Waw (Sudan)

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Waw (Sudan) (Sudan)
DEC
Lage von Waw in Sudan

Waw (arabischواوWāw; Alternativschreibung Wau oder Wow) ist die Hauptstadt des sudanesischen Bundesstaates Gharb Bahr al-Ghazal. Die Stadt wurde während des südsudanesischen Bürgerkriegs bekannt wegen der nahe gelegenen Flüchtlingslager und war Schauplatz heftiger Kämpfe. Die nach Juba zweitgrößte Stadt in Südsudan liegt rund 1000 Kilometer südwestlich von Khartum am Fluss Jur.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im 19. Jahrhundert war Wau ein militärisch bewachtes Lager (Zariba) von moslemischen Sklavenhändlern, den wegen ihrer arabischen Kleidung sogenannten „Djellaba“. Sie brachten als Zwischenhändler schwarzafrikanische Völker wie die Fertit, die aus ihrem angestammten Gebiet Darfertit westlich von Wau und südlich von Darfur von den 1860er Jahren bis ins 20. Jahrhundert geraubt wurden, zu ihren Auftraggebern in den Norden nach Kordofan und Darfur. Höhepunkt der Sklavenjagden war die Zeit der türkisch-ägyptischen Herrschaft von 1821-1881 und des nachfolgenden Mahdi-Reichs bis 1898. Wau war auch durch ursprünglich nomadisierende Fulbe und einzelne Zuwanderer aus Ägypten zu einer Insel von Moslems und Arabern geworden. Die nicht-moslemischen Bevölkerung bestand überwiegend aus Dinka, daneben Fertit und Luo.

Die kolonialen Eroberungspläne der Franzosen sahen vor, eine französische Einflusssphäre von Westen quer durch die afrikanische Sudanregion zu schaffen. In Wau gründeten sie das Fort Dessaix und drangen bis zum Weißen Nil vor, wo es 1898 in Faschoda (1904 in Kodok umbenannt) zum Zusammentreffen mit den Engländern kam. Die Faschoda-Krise wurde zwischen beiden Kolonialmächten friedlich beigelegt, die Franzosen zogen sich auch aus Wau zurück und der Ort war bis 1956 Teil des anglo-ägytptischen Sudan.

1898 kamen die ersten Missionare, katholische Verona-Patres aus Italien, in die Region Bahr el-Ghazal, 1905 gründeten sie eine Station in Wau. Die Missionare sollten mit ihrer Tätigkeit ein Bollwerk gegen die Ausbreitung des Islam bilden und wurden von der britischen Verwaltung unterstützt. 1913 wurde Wau Bischofssitz. Der Zuzug von arabischen Völkern wurde von den Briten, die eine eigenständige Entwicklung im Süden des Landes anstrebten, zeitweise verboten. Nach der Unabhängigkeit wurden 1957 alle Missionschulen im Südsudan verstaatlicht, 1964 wurden die Missionare ausgewiesen und konnten erst in den 1970er Jahren zurückkehren.

Bürgerkrieg

Hüttensiedlung einige Kilometer nördlich von Wau

Während des Bürgerkriegs, der 1983 zum zweitenmal ausbrach, blieben Wau und das nördlich gelegene Aweil Garnisonststädte in der Hand der Regierung von Khartum. Flüchtlinge, die sich aus Kampfgebieten in Sicherheit bringen wollten, sammelten sich in Camps am Stadtrand. Zu besonders schweren Gefechten um Wau kam es ab Januar 1998, nach UN-Schätzung waren im Februar 65 Prozent der Bevölkerung geflohen, die Dinka flohen nach Osten in das Gebiet der SPLA, andere Völker über die Grenze nach Süden. Eine zu dieser Zeit von der SPLA abgespaltene Fraktion unter Kerubino Kwanyin Bol mit dem Einflussbereich nördlich von Wau wird für besonders schwere Zerstörungen in der Stadt und im Umland verantwortlich gemacht. Zwischen Mai und August 1998 kehrten viele Dinka entkräftet nach Wau zurück, wo sie durch tägliche Nahrungsmittelflüge aus der Luft versorgt werden sollten. Über mehrere Monate war dies wegen der Gefechte jedoch kaum möglich. Die Versorgungsflüge zur Bekämpfung der Hungersnot 1998 waren eine Fortsetzung der Operation Lifeline Sudan, die im März 1989 gestartet worden war.[1] [2] [3]

Unabhängig von provisorischen Flüchtlingslagern verfolgte Khartum in den 1990er Jahren in den Randbereichen der von der Regierung kontrollierten Städte wie Wau und in den Nuba-Bergen die Schaffung von „Friedensdörfern“, um Flüchtlinge dauerhaft anzusiedeln und um neue Formen der Landwirtschaft einzuführen. Diese waren allerdings alle ein Teil der militärischen Strategie. Entwicklungsorganisationen, die diese Ansiedlungen unterstützten, beteiligten sich damit effektiv auf Seiten der Regierung an der Verlängerung des Konflikts.[4]

Bevölkerung

Viehmarkt am Stadtrand

Bevölkerungsentwicklung:

Jahr Einwohner[5]
1973 (Zensus) 52.752
1983 (Zensus) 58.008
1993 (Schätzung) 84.000
2007 (Berechnung) 136.179

In der Tabelle sind die durch den Bürgerkrieg und durch Hungersnöte bedingten starken Bevölkerungsschwankungen nicht enthalten. Einschließlich des Umlandes wird von einer Bevölkerungszahl von 220.000 (2007) ausgegangen und für die nächsten Jahre mit einem starken Anstieg gerechnet. Die Bevölkerung setzt sich aus Rinderzucht und Ackerbau treibenden Dinka zusammen, die zu einem kleinen Teil christianisiert sind. Mehrere Volksgruppen werden als Fertit bezeichnet, sie betreiben Ackerbau und sind teilweise Christen oder Moslems. Dazu kommt der bereits erwähnte hohe Anteil arabisierter Volksgruppen aus dem Norden.

Geografie und Verkehr

Klimadiagramm der Stadt

Wau liegt 433 Meter hoch am Westufer des Jur, des südlichen Hauptquellflusses des Bahr al-Ghazal, der dem Weißen Nil zufließt. Das Klima in der Feuchtsavanne mit einer Trockenzeit von November bis April und starken Regenfällen in den Sommermonaten sorgt für gute Anbaubedingungen. Ernährungsgrundlage ist Sorghum, um Wau werden auch Cassava, Linsen und Mais zur Eigenversorgung und Sesam und Erdnüsse zum Verkauf angebaut. Wau liegt in einem breiten Gürtel aus lichtem Akazienwald, dessen jung gefällte Bäume zum Hausbau verwendet werden.

Mehrere Stadtviertel sind in einem rechteckigen Straßengrundriss angelegt, die Besiedelung hat sich zum größten Teil ungeregelt entwickelt. Die Ausdehnung der Stadt nach Osten ist durch den Fluss und nach Norden durch den Flughafen begrenzt. Traditionelle Wohnbebauung der Dinka sind mit einigem Abstand errichtete runde oder quadratische Lehmhäuser mit Kegeldächern und Grasdeckung, die meisten festen Gebäude haben Ziegelwände mit flach geneigten Wellblech-Pultdächern.

Die Infrastruktur ist unterentwickelt. Strom steht, wo vorhanden, dezentral und stundenweise aus Dieselgeneratoren zur Verfügung. Außerhalb des militärischen Bereichs besitzen nur Entwicklungshilfeorganisationen und die katholische Kirche Transportfahrzeuge. Hauptsächliches Fortbewegungsmittel der Bevölkerung sind Fahrräder.

In Wau befindet sich die einzige Brücke über den Jur. Es ist eine zweispurige Betonbrücke, von der aus die Erdstraße über Rumbek nach Juba führt. Die Straße nach Norden ist kaum durchgängig befahrbar, eine Verbindung nach Raga, 300 Kilometer westlich, ist wegen fehlender Brücken noch schwieriger. Während der Regenmonate ist Wau auf dem Landweg nicht erreichbar. Dafür ist der Jur, der nur in der Regenzeit mit kleinen Booten befahren werden kann, während der Trockenzeit bis auf einige Seenreste ausgetrocknet.[6] 2007 mussten die Wohnviertel in Flussnähe wegen Überschwemmung evakuiert werden.

In den 1960er Jahren wurde eine Eisenbahnlinie gebaut, die in Babanusa von der Hauptstrecke Khartum – Nyala nach Wau abzweigt. Diese Bahnlinie wurde während des Bürgerkriegs wiederholt von der SPLA angegriffen. In den 1990er Jahren diente sie ausschließlich zum Schienentransport von militärischen Gütern der Regierung. Eine Untersuchung 2004 ergab, dass insgesamt 140 Kilometer Schienen und zwei Brücken fehlen. Eine Wiederherstellung scheint nicht möglich. Auch als die Strecke noch befahren werden konnte (die Fahrzeit von Khartum betrug etwa sechs Tage), musste der Betrieb im Sommer wegen Überflutung teilweise eingestellt werden. Nach dem Ende des Bürgerkriegs wurde damit begonnen, die Straßen um Wau und die Eisenbahnlinie von Minen (allgemein UXO) zu räumen. Dabei wird mit Räumfahrzeugen zunächst ein 8 bis 25 Meter breiter Korridor angelegt. So wurde der Straßenabschnitt östlich der Brücke bis zum nächsten Ort Tonj im Februar 2007 entmint.[7]

Es bleibt als wichtigste Verbindung der Flugverkehr. Die Rollbahn des Flugfeldes (7° 43′ 27″ N, 27° 58′ 50″ O7.724166666666727.9805555555567, internationale Kennung: WUU) ist 1500 Meter lang. Wau wird von Khartum angeflogen, Hilfslieferungen werden über den eigens dafür eingerichteten Umschlagsort Lokichoggio in der nordkenianischen Trockensavanne durchgeführt.

Söhne und Töchter der Stadt

  • Luol Deng sudanesisch-britischer Basketballspieler
  • Alek Wek sudanesisches Fotomodell

Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen

  • Hermann Steudner, deutscher Botaniker und Afrikaforscher, starb am 10. April 1863 in Waw.

Einzelnachweise

  1. The Consequences of the Failed Attempt to Take Wau. Human Rights Watch 1998 Vertreibung durch Krieg und Rückkehr nach Wau wegen Hungersnot 1998.
  2. James C. McKinley: Fueled by Drought and War, Starvation Returns to Sudan. The New York Times, 24. Juli 1998 Kämpfe und Hilfslieferungen Region Wau 1998.
  3. David Keene: Making Famine in Sudan. Emergency Nutrition Network, Field Exchange, Februar 1999, S. 6-7
  4. Mark Bradbury, John Ryle u. a.: Local Peace Process in Sudan. A Baseline Study. Rift Valley Institute 2006, S.29
  5. Sudan: Die wichtigsten Orte mit Statistiken zur ihrer Bevölkerung. World Gazetteer
  6. Report on Inter-Agency Assessment Mission To GoS Towns in Southern Sudan. United Nations Joint Logistics Centre, 30. August 2004 Infrastruktur der Städte Juba, Malakal und Wau. Straßenzustand S. 25, Foto vom Bahnhof S. 26
  7. Monthly Activity Report. UNMAO / UNMAS Listet aktuell entminte Gebiete im Monatsbericht für Februar 2007

Weblinks

7.727.997Koordinaten: 7° 42′ N, 27° 59′ O


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