Weltwirtschaft

Weltwirtschaft

Die Weltwirtschaft ist die Gesamtheit der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die die Grenze der Volkswirtschaft sprengt. Sie stellt eine weltweite Integration verschiedener Teilmärkte (Rohstoff- und Gütermarkt, Finanzmarkt, Arbeitsmarkt und Informationsmarkt) dar. Die Weltwirtschaft hat sich im 19. Jahrhundert bedingt durch die Industrialisierung gebildet und war stark abhängig von der Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung, des Verkehrs und der Kommunikation.

Reales Wachstum der Weltwirtschaft von 1950-2006, Prognose von 2007 bis 2012 (schwarze Linie: 5-jährlicher laufender Durchschnitt)

Die Bestandteile der Weltwirtschaft haben sich im 19. und 20. Jahrhundert qualitativ und quantitativ verändert. Der Begriff 'bipolare Weltwirtschaft' hebt dabei, angewandt auf das 19. Jahrhundert, die Bedeutung von Europa und Nordamerika und für das 20. Jahrhundert die der Pole der westlichen Industrienationen einerseits und des RGW andererseits hervor. 'Tripolare Weltwirtschaft' bezieht einen dritten Pol Ostasien ein, bzw. seit den 1990er Jahren die Kernzonen Nordamerika – Europa – Ostasien.

Die Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft sind unter anderem WTO-Verträge, Zoll- und Währungsabkommen, Europäische Zahlungsunion, GATT und OEEC.

Der Welthandel wird von den Industrienationen dominiert, insbesondere durch die Europäische Union mit einem Anteil von mehr als einem Drittel. Der gesamte afrikanische Kontinent (ohne Nahost) erreicht hingegen einen Anteil von gerade 2 bis 3 Prozent. Eine zunehmende Rolle im weltwirtschaftlichen Austausch vor allem bei den Billigwaren nehmen die so genannten Emerging markets ein – allen voran die Volksrepublik China, aber auch die sog. Tigerstaaten.

Der Faire Handel wird verstanden als alternatives Konzept eines weltweiten Handels auf partnerschaftlicher und sozialethischer Basis mit Produzenten, die im Welthandel durch die vorherrschende Weltwirtschaftsordnung benachteiligt werden. Wesentliches Prinzip des Fairen Handels ist die Nachhaltigkeit.

Die heutige Situation der Weltwirtschaft wird allgemein als globalisierte Wirtschaft bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Schon die Wirtschaftsräume des Altertums waren durch vielfältige Handelsrouten, die so genannte Seidenstraße, mit einander verbunden, und im Zeitalter der Kreuzzüge verstärkte sich dieser Austausch erheblich, insbesondere zwischen dem arabischen und dem europäischen Raum. Auch das Mongolische Reich trug zum ost-westlichen Austausch bei, doch erst im Laufe der europäischen Expansion tragen die Wirtschaftsbeziehungen weit entfernter Wirtschaftsräume entscheidend zur Kapitalakkumulation eines Raumes bei. Zunächst schafften die Konquistadoren recht einseitig Reichtümer aus den neu entdeckten und eroberten Gebieten nach Europa. Doch im Zuge der Industriellen Revolution kam es dann zu einem Warenaustausch dieser weit voneinander entfernten Wirtschaftsräume, der den Produktionsaufwand für beide Seiten herabsetzt.[1] Aufgrund dieser praktischen Erfahrung wird der Merkantilismus als ökonomische Theorie ganz aufgegeben und mehr und mehr durch die Freihandelstheorie ersetzt. Erst in dieser Phase entsteht eine Weltwirtschaft im modernen Sinne.

Zwischen 1800 und 1913 nahm der Welthandel auf das 25-Fache zu und wuchs damit noch stärker als die Weltproduktion.[2] Das war zum einen auf sinkende Frachtraten, zum anderen auf Zollreduktionen zurückzuführen, bei denen Großbritannien beispielgebend vorausgegangen war. Freilich reduzierten nicht alle Staaten freiwillig die Zölle. Indien tat es nur, weil es Teil des British Empire war. China und das Osmanische Reich wurden im Zuge von Kreditverhandlungen dazu verpflichtet.[3] Der Trend zur Handelsausweitung wurde auch dadurch nicht gebrochen, dass ab 1870 eine Reihe europäischer Staaten zur Schutzzollpolitik überging.

Nach der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Spaltung des Weltmarktes zwischen den verfeindeten Kriegsparteien erlangte die Weltwirtschaft den 1913/14 erreichten Integrationsgrad nicht wieder und im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 brach der Welthandel sogar auf unter 50% seines früheren Niveaus ein. Großbritannien, Frankreich und Japan bauten mit ihren Kolonien Großwirtschaftsräume auf, Deutschland versuchte ab 1933 osteuropäische Staaten durch bilaterale Verträge an sich zu binden.[4]

Nach 1945 wurde im Zuge des Marshallplans eine stark kooperierende west- und mitteleuropäische Wirtschaft aufgebaut, die über das Bretton-Woods-System in einen Verbund von 40 Staaten durch feste Wechselkurse verbunden war. Die wirtschaftliche Spaltung verlief jetzt zwischen West- und Ostblock. Doch in den 70er Jahren geriet dieses System durch zwei Entwicklungen in die Krise: zum einen durch stärkere Automatisierung und die parallele Verlagerung von Arbeitsplätzen des ersten und zweiten Sektors in Ländern mit billigeren Arbeitskräften, zum andern durch die gestiegene Macht der OPEC-Länder und die dadurch erzwungene Ölpreiserhöhung (Ölkrise)[5]. Der daraus resultierende Anstieg von Warenbewegungen sowie der Ölpreisanstieg führte zu einer Vervierfachung des Welthandels und die daraus sich ergebenden Investitionen zu einer Versechsfachung der Auslandsinvestitionen.[6]

Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der sich daraus ergebenden enormen Ausweitung des marktgesteuerten Wirtschaftsraumes setzte sich Deregulierung, wie sie im Washington Consensus von 1990 festgelegt wurde, weltweit durch. Schon 2005 überschritt der Welthandel die Grenze von einer Billion Dollar[7], doch seine enorme Steigerung wurde bei weitem übertroffen von den Finanztransaktionen, denen kein Warenaustausch zugrunde lag. Trotz unterschiedlicher Berechnungen besteht Einigkeit darüber, dass der Warenaustausch zu Beginn der Finanzkrise 2007 weniger als 10% der Finanztransaktionen ausmachte.

Die Finanzkrise führte zu einer deutlichen Stärkung des wirtschaftlichen Gewichts der asiatischen Länder, die weniger in Spekulationspapiere investiert hatten. Wie sich die Krise mittelfristig weltwirtschaftlich auswirken wird, ist aber noch nicht zu übersehen.

Einzelbelege

  1. Eine wesentliche Voraussetzung dafür waren sinkende Transportkosten, die einerseits durch die Industrielle Revolution ermöglicht wurden, andererseits sie vorantrieben.
  2. Osterhammel, Jürgen; Peterson, Niels: Geschichte der Globalisierung, München 2003, S.61
  3. vgl. Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bonn 2009, S.228
  4. vgl. Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bonn 2009, S.231
  5. "In den 70er-Jahren geriet dieses System in eine Krise, die sich anschaulich an der Einschränkung der Erdölversorgung 1973 festmachen ließ." Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bonn 2009, S.233, vgl. auch S.234
  6. "zwischen 1970 und 1990 wurden die Weltindustrieproduktion verdoppelt, der Welthandel vervierfacht und die Auslandsinvestitionen versechsfacht" Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bonn 2009, S.235
  7. vgl. Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bonn 2009, S.235

Siehe auch

Literatur

  • Wolfram Fischer: Expansion – Integration – Globalisierung. Studien zur Geschichte der Weltwirtschaft, Göttingen 1998, ISBN 3-525-35788-5
  • Pankaj Ghemawat: Mythos und Realität der Globalisierung In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 18. Juli 2011, Seite 10.
  • Hans Pohl: Aufbruch der Weltwirtschaft, Stuttgart 1989, ISBN 3-515-05105-8

Weblinks


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