Weinhaus Huth

Weinhaus Huth
Weinhaus Huth, Fassade am Fontaneplatz

Das Weinhaus Huth (auch Haus Huth genannt) wurde in der Berliner Nachkriegsgeschichte als „das letzte Haus am Potsdamer Platz“ bekannt. Nach dem Bau der Berliner Mauer stand es allein auf freier Fläche neben den Überresten des Hotels Esplanade (Kaisersaal) auf West-Berliner Gebiet in unmittelbarer Nähe der Mauer und wurde zum Symbol für die Zerstörung und Teilung der Stadt.

Das Weinhaus gehört zum Berliner Ortsteil Tiergarten des Bezirks Mitte. Vor der Neugestaltung des Potsdamer Platzes hatte es die Adresse Potsdamer Straße 139. Durch die Neuanlage der ursprünglichen Potsdamer Straße lautet seine Anschrift nunmehr Alte Potsdamer Straße 5. Die Rückseite war seinerzeit zur Linkstraße ausgerichtet und liegt heute am Fontaneplatz. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bis 1945

Am 23. März 1877 erwarb der Weinhändler Christian Huth das Grundstück und erbaute dort eine Villa, in der er das nach ihm benannte Weinhaus einrichtete. Das heutige Gebäude wurde an derselben Stelle 1911/1912 im Auftrag seines Enkels Willy Huth von der Firma Conrad Heidenreich & Paul Michel errichtet.

Wegen der zu erwartenden Belastung durch das Flaschenlager sahen die Architekten eine Stahlbeton-Konstruktion vor, eine der frühesten Stahlskelettausführungen in Berlin. Dank dieser Konstruktion konnten weder Bomben noch Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg die Substanz des Hauses ernsthaft beschädigen. Das Stahlbeton-Skelett ist mit Muschelkalksteinfassaden verblendet.

Nach der Einweihung am 2. Oktober 1912 befand sich im Erdgeschoss des Gebäudes die Weinhandlung und im ersten Stock ein dazugehöriges Weinrestaurant und Veranstaltungslokal. Diese Aufteilung zeigt sich noch heute an den Fensterformen: Über den rechteckigen Schaufenstern der Weinhandlung liegen die großen Bogenfenster des ehemaligen Lokals. Letzteres begründete neben dem Haus Vaterland den Ruf des Potsdamer Platzes als Vergnügungsgegend. Als Besitzer waren C. Huth & Sohn sowie W. Huth & C. Steuer bekannt. Die oberen drei Stockwerke mit vorgewölbten Fenstern wurden vermietet.

Bis 1989

Weinhaus Huth, Fassade an der Alten Potsdamer Straße

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lag das Weinhaus Huth im Britischen Sektor Berlins an der Grenze zum Sowjetischen Sektor. Es war neben den Resten des Hotels Esplanade, des Columbushauses und des Hauses Vaterland das letzte erhaltene Gebäude am Potsdamer Platz. Schon bald bildete sich hier ein blühender Schwarzmarkt. In Erwartung eines Aufschwunges wurden die verbliebenen Gebäude notdürftig wieder hergerichtet. Alte Aufnahmen belegen, dass im Weinhaus Huth zunächst einfache Gerichte angeboten wurden.

Mit der Einführung der D-Mark in den westlichen Sektoren und dem Beginn der Berliner Blockade im Juni 1948 änderte sich die Umgebung. Am 21. August 1948 wurde erstmals der Grenzverlauf zwischen dem sowjetischen und den angrenzenden Westsektoren mit einem Strich auf dem Asphalt markiert.

Beim Volksaufstand am 17. Juni 1953 brannten das genau an der Grenze zwischen den beiden Stadthälften gelegene Columbushaus, das Haus Vaterland und weitere Gebäude erneut nieder. Lediglich das Weinhaus Huth im Westteil blieb verschont. Die Häuser am Potsdamer Platz, die die Zerstörungen des Krieges halbwegs überdauert hatten, standen in den folgenden Jahren zunehmend leer. Für Investoren war das Areal jahrzehntelang unattraktiv.

Die Umgebung des Weinhauses Huth geriet vollends ins Abseits der städtischen Entwicklung, als der Potsdamer Platz 1961 durch die Berliner Mauer geteilt wurde. Das Gebiet wurde schlagartig in eine städtische Randlage versetzt. Bis Mitte der 1970er Jahre wurden nahezu alle übrig gebliebenen Gebäude abgerissen.

Nach dem Tod von Willy Huth 1967 verkaufte dessen Witwe das Gebäude samt Grundstück an den West-Berliner Bezirk Tiergarten. Danach wurden im Haus mehrere Sozialwohnungen eingerichtet, die bis 1989 genutzt wurden und den Erhalt des Gebäudes sicherten. Weiterführende Pläne, die Umgebung durch Neubebauung wieder zu entwickeln, wurden jedoch bis zum Mauerfall nicht verwirklicht. Szenen des Spielfilms Der Himmel über Berlin (1987) dokumentieren die damalige städtebauliche Öde im Umfeld des Hauses eindrucksvoll.

Seit 1990

Durch den Mauerfall 1989 rückte der Potsdamer Platz wieder ins Zentrum Berlins. Die Daimler-Benz AG erwarb das Weinhaus Huth im Jahr 1990 und bezog es in die Entwicklung ihres Gebäudeensembles an diesem Ort mit ein. Vom 1990 bis 1993 befand sich im Erdgeschoss das Büro Berlin des Bayerischen Staatsministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten.

Das Gebiet am Potsdamer Platz verwandelte sich für viele Jahre in eine Großbaustelle, lediglich das weiterhin bewohnte Weinhaus Huth ragte aus den Baugruben heraus. Dabei geriet auch das Schicksal der verbliebenen Mieter in die öffentliche Diskussion. Nach Beendigung der Rekonstruktion eröffnete das Berliner Traditionsrestaurant Lutter & Wegner ein Lokal mit Weinhandlung im Erdgeschoss. Von November 1998 bis zum Jahr 2009 betrieb Josef Diekmann das gleichnamige Restaurant im Gebäude. Seit 2010 hat das Café Möhring die Räumlichkeiten gepachtet.

Im Oktober 1999 wurde auf 600 m² der Ausstellungsraum Daimler Contemporary eröffnet.

Literatur

  • Wolf Thieme: Das letzte Haus am Potsdamer Platz. Eine Berliner Chronik. Rasch und Röhring, Hamburg 1988, ISBN 3-89136-181-5.
  • Wolf Thieme: Das Weinhaus Huth am Potsdamer Platz. Die wechselvolle Geschichte einer Berliner Legende. 2., erw. Auflage. Berlin-Ed., Berlin 2002, ISBN 3-8148-0099-0.

Weblinks

 Commons: Haus Huth – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
52.50833333333313.375

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Huth — ist der Familienname folgender Personen: Alfred Huth (Komponist) (1892–1971), deutscher Komponist Alfred Huth (Widerstandskämpfer) (1918–1945), österreichischer Widerstandskämpfer Benno Huth (* 1937), deutscher Maler, Grafiker und Zeichner… …   Deutsch Wikipedia

  • Haus Huth — Haus Huth, Fassade am Fontaneplatz Das Weinhaus Huth wurde in der Berliner Nachkriegsgeschichte als „das letzte Haus am Potsdamer Platz“ bekannt. Nach dem Bau der Berliner Mauer stand es allein auf freier Fläche neben den Überresten des Hotels… …   Deutsch Wikipedia

  • Potsdamer Platz — Major buildings at Potsdamer Platz from the air in 2004 …   Wikipedia

  • Ludwig Isenbeck — Fassadenschmuck am Weinhaus Huth von Ludwig Isenbeck Ludwig Isenbeck (* 1882 in Potsdam; † unbekannt) war ein deutscher Bildhauer, dessen Werke zahlreiche öffentliche Bauten von Berlin schmücken. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Potsdamer Platz in Berlin — Blick über den Potsdamer Platz von Norden in Richtung Süden im Jahr 2004. Auf der begrünten Freifläche befand sich der oberirdische Potsdamer Bahnhof Der Potsdamer Platz ist ein Verkehrsknoten im Berliner Ortsteil Tiergarten im Bezirk Mitte zwis …   Deutsch Wikipedia

  • Potsdamer Strasse — Beginn der Potsdamer Straße mit den neuen Bauten am Potsdamer Platz Die Potsdamer Straße in den Berliner Ortsteilen Tiergarten und Schöneberg verbindet den Potsdamer Platz mit dem Heinrich von Kleist Park und der Schöneberger Hauptstraße als Teil …   Deutsch Wikipedia

  • Conrad Heidenreich — Conrad Georg Heidenreich (* 19. Mai 1873 in Eutin; † 26. Juni 1937 Berlin) war ein deutscher Architekt, der mit Paul Michel ein gemeinsames Büro betrieb. Bekannt wurden Heidenreich und Michel vor allem durch die Errichtung des Weinhauses Huth in… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Tiergarten — Übersichtskarte von Tiergarten Die Liste der Straßen und Plätze in Berlin Tiergarten beschreibt das Straßensystem im Berliner Ortsteil Tiergarten mit den entsprechenden historischen Bezügen. Gleichzeitig ist diese Liste ein Teil des Gesamtprojekt …   Deutsch Wikipedia

  • Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg — Murellenberge, Murellenschlucht und Schanzenwald Murellenberg und Schanzenwald Höhe 62 m Lage …   Deutsch Wikipedia

  • Elsgraben — Murellenberge, Murellenschlucht und Schanzenwald Murellenberg und Schanzenwald Höhe 62 m Lage …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”