Wera Nikolajewna Figner

Wera Nikolajewna Figner
Wera Figner in den 1870er-Jahren

Wera Nikolajewna Figner (russisch Вера Николаевна Фигнер, durch Heirat 1870 Филиппова/Filippowa; * 25. Junijul./ 7. Juli 1852greg. in Christoforowka bei Kasan; † 15. Juni 1942 in Moskau) war eine russische Revolutionärin und Volkstümlerin.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Als Tochter eines russischen Adligen wurde sie anfangs von Hauslehrern unterrichtet und lebte von 1863 bis 1869 im staatlichen Mädchenpensionat Kasan. In „Nacht über Russland“ erläuterte sie, wie sie von Aufsätzen der Utilitaristen geprägt wurde, die als Ziel eines jeden Menschen empfahlen, „das größtmögliche Glück einer möglichst großen Anzahl Menschen zu verschaffen“. Ab 1872 studierte sie drei Jahre Medizin an der Universität Zürich. Sie schloss sich einem Kreis russischer Studentinnen an (Frichi), las Ferdinand Lassalle, Bücher über die Theorien der französischen Sozialisten und über die Arbeiterbewegung. Zurück in Sankt Petersburg verband sie sich mit der illegalen Gesellschaft Land und Freiheit (Semlja i wolja) mit dem Ziel, die Revolution ins Volk zu tragen (Narodniki).

Sie übernahm ein Landkrankenhaus in Saratow und agitierte nebenbei die Bauern auf Leseabenden. 1879 verließ sie wegen Denunziationen die Gegend und war nach der Spaltung von Land und Freiheit Mitglied des Exekutivkomitees der Organisation Narodnaja Wolja (Volkswille), die die Aufnahme des Kampfes um die politische Macht im Zarenreich begann. Wegen Beteiligung an der Planung von Attentaten auf den Zaren Alexander II., von denen eins am 1.jul./ 13. März 1881greg. in Sankt Petersburg am Gribojedow-Kanal, dem Ort der späteren Auferstehungskirche, zum Erfolg führte, wurde sie am 10.jul./ 22. Februar 1883greg. in Charkow als letztes Mitglied des Exekutivkomitees der Narodnaja Wolja verhaftet.

Zwanzig Monate verbrachte sie in Untersuchungshaft in der Peter-und-Paul-Festung. Im Prozess der Vierzehn 1884 zum Tode verurteilt, wurde ihre Strafe in lebenslänglich umgewandelt und in den folgenden zwanzig Jahren in Schlüsselburg, auf der Insel der Toten, vollstreckt.

Leben nach Schlüsselburg

Grab Figners auf dem Nowodewitschi-Friedhof (Moskau)

Am 29. September 1904 entlassen, verbannte man sie in die Oblast Archangelsk, wo sie bis zum Winter inhaftiert blieb. Sie zog später nach Kasan und Weihnachten 1905 weiter zu ihrer Schwester Jewgenija Saschina nach Nischni Nowgorod.

Im Zuge der Revolution und dem vom Zar Nikolaus II. erlassenen Oktobermanifest erhielt Vera Figner einen Auslandsreisepass, mit dem sie im November 1906 nach Finnland fuhr, das damals ein autonomer Teil des Zarenreiches war. Sie schloss sich den Sozialrevolutionären an und gründete 1910 in Paris ein Komitee zur Unterstützung politischer Gefangener in Russland. Nach den Vorgängen um den Leiter der terroristischen Gruppe der Sozialrevolutionäre, Jewno Asef, der zugleich Spitzel der Ochrana war, zog sie sich aus der Partei zurück. Bis Januar 1915 lebte sie in Clarens am Genfersee (Schweiz).

Zum Beginn des Ersten Weltkrieges kehrte sie nach Russland zurück und wohnte erneut unter Polizeiaufsicht in Nischni Nowgorod, bevor sie im Dezember 1916 die Erlaubnis bekam, sich in Sankt Petersburg niederzulassen. Nach der Februarrevolution 1917 amnestiert, leitete sie das Komitee zur Hilfeleistung für befreite Sträflinge und Verbannte, das 2 Mio Rubel an ca. 4.000 Menschen verteilte. Sie war Mitglied der Konstituante, die am 5. Januar 1918 von Lenin aufgelöst wurde.

Während des Russischen Bürgerkrieges lebte Wera Figner bei Verwandten in der Oblast Orjol. Zurückgekehrt nach Moskau, wurde sie 1921 Vorsitzende des Komitees zur Ehrung Kropotkins, das ein Museum in Kropotkins Geburtshaus (Kropotkingasse Nr. 26) einrichtete. Bis zu ihrem Tod 1942 reiste sie mehrmals nach Kasan, um soziale und kulturelle Einrichtungen zu unterstützen.

Werke

  • Die Gefangenen von Schlüsselburg, 1920
  • Nacht über Russland (deutsch Berlin, Malik 1928; redigierter Nachdruck: Berlin Volk und Welt, 1985)
  • Studienjahre
  • Nach Schlüsselburg
  • Alexander Michailow zusammen mit Anna Korba, 1925
  • Das Attentat auf den Zaren Alexander II. Deutsch Berlin 1926. - Nachdruck: Königstein/München AutorenEdition, 1981

Literatur

  • Walther Schmieding: Aufstand der Töchter: russische Revolutionärinnen im 19. Jahrhundert München Kindler, 1979, ISBN 3-463-00765-7
  • Gudrun Goes (Hrsg.): Nicht Narren, nicht Heilige. Erinnerungen russischer Volkstümler. Reclam-Verlag, Leipzig 1984.

Weblinks

 Commons: Vera Figner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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