Darmstadt: Bläschke 1973.
  • Spiegelung der Jugend. Mit einem Nachwort von Jörg Drews. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973. (Bibliothek Suhrkamp. Bd. 356.) Neuaufl.: Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verl. 1996. (Fischer Taschenbuch. 12723) ISBN 3-596-12723-8
  • Das Ja des Neinsagers. Karl Kraus und seine geistige Welt. München: edition text + kritik 1974.
  • Das sterbende Gedicht. 1972-1975. Frankfurt am Main: Corvus Verlag 1976. (Colloquium poeticum. Band 4.)
  • Der Chandos-Brief und andere Aufsätze über Hofmannsthal. Mit einer Bibliographie aller Veröffentlichungen Werner Krafts, erstellt von Manfred Schlösser. Darmstadt, Berlin: Agora Verlag 1977. (Erato-Druck. 16.)
  • Eine Handvoll Wahrheit. 1967-1974. Salzburg: Otto Müller 1977.
  • Über Gedichte und Prosa. Aufsätze zur Literatur. Frankfurt am Main: Corva Verlag. 1979. (Colloquium criticum. Bd. 1.)
  • Stefan George. Redaktion: Jörg Drews. München: edition text + kritik 1980.
  • Heine der Dichter. München: edition text + kritik 1983.
  • Diese Welt. Späte Gedichte 1976-1983. Bonn: Heusch 1984.
  • Österreichische Lyriker. Von Trakl bis Lubomirski. Aufsätze zur Literatur. Eisenstadt, Wien: Edition Roetzer 1984.
  • Erlesenes in Gedicht und Prosa. Bonn: Heusch 1985.
  • Kleinigkeiten. Bonn: Heusch 1985.
  • 36 Zeitgenossen. [Gedichte.] Bonn: Heusch 1985.
  • Goethe. Wiederholte Spiegelungen aus fünf Jahrzehnten. München: edition text + kritik 1986.
  • Wahrheitsfetzen. Aufzeichnungen 1985-1987. Bonn: Heusch 1988.
  • Herz und Geist. Gesammelte Aufsätze zur deutschen Literatur. Wien, Köln: Böhlau 1989. (Literatur und Leben. Neue Folge. Bd. 35.) ISBN 3-205-05010-X
  • Noch einmal Kafka. Bonn: Heusch 1990.
  • Sätze und Ansätze. Bonn: Heusch 1991.
  • Nichts. Letzte Gedichte. Bonn: Heusch 1996.
  • Eines schönen Tages: Gedichte und Prosa. Ausgewählt von Volker Kahmen und Friedrich Pfäfflin. Mit Bildern von Ulrich Erben. Marbach am Neckar : Deutsche Schillergesellschaft 1996. (Marbacher Magazin. 75. Beiheft)
  • Zwischen Jerusalem und Hannover. Die Briefe an Curd Ochwadt. Hrsg. von Ulrich Breden und Curd Ochwadt. Göttingen : Wallstein, 2004. ISBN 3-89244-745-4
  • Werner Kraft und Wilhelm Lehmann: Briefwechsel 1931-1968. Hrsg. von Ricarda Dick. Zwei Bände. Göttingen: Wallstein 2008. (= 89. Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.) ISBN 978-3-8353-0235-8. (Rez. FR, Rez. StZ, Rez. FAZ, Rez. SZ.)

Als Herausgeber

  • Heine. Gedicht und Gedanke. Auswahl und Nachwort von Werner Kraft. Berlin: Schocken 1936.(Bücherei des Schocken Verlags. 57.)
  • Else Lasker-Schüler. Eine Einführung in ihr Werk und eine Auswahl von Werner Kraft. Wiesbaden: Franz Steiner 1951. (Verschollene und Vergessene. 4.)
  • Karl Kraus. Eine Einführung in sein Werk und eine Auswahl von Werner Kraft. Wiesbaden: Franz Steiner 1952. (Verschollene und Vergessene. 6.)
  • Wiederfinden. Deutsche Poesie und Prosa. Eine Auswahl von Werner Kraft. Heidelberg: Lambert Schneider 1954. (Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 4.) - 2., erweiterte Aufl. 1962.
  • Ludwig Strauss: Fahrt und Erfahrung. Geschichten und Aufzeichnungen. Eingeleitet und hrsg. von Werner Kraft. Heidelberg: Lambert Schneider 1959. (Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. 18.)
  • Else Lasker-Schüler: Verse und Prosa aus dem Nachlaß. Mit einem Nachwort und Anmerkungen hrsg. von Werner Kraft. München: Kösel 1961. (Else Lasker-Schüler: Gesammelte Werke. Bd. 3.) - Neuaufl.: Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996. - Taschenbuchausgabe: München: dtv 1986.(dtv. 10648.) (Else Lasker-Schüler: Gesammelte Werke in acht Bänden. Bd. 8.)
  • Johann Gottfried Seume: Prosaschriften. Mit einer Einleitung von Werner Kraft. Köln: Melzer 1962. Neuauflage: Darmstadt: Melzer 1974.
  • Ludwig Strauss: Dichtungen und Schriften. Hrsg. von Werner Kraft. (Geleitwort von Martin Buber.) München: Kösel 1963.
  • Carl Gustav Jochmann: Die Rückschritte der Poesie und andere Schriften. Hrsg. von Werner Kraft. Frankfurt a. M.: Insel Verlag 1967. (sammlung insel. 26.)
  • Gershom Scholem: Briefe an Werner Kraft. Hrsg. [und mit einem Vorwort] von Werner Kraft. Mit einem Nachwort von Jörg Drews. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986.
  • Julien Green: Christine. Aus dem Französischen übersetzt von Werner Kraft. Bonn: Heusch 1987.

Literatur (in Auswahl)

  • Ernst Simon: Das Ja aus dem Nein. Werner Kraft zum 70. Geburtstag (4. Mai 1966). In: Simon: Entscheidung zum Judentum. Essays und Vorträge. Frankfurt am Main 1980, S. 283-292 (Zuerst in: Neue Zürcher Zeitung. Fernausgabe, 5. Mai 1966).
  • „Ich bin an meinen Punkt gebannt". Werner Kraft im Gespräch mit Jörg Drews. - München : edition text + kritik 1978.
  • "Was in mir denkt, der Ehe aus Arbeit und Gebet..." Georg Oswald Cott im Gespräch mit Werner Kraft. In: Die Horen. Jg. 35 (1990), H. 159, S. 187-198.
  • Jürgen Nieraad: Wort und Wesen. Der Schriftsteller Werner Kraft. Zu seinem 95. Geburtstage am 4. Mai 1991. In: Wirkendes Wort. Jg. 41 (1991), S. 88-101.
  • Werner Kraft, 1896–1991. Bearb. von Jörg Drews. Mit Beitr. und Texten von Thomas Blume ... Mit Briefen, Gedichten und Prosatexten von Werner Kraft sowie Auszügen aus seinen Tagebüchern, ausgewählt von Volker Kahmen. Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 1996. (Marbacher Magazin. 75) (Mit Beiheft: Eines schönen Tages.)
  • Von Hannover nach Jerusalem. Werner Kraft (1896 - 1991). Eine biographische Annäherung an seine hannoverschen Jahre. Ausstellung zum 100. Geburtstag in der Niedersächsischen Landesbibliothek, 9. Mai bis 29. Juni 1996. Begleitheft. Bearb. von Ulrich Breden. Hannover 1996.
  • Johannes Graf: Von Braunschweig nach Jerusalem. Der deutsch-jüdische Schriftsteller Werner Kraft (1896–1991). In: Gerd Biegel (Hrsg.): Braunschweigisches Landesmuseum, Informationen und Berichte 3-4/1996, S. 34-45, ISSN 0937-0994
  • Norman-Mathias Pingel: Werner Kraft. In: M. Garzmann, W. Schuegraf (Hrsg.): Braunschweiger Stadtlexikon - Ergänzungsband, Braunschweig 1996, S. 83
  • Uwe Pörksen: Der Wünschelrutengänger. Erinnerung an Werner Kraft. Stuttgart: Steiner 1997 (Abhandlungen der Klasse der Literatur, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Jg. 1997, Nr. 2).
  • Walter Helmut Fritz: Werner Kraft. In: Fritz, Walter Helmut: Was einmal im Geiste gelebt hat. Aufzeichnungen. Heidelberg: Verlag Das Wunderhorn 1999 (Edition Künstlerhaus), S. 57.
  • Jörg Drews: Kraft, Werner. In: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. Hrsg. und eingeleitet von Christoph König. Bd. 2: H–Q. Berlin, New York: de Gruyter 2003, S. 999–1001.
  • Georg Oswald Cott: Der Wortwächter am Schrein des Buches. Begegnung mit Werner Kraft. In: Braunschweigischer Kalender, Jg. 2005, S. 59-63.
  • Ulrich Breden: "Meine Anstellung war lebenslänglich und hörte 1933 auf". Werner Kraft - Bibliothekar, Dichter, Literaturkritiker in Hannover. Hameln 2008.(Lesesaal. 28). (Darin S. 54-69: Ausführliche Lebenschronik)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johannes Graf: Von Braunschweig nach Jerusalem. Der deutsch-jüdische Schriftsteller Werner Kraft (1896–1991), Braunschweig 1996, S. 44

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • KRAFT, WERNER — (1896–1991), Israeli author writing in German. Kraft was born in Brunswick, and worked in the Leipzig and Hanover State Libraries. He maintained his deep involvement with the classical and humanist German traditions, even after making his home in …   Encyclopedia of Judaism

  • Kraft (Familienname) — Kraft ist ein deutschsprachiger Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Pieper — (* 2. März 1948 in Meschede) ist ein deutscher Autor und Verleger, Psychonaut und Ex Dealer. Pieper wuchs in Dörnholthausen im Sauerland auf, heute ein Ortsteil der Stadt Sundern. Er lebt seit 30 Jahren mit seiner Lebensgefährtin Nadina Leganovic …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Mölders — Werner Mölders …   Wikipedia

  • Werner Krauß (Schauspieler) — Werner Krauß um 1920 auf einer Fotografie von Alexander Binder Werner Johannes Krauß (* 23. Juni 1884 in Gestungshausen bei Coburg; † 20. Oktober 1959 in Wien), war ein deutscher Schauspieler …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Best (NSDAP) — Werner Best (1942), Aufnahme aus dem Bundesarchiv …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Haverbeck — Werner Georg Haverbeck (* 28. Oktober 1909 in Bonn; † 18. Oktober 1999), verheiratet mit Ursula Haverbeck Wetzel (* 1928), war als SA und Waffen SS Mitglied in der „Reichsleitung“ der NSDAP aktiv. Nach 1945 studierte er Theologie und wurde… …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Georg Haverbeck — (* 28. Oktober 1909 in Bonn; † 18. Oktober 1999 in Vlotho) war ein rechtsextremer deutscher Publizist, Historiker, Volkskundler und Pfarrer der Christengemeinschaft. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Weimarer Republik …   Deutsch Wikipedia

  • Kraft Foods — Inc. Rechtsform Corporation ISIN US50075N1046 Gründung 1903 …   Deutsch Wikipedia

  • Werner Jaeger — Werner Jaeger, Lithographie von Max Liebermann (1915) Werner Wilhelm Jaeger (* 30. Juli 1888 in Lobberich; † 19. Oktober 1961 in Cambridge, Massachusetts) war einer der führenden Klassischen Philologen des zwanzigsten Jahrhunderts. Er hatte… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”