Wasserfrau

Wasserfrau
Meerfräulein - Holzschnitt von 1565

Wasserfrauen tauchen als Figur und Motiv in den Sagen, Mythen und Märchen zahlreicher Kulturen auf.

Inhaltsverzeichnis

Wesen

Charakteristisches Merkmal ist ihre positive Einstellung zum Menschen. In der Form der Wassermutter spendet sie Leben, Schutz und Segen, in der der Wasserbraut vermählt sie sich mit einem menschlichen Bräutigam und schenkt ihm ihre Liebe. Abzugrenzen ist die Wasserfrau von anderen weiblichen Wasserwesen, insbesondere von

  • Nixen (Aspekt der „Bedrohung“)
  • Meerjungfrauen (Aspekt der „Erlösungsbedürftigkeit“)

Bei zahlreichen Wasserwesen ist eine eindeutige Zuordnung zu einer der Kategorien nicht möglich (z.B. "Die schöne Lau" von Eduard Mörike). Zudem werden gerade in neuerer Zeit die genannten Begriffe häufig verwechselt und wie Synonyme verwendet.

Wie diese ist auch die Wasserfrau eine Form des tiefenpsychologischen Mutterarchetyps, einer Ausprägung der sog. Anima (vgl. Carl Gustav Jung). Deutlich kommt bei ihr aber der positive Aspekt der „liebenden Mutter“ zum Ausdruck.

Nichts zu tun hat die Wasserfrau mit dem Wassermann, der als schädliches Wesen eher das Gegenstück zur Nixe darstellt.

Gestalt

Wie Nixen und Seejungfrauen werden viele Wasserfrauen als Mischwesen mit menschlichem Oberkörper und einem mit Schuppen bedeckten Fischschwanz beschrieben. Häufig haben sie aber auch menschliche Gestalt oder die von Fröschen, Schwänen und anderen Wassertieren.

Bekannte Wasserfrauen

In großer Zahl tauchen Wasserfrauen bereits in den Mythologien antiker Völker auf. So wurde in Vorderasien etwa die fischschwänzige Mondgöttin Derketo verehrt. Auch die indische Gottheit Vishnu, der „Welterhalter“ wurde bisweilen als vierarmige Frau mit dem Unterleib eines Fisches dargestellt. Im chinesischen Kulturkreis pries man das segensreiche Wirken heilkundiger, auf dem Grunde von Flüssen und Seen lebender „Drachenfrauen“.

Nereide auf Meeresross - römisches Mosaik

In der griechischen Mythologie wird der Typus der Wasserfrau insbesondere durch die Nereiden und Okeaniden vertreten, freundlich-heitere Meeresnymphen, die die Seeleute erfreuen, aber auch durch die in Flüssen beheimateten Najaden.

Im weiteren Sinne gehören auch die Meeresgöttinnen sämtlicher Kulturen hierher, allen voran die stets in menschlicher Gestalt dargestellte Liebesgöttin Aphrodite (römisch: Venus), die „Schaumgeborene“, die den mütterlichen wie bräutlichen Aspekt der Wasserfrau in sich vereint. Idealtypisch verewigt wurde sie von dem italienischen Renaissancemaler Sandro Botticelli in seinem Gemälde „Geburt der Venus“, wo die Göttin einer Muschel entsteigt.

Zu nennen sind ferner die diversen chinesischen Meeresgöttinnen wie Tin Hau oder Matsu, die mit tausend Augen und Armen den Seeleuten den Weg übers Meer weisen, die javanische Seegöttin Ratu Kidul, die Inuit-Gottheit Sedna oder auch die brasilianische Yemanjá oder baltische Göttin Jūratė.

Auch die auf einem Delphin reitende "Mermaid", die Oberon in Shakespeares Komödie Ein Sommernachtstraum von einem Vorgebirge aus gesehen hat, trägt alle Züge der gütig-wohlwollenden Wasserfrau, lassen ihre "süßen Harmonie" doch "die empörte See gehorsam" werden und sogar die Sterne andächtig lauschen.

In neueren Sagen und Märchen wird von Wasserfrauen berichtet, die als Patin einem Waisenkind Schutz vor den Widrigkeiten des Lebens bieten („Die junge Gräfin und die Wasserfrau“, Schwaben), heimlich im Hause der Menschen weben, spinnen und backen („Das Bleilot“, Schwarzwald; „Das Waschweibchen“, Österreich), oder sich ihren menschlichen Geliebten in Gestalt von Fröschen oder Schwänen nähern („Die Schwanenprinzessin“, Polen; „Die Perlenschnur“, Österreich; „Zarin Frosch“, Russland).

Lebensmotiv

Im Motiv der Wasserfrau vereinigen sich kulturgeschichtlich zwei klassische Lebensmotive: Einerseits das der Frau als Spenderin und Erhalterin des Lebens, als "Anima" im Sinne der Archetypenlehre des Carl Gustav Jung. Zum anderen das Motiv des Wassers, aus dem nicht nur evolutionsgeschichtlich jegliches Leben stammt, sondern das auch als Nahrung für Pflanzen, Tiere und Menschen unabdingbare Lebensvoraussetzung ist.

Gegenstück ist die Vereinigung von Wasser und Tod im Motiv der Nixe - übrigens ebenfalls eine Anima-Ausprägung im Sinne der tötenden, der verschlingenden Mutter.

Siehe auch

Literatur

  • Barbara Stamer (Hsg.): Märchen von Nixen und Wasserfrauen, Frankfurt 1987, ISBN 3596228735

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