Werner Finck

Werner Finck
Werner Finck (Fotografie von Alexander Binder)

Werner Paul Walther Finck (* 2. Mai 1902 in Görlitz; † 31. Juli 1978 in München) war ein deutscher Kabarettist, Schauspieler und Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Werner Finck wurde als Sohn des Apothekers Botho Finck geboren und besuchte nach dem Gymnasium die Kunstschule in Dresden.[1] In verschiedenen Laienspielgruppen machte er erste Theatererfahrungen. Sein erstes Engagement als Schauspieler hatte er am Theater von Bunzlau, wo er über unbedeutende Nebenrollen nicht hinauskam, aber gleichzeitig sein komisches Talent entdeckt wurde.

Mit 27 Jahren kam Werner Finck 1929 nach Berlin, wo er mit Hans Deppe das Kabarett Die Katakombe gründete und leitete. 1935 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwegen gebracht, wo er unter anderem Carl von Ossietzky und Julius Leber begegnete. „Am 1. Juli 1935 wurden wir auf Anordnung Görings, der damit Goebbels offensichtlich eins auswischen wollte, von einem Tag zum anderen aus dem KZ entlassen.“ Er erhielt ein Jahr Arbeitsverbot. Ab 1937 durfte er wieder im Kabarett der Komiker auftreten, dessen Leiter Willy Schaeffers jedoch 1939 persönlich bei Goebbels den Verzicht auf politische Witze erklären musste, um das Theater zu erhalten.[2] Am 31. Januar 1939 wurde Finck aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen.[3] Um einer neuerlichen Verhaftung zu entgehen, meldete er sich 1939 freiwillig zum Kriegsdienst und wurde zum Funker ausgebildet. Als Soldat war er in Frankreich, in der Sowjetunion und Italien und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse (EK II) und die Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42, von Finck als „Gefrierfleischorden“ bezeichnet.[4] Werner Finck genoss nach eigener Darstellung als Soldat die Protektion regimekritischer Offiziere, die die von Goebbels gewünschte Entlassung aus der Wehrmacht und Überstellung an die Gestapo verhinderten, und trat in Unterhaltungsprogrammen auf.[5]

1945 kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er gründete die Zeitschrift Die Fieberkurve (für verletzte deutsche Kriegsgefangene) und hatte im Lager Aibling (Oberbayern) Auftritte vor Kriegsgefangenen.

Von 1945 bis 1949 gab er zusammen mit Hans Bayer in Stuttgart Das Wespennest, die erste deutsche satirische Zeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg heraus.[6]

1946 trat Werner Finck im Schmunzelkolleg (München) auf und gründete „Die Schmunzelpartei“. Er gründete bzw. leitete die Kabaretts Nebelhorn in Zürich (1947) und Mausefalle in Stuttgart (1948), wo er erstmals seine Erinnerungen in ein Programm fasste (Kritik der reinen Unvernunft).

1950 erfolgte in der Berliner Taberna academica die Gründung der Partei Radikale Mitte, die mit Parolen wie „Gegen Kompromisslosigkeit“, „Für Aufrüstung der Toleranz“, einer Sicherheitsnadel als Parteiabzeichen und einem weißen Tischtuch als Fahne gegen den „Ernst der Zeit“ (Adenauer) der deutschen Nachkriegspolitik antrat.[7] Drei Jahre später gründeten Werner Finck und der Karikaturist Mirko Szewczuk die Karl-Friedrich-Flögel-Gesellschaft in Erinnerung an Karl Friedrich Flögel, der Ende des 18. Jahrhunderts eine Geschichte des Grotesk-Komischen verfasst hatte.[8] 1962 wurde er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.[1] 1964 folgte Fincks Programm Bewältigte Befangenheit in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. In zahlreichen Spielfilmen besetzte er Nebenrollen. 1972 erschien seine Autobiografie Alter Narr – was nun? Im selben Jahr trat er in der Rolle des Gregor in Rainer Werner Fassbinders fünfteiliger Familienserie Acht Stunden sind kein Tag auf.

Sein Leichnam wurde auf dem Waldfriedhof in München/Neuer Teil im Grab Nr. 475-UW-8 beigesetzt.[9]

Bedeutung

Werner Finck war ursprünglich kein politischer Kabarettist. „Ich bin ein eingefleischter Individualist. Das ist das ganze Problem.“ Erst mit der Katakombe „trat etwas in mein Leben, was ich vorher nicht gekannt hatte: Die Politik. […] Man hat seine Witze von links nach rechts verteilt. […] Man bekam Angst. […] Wenn ich damals gewußt hätte, was man heute weiß: daß das alles nur Mitläufer waren. […] Manche haben sich so gut getarnt, daß sie Gauführer wurden. […] Es gibt also Leute, die behaupten heute, ich wäre gegen die Nazis gewesen. Ich möchte also gleich betonen: Das sind Verleumdungen. Ich denke ja weiter. […] Was ich natürlich zugeben muß, ist etwas anderes: Die Nazis waren gegen mich.“[10]

Werner Finck ist letztlich durch die politische Situation während der Zeit des Nationalsozialismus zu dem bedeutenden Kabarettisten geworden, als der er noch heute bekannt ist. In dieser Zeit perfektionierte er in dem Wunsch, sich den Kopf nicht verbieten zu lassen, ihn aber auch nicht zu verlieren, seine Technik der nicht zu Ende gesprochenen Sätze und Doppeldeutigkeiten und des entlarvenden Wortwörtlichnehmens. „Kommen Sie mit? Oder muß ich mitkommen?“ fragte er die Gestapo-Beamten, die sich in seinen Programmen Notizen machten.

Bertolt Brecht widmete ihm 1947 das Gedicht Eulenspiegel überlebt den Krieg.

Auch in der Bundesrepublik sorgte er für Unwillen, zum Beispiel bei der CSU („Das christliche Bayern kann nur empört sein.“).[11]

Werner Finck ist ein Stern im Walk of Fame des Kabaretts gewidmet.

Zitate

  • „Es gibt manche, die haben sich derartig getarnt, dass sie also vor lauter Tarnung Gauführer wurden.“[12]
  • „Es ist ja eine Ironie des Schicksals, dass gerade in dem Lande, wo am meisten Heil gerufen worden ist, so wenig heil geblieben ist.“[12]
  • „Bei meinem Eintritt sprang ein baumlanger SS-Mann auf mich zu und fragte: ‚Haben Sie Waffen?‘
    ‚Wieso?‘ fragte ich. ‚Braucht man hier welche?‘“[13]
  • „Macht euch keine Sorgen, Jungens! Jetzt haben wir sechs Jahre Krieg hinter uns gebracht – da werden wir die paar Friedensjahre auch noch überstehen!“[14]
  • „Bitte um Entschuldigung für meine abgehackten Sätze, für das Durcheinander. […] Ich könnte noch mehr Gehacktes liefern. […] Das hab ich mir damals angewöhnt in der schrecklichen Zeit des Dritten Reiches. Wenn ein Gauleiter mit mir sprach, dann sagte ich erst mal einen halben Satz und wartete, wie das wirkt bei ihm. Dann konnte ich das Ende immer noch reparieren. […] Auf diese Weise ist mir manches erhalten geblieben, was ich heute noch gut gebrauchen kann.“ (Der Redner zeigt dabei auf seinen Hals.)[15]
  • „Ich beneide immer alle Leute, die fließend sprechen, also flüssig, wie unsere Politiker, meistens sogar überflüssig. Aber ich kann eben nicht so schnell sprechen. […] Ich muss so oft über das nachdenken, was ich sage. Das hält natürlich kolossal auf.“[15]
  • „Sie irren sich! Ich sehe bloß so intelligent aus!“ (zu einem Kabarettbesucher, der eine Pointe mit dem Zwischenruf „Judenbengel!“ quittierte)
  • „Nie habe ich einen Menschen so guter Dinge in so mieser Lage gesehen.“ (Friedrich Luft)
  • Finck fragte einmal einen anwesenden Spitzel leutselig: „Spreche ich zu schnell? Kommen Sie mit? Oder […] muß ich mitkommen?“[16]
  • „Ich stehe hinter jedem, bei dem ich nicht sitzen muß, wenn ich nicht hinter ihm stehe.“ (zu seiner Ablehnung des dritten Reiches).
  • „Gestern hatten wir zu, heute haben wir offen, wenn wir morgen zu offen sind, dann haben wir übermorgen wieder zu.“ (Während des dritten Reiches und des zeitweisen Auftrittverbots und Schließung des Kabaretts der Komiker).

Filmografie

Werner Finck wirkte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen Filmen mit. Er spielte vor allem Nebenrollen und hatte oft nur kurze Auftritte, unter anderem in folgenden Streifen:

Buchveröffentlichungen

  • Das Kautschbrevier. Herbig, Berlin 1938/1947(?)
  • Kavaliere, Käuze, Kerle: Ein Kabarettbuch. Siegel, Frankfurt a.M. 1947.
  • Aus der Schublade: Bekanntes und weniger Bekanntes. Herbig, Berlin 1948.
  • Orpheus in der Unterwelt (mit Wilhelm Meissner-Ruland). Steegemann, Berlin 1949.
  • Witz als Schicksal, Schicksal als Witz: Ein deutsches Bilderbuch zu Nutz und Frommen, Punkt (mit Klaus Budzinski). v. Schröder, Hamburg 1966.
  • Werner Finck in Amerika. Scherz, Bern, München, Wien 1966
  • Finckenschläge. Herbig, Berlin 1953. (Rastatt 1981, ISBN 3-8118-4804-6), (Reinbek 1978, ISBN 3-499-11832-7)
  • Alter Narr – was nun? Die Geschichte meiner Zeit. Herbig, München, Berlin 1972. ISBN 3-7766-0589-8. (München 1975, ISBN 3-423-01044-4), (Frankfurt/M., Berlin 1992, ISBN 3-548-22997-2)
  • Zwischen den „Stühlen“. Hyperion, Freiburg (im Breisgau) 1973.
  • Übrigens viel Spaß. Satiren aus aller Welt (Vorwort). Fackelträger, Hannover 1973. ISBN 3-7716-1353-1
  • Der brave Soldat Finck. Herbig, München, Berlin 1975, ISBN 3-7766-0723-8
  • Zwischendurch. Ernste Versuche mit dem Heiteren. Herbig, München, Berlin 1975. ISBN 3-7766-0734-3. (Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-596-21845-4)
  • Stich-Worte: zum Vor-, Nach- und Zuschlagen. Herbig, München, Berlin 1982. ISBN 3-7766-1199-5
  • Spaßvogel – Vogelfrei, Berlin, 1991. ISBN 3-548-22923-9

Literatur über Werner Finck

Tonträger

  • Werner Finck spricht Werner Finck. DECCA DSF 13507 „Wort und Stimme“ (Schallplatte)
  • Phantasie in Doll und andere Finckenschläge. Teldec, Hamburg 1960 (Schallplatte)
  • Der Brave Soldat schweigt. Polydor HI-FI 46595 (Schallplatte)
  • Sein Kampf: bewältigte Vergangenheit. Dt. Grammophon, Hamburg 1964, (Schallplatte)
  • Am besten nichts Neues: Live-Mitschnitt eines Werner Finck-Soloabends im Österreichischen Fernsehen. Amadeo, Wien 1969, (Schallplatte)
  • Werner Finck: ein Porträt (von Karin Köbernick). hrMedia, Frankfurt am Main 2001, 1 CD, ISBN 3-89844-215-2
  • Aufgehobene Rechte: Kabarett aus der Katakombe; aus dem Nachlaß Werner Fincks in der Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e.V.. Patmos, Düsseldorf 2002, 1 CD, ISBN 3-491-91114-1
  • Alter Narr – was nun?. Herbig, München 2002, 1 CD, ISBN 3-7844-4008-8

Filmdokumentationen

  • Genie und Narr: Werner Finck. Deutsche TV-Dokumentation von Jürgen Miermeister. Erstausstrahlung: 2. Mai 2002, ca. 45 Minuten
  • Heil Hitler, das Schwein ist tot! - Humor unterm Hakenkreuz. Deutsche TV-Dokumentation von Rudolph Herzog. 2006, ca. 45 Minuten

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1958 - Kabarettistenring (vom Vorgänger Willy Schaeffers)
  • 1966 - Schwabinger Kunstpreis [1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche who's who. XV. Ausgabe von Degeners wer ist's?, Berlin 1967, S. 440.
  2. Joseph Goebbels: Tagebücher, Band 3; München 2003; ISBN 3-492-21413-4; S. 1304 f. zum 1. und 3. Februar 1939
  3. Schäffner, Lothar: Das Kabarett, der Spiegel des politischen Geschehens, Diss. Kiel, 1969, S. 68
  4. Witz als Schicksal, Schicksal als Witz; S. 76, 117 f.
  5. Witz als Schicksal, Schicksal als Witz; S. 76 ff.
  6. DER SPIEGEL 41/1949, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44438529.html
  7. Witz als Schicksal, Schicksal als Witz; S. 95 ff.
  8. Eine Fürstin im Narrenkäfig. Auf der Seite des Aachener Karnevalsvereins.
  9. knerger.de: Das Grab von Werner Finck
  10. Kritik der reinen Unvernunft, 1947
  11. Witz als Schicksal, Schicksal als Witz; S. 112
  12. a b Programm Kritik der reinen Unvernunft, aufgenommen in der Stuttgarter Mausefalle 1947 und in: Zwischendurch. Ernste Versuche mit dem Heiteren; Fischer TBV, München, Frankfurt 1977; ISBN 3-436-02502-X; S. 79 ff.
  13. Werner Finck: Alter Narr – was nun? dtv, München 1975; S. 63
  14. Witz als Schicksal, Schicksal als Witz; S. 83
  15. a b Alter Narr, was nun? CD. Geschichte meiner Zeit. Live-Mitschnitt; 1972; ISBN 3-7844-4008-8
  16. Werner Finck: Spaßvogel; S. 67–68

Siehe auch


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