Weltjudentum

Weltjudentum

Der Begriff „Weltjudentum“ kennzeichnet eine antisemitische Verschwörungstheorie, nach der ein fiktives Kollektiv, „die Juden“ bzw. das Judentum, die Weltherrschaft anstreben oder besitzen sollen. Verwandt sind Ausdrücke wie jüdische Weltverschwörung[1] oder jüdische Weltbeherrschung, jüdische Internationale[2], internationales (Finanz-)Judentum[3] und der internationale Jude. Sinngemäß verwendet werden heute auch Ausdrücke wie Zionist Occupied Government, zionistische Völkermordzentrale[4], Israellobby[5], (US-) Ostküste[6] und ähnliche.

Ähnliche Verschwörungsthesen waren schon im Antijudaismus des Hochmittelalters bekannt und wurden im neuzeitlichen Antisemitismus weiter überliefert. Für den Nationalsozialismus war das „Weltjudentum“ der „Weltfeind“[7], dessen unabänderlichen Vernichtungsplänen die „arische Herrenrasse“ mit allen Mitteln entgegentreten müsse, um selbst zu überleben. Der Begriff diente den Nationalsozialisten zur Rechtfertigung des Holocaust und des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalterliche Vorläufer

Um 1150 verfasste der englische Mönch Thomas von Monmouth die erste mittelalterliche Ritualmordlegende: Er behauptete, Juden hätten den Knaben William von Norwich, der 1144 tot aufgefunden worden war, von Christen gekauft, am damaligen Karfreitag gefoltert, gekreuzigt und heimlich zu beerdigen versucht, doch sei das Verbrechen durch Wundertaten des getöteten Opfers aufgedeckt worden. Ferner behauptete er, ein bekehrter Juden habe ihm von einem jährlichen Geheimtreffen von Rabbinern und anderen führenden Juden Spaniens in Narbonne berichtet: Dabei würden diese durch ein Losverfahren ein christliches Ritualmordopfer für das Folgejahr auswählen, „da sie ohne menschliches Blut weder Freiheit erlangen noch dereinst in das Land ihrer Väter zurückkehren können.“ Diese Verschwörungsthese wurde auch von Thomas von Cantimpré überliefert und diente dazu, frühere Pogrome gegen Juden zu rechtfertigen und für Einnahmen von christlichen Pilgern einen Märtyrerkult in Norwich zu begründen.

Bei der großen Pestpandemie 1347-1353 schrieben spanische und südfranzösische Flugschriften den vielfach in Ghettos konzentrierten Judengemeinden Europas eine heimlich verabredete Brunnenvergiftung zur Ausrottung der Christen zu. Dies löste eine schwere Pogromwelle in ganz Europa mit hunderttausenden jüdischen Opfern aus.

Dieses Motiv einer heimlichen Verabredung einflussreicher Juden gegen alle Christen blieb im europäischen Antijudaismus präsent und gilt als eine historische Wurzel der Verschwörungstheorie vom Weltjudentum.[8]

Neuzeitlicher Antisemitismus

Frankreich

Infolge der Französischen Revolution 1789 schufen Angehörige der damals entmachteten Schichten, vor allem adelige Anhänger der Bourbonen und einer Restauration des katholischen Ständestaates, eine Reihe von Verschwörungsthesen. Der Jesuit Augustin Barruel behauptete 1797 ein Komplott der Freimaurer, die er mit den Aufklärungsphilosophen und Jakobinern gleichsetzte, gegen das Christentum.

1791 erhielten die französischen Juden die vollen Staatsbürgerrechte. Daher galten auch sie Gegnern der Revolution nun als deren Nutznießer und mögliche Drahtzieher. Diese Sicht verstärkte sich, als Napoléon Bonaparte sich für die Religions- und Organisationsfreiheit der Juden auch in allen von Frankreich besetzten Gebieten einsetzte und am 23. August 1806 dazu einen neuen jüdischen Hohen Rat (Sanhedrin) einberief.

Im selben Jahr erschien der sogenannte Simonini-Brief, dessen Autor behauptete, er habe als italienischer Offizier jüdischer Abstammung von Intrigen habgieriger Juden gegen die Christen Europas erfahren. Barruel habe ein geheimes Bündnis der Juden mit Jakobinern, Freimaurern und Illuminaten übersehen, um von Frankreich aus die Christen auszulöschen und eine jüdische Weltherrschaft aufzubauen. Ähnliche Thesen vertrat damals auch Louis-Gabriel-Ambroise de Bonald in seinem Artikel Sur les juifs. Dass die meisten Freimaurerlogen Juden ausgeschlossen hatten und der antijüdische Illuminatenorden 1784 verboten und daraufhin aufgelöst worden war, änderte daran nichts.[9]

1846 veröffentlichte Alphonse Toussenel in Paris den Traktat Les Juifs, rois de l'epoque („Die Juden, Könige der Epoche“), der bald in viele Sprachen übersetzt wurde. 1869 erschien in Paris das Pamphlet Le juif, le judaïsme et la judaisation des peuples chrétiens („Die Juden, der Judaismus und die Judaisierung der christlichen Völker“) von Roger Gougenot des Mousseaux, das im Blick auf die Damaskusaffäre von 1840 die antijüdische Ritualmordlegende propagierte. Papst Pius IX. verlieh dem Autor für das Buch einen hohen kirchlichen Orden. Es erlebte mehrere Neuauflagen, diente als Vorlage für weitere antisemitische Pamphlete wie August Rohlings Bestseller Der Talmudjude (1871) und Albert Monniots Le crime rituel chez les juifs (Paris 1914) und wurde 1921 von Alfred Rosenberg ins Deutsche übersetzt (Der Jude, das Judentum und die Verjudung der christlichen Völker).[10]

1878 veröffentlichte die antisemitische Zeitschrift Le Contemporain einen angeblichen Brief Barruels von 1806: Ein italienischer Offizier habe ihn auf eine Verschwörung der Juden aufmerksam gemacht, die den Illuminatenorden kontrollierten. Er habe daraufhin seinen fertigen fünften Band zu Verschwörungen der Juden unveröffentlicht gelassen, um kein Pogrom auszulösen. Das sollte das Fehlen der Juden in seinen Verschwörungstheorien plausibel machen und dem Simoninibrief nachträglich mehr Reputation verleihen.

Édouard Drumont (1844-1917) verfasste 1880 La France juive, das oft neu aufgelegte Grundlagenwerk des modernen Antisemitismus in Frankreich.

Italien

1775 hatte Papst Pius VI. ein Edikt über die Juden erlassen, das sämtliche judenfeindlichen Gesetze des Mittelalters sammelte und für die Juden im Ghetto des Kirchenstaates in Rom bekräftigte. 1797 wurden diese Judengesetze im Zuge der militärischen Besetzung Roms durch französische Truppen aufgehoben. Daraufhin ersetzten Vatikantheologen die frühere Idee einer päpstlichen Schutzpflicht für die Juden immer mehr durch die Annahme, die Christen vor dem angeblichen zunehmenden und verderblichen Einfluss der Juden schützen und die Jüdische Emanzipation abwehren zu müssen.

1814 kehrte der von Napoleon gefangengenommene Papst Pius VII. aus dem französischen Exil in den Kirchenstaat zurück. Der konservative Katholik und spätere Kardinal Giuseppe Antonio Sala übergab ihm dort einen Reformplan, der vorsah, die rechtliche Gleichstellung der italienischen Juden wieder aufzuheben, und dies mit dem angeblichen Machtstreben aller Juden begründete: Sie hätten die für sie günstige Säkularisierung in Europa ausgenutzt, um im Schutz von Aufklärungsideen und mit diesen „infizierten“ Herrschern „ihr Joch abzuwerfen“ und „ihren Aberglauben auszuüben“. Als „unermüdliche Verfertiger von Betrug und Täuschung“ trachteten sie nach Wiederherstellung ihres Reiches Juda und Wiederaufbau ihres Tempels, um Jesu Prophezeiung der Tempelzerstörung Lügen zu strafen, so das Christentum zu entmachten und sich kirchliche Besitztümer anzueignen. Dem müsse der Papst wenigstens im eigenen Herrschaftsbereich einen Riegel vorschieben.[11]

Salas Artikel blieb zunächst folgenlos. Doch im September 1825 forderte Francesco Ferdinando Jalabot, später Meister des Dominikanerordens, im 1823 neugegründeten Giornale ecclisiastico di Roma erneut die Ghettoisierung der italienischen Juden und strikte Anwendung aller früheren Judengesetze, um sie zum Übertritt zum Christentum zu bewegen. Nur dann seien sie als gleichberechtigte Bürger in die christliche Gesellschaft aufzunehmen. Ihre schlechten kollektiven Eigenschaften hätten im Geschichtslauf ständig Unruhen und Verbrechen an Christen erzeugt. Ihre Unterdrückung sei notwendige Folge des Fluchs, den sie durch den Gottesmord auf sich gezogen hätten. Andernfalls würden sie aufgrund ihres verdorbenen Volkscharakters unweigerlich die Christen unterjochen. Papst Leo XII. widersprach diesem Pamphlet nicht, sondern gab es eventuell als Kardinal selbst in Auftrag.[12]

Seit 1890 propagierten fast alle katholischen Zeitungen Italiens, darunter der vatikanische Osservatore Romano[13], kampagnenartig die angebliche jüdische Kultur- und Weltbeherrschung. Das Jesuitenorgan La Civiltà Cattolica begann 1890 eine Artikelserie zur „jüdischen Frage“ und erklärte diese zur „Überlebensfrage“ der christlichen Welt. Die Juden seien als Ausbeuter der Christen untereinander eng verbunden, gegen ihre „Verschlagenheit und Übermacht“ gebe es daher kaum Gegenmittel. Ihre Enteignung und Verbannung seien gleichwohl falsch: Maßvolle Gesetze müssten ihren unaufhaltsamen Aufstieg bremsen und sie selbst vor der „Rache der Völker“ schützen.

1894 bezogen alle katholischen Blätter Italiens in der Dreyfus-Affäre gegen den jüdischen Offizier Alfred Dreyfus Stellung und deuteten seinen angeblichen Hochverrat verschwörungstheoretisch: Die Emanzipation habe den Juden überall Macht und Einfluss verschafft, den sie im Bund mit Freimaurern und Frühsozialisten nun in allen Bereichen ausnutzten. Erst als sich 1898 eine Prozessrevision abzeichnete, deuteten dieselben Blätter die Affäre als innerfranzösische juristische Angelegenheit. Papst Leo XIII. mahnte 1899 zur Beendigung der Affäre.[14]

Deutschland

Der Dominikaner Ludwig Greinemann verband erstmals Juden und Freimaurer, indem er 1778 in einer Predigt in Aachen behauptete, Pontius Pilatus, Herodes Antipas und Judas Ischariot seien Mitglieder einer Freimaurerloge gewesen, die heimlich die Ermordung Jesu geplant habe.[15]

Deutsche Nationalisten lehnten die Judenemanzipation ab und sahen darin eine Bedrohung bisheriger Privilegien. So warnten Hartwig von Hundt-Radowsky, Friedrich Rühs u.a. seit 1812 vor einer bevorstehenden jüdischen Weltherrschaft der einst unterdrückten, nun angeblich bevorteilten Minderheit der Juden über die christliche, insbesondere die „germanische“ Welt. Dieses Motiv griff auch Wilhelm Marr 1879 auf und sprach kulturpessimistisch von einem Sieg des Judenthums über das Germanenthum, wobei er die Juden bereits als eigene Rasse darstellte.

Die Überzeugung von einem jüdischen Weltherrschaftsstreben vertraten auch aufgeklärt-liberale Bildungsbürger wie Eduard Hartmann. In seinem Buch Das Judentum in Gegenwart und Zukunft (1885) grenzte er sich wie Heinrich von Treitschke vom Antisemitismus ab und versuchte eine ausgleichende Position einzunehmen. Doch er sprach von „Wirtsvölkern“, die die Juden bei sich aufgenommen und denen sie die Menschenrechte gewährt hätten. Zum Dank dafür hätten die Juden sich aber nicht vollständig assimiliert, sondern an ihrer religiös-nationalen Sonderexistenz festgehalten und so den Antisemitismus erzeugt. In ihrem Messiasglauben, ihrem internationalen Gemeinschaftsgefühl und ihren Organisationen sah er ihr Herrschaftsstreben:

„So bildet das Judentum eine internationale Freimaurerei, die an der Religion ihren idealen Inhalt, an dem ethnologischen Typus ihr sichtbares Erkennungszeichen und an der Alliance Israelite Universelle und deren Kapitalmacht das Kristallisationszentrum einer internationalen Organisation besitzt.“

Diese sei „die erste embryonale Anlage zu einer Zentralregierung der künftigen jüdischen Weltherrschaft“ und ein „bedauerliches Hindernis für die schnellere Entjudung der Juden“. Würde das Judentum also an seiner Identität festhalten, dann hätte es „das deutsche Volk durch die Forderung und Annahme der Jüdischen Emanzipation betrogen“.[16]

Russland

1903 erschienen erstmals die Protokolle der Weisen von Zion als Flugschriften auf Russisch, um die Bevölkerung zu Pogromen gegen Juden aufzuhetzen. 1905 gab Sergej A. Nilus sie als Anhang in seinen Büchern heraus; der Text stammte vom zaristischen Geheimdienst Ochrana und fasste dessen antisemitische Motive zusammen. Im Anschluss an ältere russische und französische Vorläufer und Vorlagen stellte das Pamphlet eine Verbindung zwischen Sozialismus bzw. Bolschewismus, Kapitalismus, Freimaurerei und Zionismus her. Es führte neuzeitliche Revolutionen, Kriege und andere negativ gedeutete Ereignisse auf eine angebliche Geheimelite des Judentums zurück, die eine angebliche jüdische Weltherrschaft zum Schaden aller übrigen Völker anstrebe. Damit begründete es auch die Vorstellung eines Jüdischen Bolschewismus.

Mit der deutschen Übersetzung und Veröffentlichung von 1920 gewann diese Verschwörungstheorie in der Weimarer Republik und besonders im Nationalsozialismus als „tödliches Mobilisierungs- und Manipulationsinstrument“ Einfluss.

Großbritannien

2010 wird in Unterrichtsmaterialien, die im Scharia-Unterricht in 40 Schulen des Landes verwendet werden,[17] vor einer "Verschwörung" der Juden gewarnt, die nach der "Kontrolle über die Welt und ihre Ressourcen" streben. [18] Bildungsminister Michael Gove reagierte, er dulde keine antisemitischen Lehrmittel an Schulen.[19]. Die Bildungskontrollbehörde soll ihm einen Bericht erstatten; doch hat sie bisher keine Befugnis über Schulen, die Schüler in ihrer Freizeit unterrichten.

Nationalsozialismus

NS-Propagandaplakat zur Vorbereitung des Judenboykotts, März 1933

Adolf Hitler griff in seiner in den Jahren 1924 bis 1926 entstandenen Programmschrift Mein Kampf ausdrücklich auf die Protokolle der Weisen von Zion zurück. Er sah das „Weltjudentum“ als Schöpfer und Drahtzieher des „internationalen Finanzjudentums“ und zugleich des Marxismus und Kommunismus. Es beherrsche die Börsen und Banken und treibe die Völker in einen neuen Weltkrieg in seinem Streben, die „arische Rasse“ zu vernichten. Dies sei nur durch die „Entfernung“ aller Juden aus Europa aufzuhalten.

Verschiedene NS-Propagandaschriften zu diesem Thema waren:

  • Wilhelm Dlugosch: Der Jude - sachlich gesehen Weltjudentum, Weltfreimaurerei, 1935
  • Walter Wache: Judenfibel. Was jeder vom Weltjudentum wissen muß!, 1936
  • Dieter Schwarz: Das Weltjudentum Organisation, Macht u. Politik, 1939; 1944
  • Heinrich Hest: Palästina: Judenstaat? England als Handlanger des Weltjudentums, 1939
  • Jens Lornsen: Britannien, Hinterland des Weltjudentums, 1940
  • Hermann Erich Seifert: Der jüdische Kampf um Palästina. England als Handlanger des Weltjudentums, 1943
  • Eugen Fischer: Das antike Weltjudentum. Tatsache, Texte, Bilder, 1943

Im Kontext der Kriegsvorbereitung verschärfte das NS-Regime seine antisemitische Propaganda. Am 11. und 13. Januar 1939 strahlte der deutsche Rundfunk eine zweiteilige Sendung des NS-Historikers Walter Frank zum Thema Deutsche Wissenschaft im Kampf gegen das Weltjudentum aus. Der Autor hob hervor, dass sich Forschung zur „Judenfrage“ nur im Gesamtkontext der nationalen und globalen Geschichte treiben lasse:[20]

„Das Judentum ist eines der großen negativen Prinzipien der Weltgeschichte, es ist also nur denkbar als der Parasit im positiven Gegenprinzip. So wenig etwa Judas Ischariot samt seinen dreißig Silberlingen und samt dem Strick, an dem er sich zuletzt erhängte, verstanden werden kann ohne den Herrn, dessen Gemeinschaft er hohnlächelnd verriet und dessen Antlitz ihn doch verfolgte bis zur letzten Stunde - so wenig kann jene Nachtseite der Geschichte, die sich Judentum nennt, verstanden werden ohne eine Einordnung in die Gesamtheit eines geschichtlichen Prozesses, in dem Gott und der Satan, Schöpfung und Zersetzung in ewigem Ringkampf liegen.“

Am 19. Januar 1939 erschien ein Vortragstext von Herbert Hagen vom SD für eine Tagung der höheren SS-Führer in Oldenburg unter dem Titel: Das internationale Judentum. Der Autor erklärte darin, die Judenfrage sei „überhaupt das Problem der Weltpolitik im Augenblick“. Die westlichen Demokratien hätten nicht die Absicht, es zu lösen, weil die Juden die Politik dieser Länder lenkten und sie nicht verlassen, sondern Palästina nur als eine Art „jüdischen Vatikan“ benutzen wollten. Dann zählte er zahlreiche jüdische Organisationen, über deren Verbindungen die Juden Wirtschaft und Politik ihrer „Gastländer“ angeblich beherrschten. Als deren Zentrale nannte er den Jüdischen Weltkongress, die Zionistische Weltorganisation und B’nai B’rith. Als Führungskopf nannte er Chaim Weizmann und zitierte mehrfach aus dessen Essays und Reden, die 1937 in Tel Aviv erschienen waren. Daraus zog er die Folgerung, dass das Weltjudentum mit seinen Ablegern in Europa der vorrangig zu bekämpfende kommende Kriegsgegner sei.[21]

Am 30. Januar 1939 hielt Hitler seine Reichstagsrede zum Jahrestag seiner Machtübernahme, in der er erstmals öffentlich die Vernichtung des Judentums in Europa als Vergeltung für einen möglichen neuen Weltkrieg androhte. Mit dem Polenfeldzug 1939 und dem Krieg gegen die Sowjetunion 1941-1945 begann das NS-Regime diesen Krieg, in dessen Verlauf die staatliche Judenverfolgung zum Holocaust eskalierte. Unter dem Tarnbegriff „Endlösung der Judenfrage“ versuchte das NS-Regime das fiktive „Weltjudentum“ im eigenen Machtbereich auszurotten, um damit die Weltherrschaft der „germanischen Rasse“ vorzubereiten.

Zum Abschluss seines politischen Testaments fordert Hitler 1945 unmittelbar vor seinem Selbstmord den „unbarmherzigen Widerstand gegen den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum.“

Literatur

Vorläufer und Wurzeln
  • Volker Press: Kaiser Rudolf II. und der Zusammenschluß der deutschen Judenheit. Die sogenannte Frankfurter Rabbinerverschwörung von 1603 und ihre Folgen. In: Volker Press: Das Alte Reich. Ausgewählte Aufsätze. (1981) Duncker & Humblodt, 2. Auflage, Berlin 2000, ISBN 978-3-428-09138-6
  • Johannes Heil: Die Verschwörung der Weisen von Narbonne. Kontinuität und Wandlung im Konstrukt der jüdischen Weltverschwörung. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Judenfeindschaft als Paradigma. Studien zur Vorurteilsforschung. Metropol, Berlin 2002, ISBN 3-936411-09-3, (Schriftenreihen des Zentrums für Antisemitismusforschung), S. 40–48.
  • Johannes Heil: „Gottesfeinde“ - „Menschenfeinde“. Die Vorstellung von jüdischer Weltverschwörung (13.-16. Jahrhundert). Klartext-Verlag, Essen 2006, ISBN 3-89861-406-9, (Antisemitismus: Geschichte und Strukturen 3), (Zugleich: Berlin, Techn. Univ., Habil.-Schr., 2003).
Antisemitismus
  • Norman Cohn: Die Protokolle der Weisen von Zion. Der Mythos von der jüdischen Weltverschwörung. Kiepenheuer & Witsch, Köln u. a. 1969, (Auch: Mit einer kommentierten Bibliographie von Michael Hagemeister. Elster-Verlag, Baden-Baden u. a. 1998, ISBN 3-89151-261-9).
  • Johannes Rogalla von Bieberstein: Der Mythos von der Weltverschwörung. Freimaurer, Juden und Jesuiten als „Menschheitsfeinde“. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Geheimgesellschaften und der Mythos der Weltverschwörung. Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 1987, ISBN 3-451-09569-6, S. 24–62.
  • Léon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Band 7: Zwischen Assimilation und „jüdischer Weltverschwörung“. Athenäum, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-610-00417-7.
  • Hellmuth Auerbach: „Weltjudentum“ und „jüdische Weltverschwörung“. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. Deutscher Taschenbuch-Verlag, 7. Auflage, München 1995, ISBN 3-423-04666-X, S. 217–220.
  • Wolfgang Benz: Jüdische Weltverschwörung? Vom zähen Leben eines Konstrukts. In: Wolfgang Benz: Was ist Antisemitismus? C. H. Beck, 2. Auflage 2005, ISBN 3406522122, S. 174-192
NS-Zeit
  • Yfaat Weiss: Projektionen vom „Weltjudentum“. Die Boykottbewegung der 1930er Jahre. In: Dan Diner (Hrsg.): Deutschlandbilder. Bleicher, Gerlingen 1997, ISBN 3-88350-488-2, (Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 26), S. 151–179.
  • Wolfram Meyer zu Uptrup: Kampf gegen die „jüdische Weltverschwörung“. Propaganda und Antisemitismus der Nationalsozialisten 1919 bis 1945. Herausgegeben vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Metropol Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-932482-83-2, (Reihe Dokumente, Texte, Materialien 46), (Zugleich: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1998).
  • Jeffrey Herf: The Jewish Enemy. Nazi Propaganda During World War II and the Holocaust. Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge MA 2006, ISBN 0-674-02175-4.
  • Armin Pfahl-Traughber: Der antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythos in der Weimarer Republik und im NS-Staat. Braumüller, Wien 1993, ISBN 370031017X

Weblinks

Einzelbelege

  1. Israel.net: Jüdische Weltverschwörung; Wolfgang Benz: Argumente gegen rechtsextreme Vorurteile (Informationen zur politischen Bildung - aktuell); Helmuth Auerbach: „Weltjudentum“ und „jüdische Weltverschwörung“ (aus: Wolfgang Benz: Legenden, Lügen, Vorurteile)
  2. Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Walter de Gruyter, 1. Auflage, Nachdruck 2000, ISBN 311016888X, S. 323
  3. Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt: Finanzjudentum und Westmächte (Lüge No. 42 aus dem Buch von Jonas Lanig, Wilfried Stascheit (Hrsg.): "Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg", Verlag an der Ruhr, ISBN 3-86072-394-4
  4. Netzeitung, 23. Juli 2006: NPD-Chef wegen Israel-Hetze festgenommen; Gruppe Gesellschaftskritik, 25. Dezember 2008: Vereint im Hass: Die Querfront gegen Israel
  5. Der Begriff wird neben seinem rein deskriptiven Gehalt (vgl. AIPAC) auch antisemitisch gebraucht, siehe: Karl Pfeifer (Klick nach Rechts): Krause Theorien: Rudolf Burger und die jüdische Weltverschwörung; HaGalil: Vokabular für eine antisemitische Verschwörungstheorie: Tony Judts "Wahrheit"
  6. Lars Rensmann: Demokratie und Judenbild. Antisemitismus in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland., VS-Verlag, 2004, ISBN 978-3-531-14006-3, S. 83 u.ö.
  7. so zum Beispiel Julius Streicher: Kampf dem Weltfeind - Reden aus der Kampfzeit (1938)
  8. Johannes Heil: Matthaeus Priensis, Henry Morgenthau und die jüdische Weltverschwörung. In: Wolfgang Benz, Peter Reif-Spirek (Hrsg.): Geschichtsmythen. Legenden über den Nationalsozialismus. Metropol, Berlin 2003, ISBN 3-936411-28-X, S. 133f.
  9. Göran Larsson: Die Macht einer Lüge. Fakten oder Fälschung: Die Protokolle der Weisen von Zion, Teil II: Wurzeln, S. 20f (pdf)
  10. David I. Kertzer: Die Päpste und die Juden. Der Vatikan und die Entstehung des modernen Antisemitismus, Propyläen, München 2001; referiert bei HaGalil (Nachdruck): Gefälschte Talmud-Zitate: Dr. Kroner, Dr. Bloch und der Prozess Rohling/Bloch vom November 1885
  11. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung, C.H. Beck, München 2005, S. 72f
  12. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung, a.a.O., S. 76f
  13. David I. Kertzer: Die Päpste gegen die Juden, Propyläen, 2001, ISBN 3-549-07147-7
  14. Thomas Brechenmacher: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung, a.a.O., S. 132f
  15. Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung 1776-1945. Flensburger Hefte 1977; pdf S. 30
  16. Alex Bein: Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems, Band 2: Anmerkungen, Exkurse, Register, Stuttgart 1980, S. 202
  17. BBC, Sendereihe Panorama: British Schools, Islamic Rules. BBC One, 22. November, 20.30h GMT. Sie gehören einer Organisation "Saudiarabische Studentenclubs und Schulen in Großbritannien und Irland". Eine dieser Islamschulen in London untersteht laut BBC der saudiarabischen Regierung; diese dementierte Beziehungen zu diesen Schulen
  18. Darüber hinaus werden lt. BBC die ca. 5000 Kinder zwischen 6 und 15 Jahren instruiert, dass das Hand- und Fußabhacken und der Tod durch Steinigung als Strafen gelten; Ungläubige kämen nach dem Tod in die Hölle.
  19. "To my mind it doesn't seem to me that this is the sort of material that should be used in English schools."
  20. zitiert nach Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933-1939. dtv, München 1998/2000, S. 337f
  21. nach Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden Band 1, a.a.O. S. 336f

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