Walter Reder

Walter Reder
Walter Reder

Walter Reder (* 4. Februar 1915 in Freiwaldau; † 26. April 1991 in Wien) war SS-Sturmbannführer im Dritten Reich sowie Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes[1]. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Am 9. Februar 1933 trat Reder als Hitlerjugend-Mitglied der SS bei. 1936 schloss er die SS-Junkerschule Braunschweig ab und kommandierte danach verschiedene Einheiten der SS-Totenkopf-Verbände während des Zweiten Weltkriegs.

Er wurde Kommandeur der SS-Panzer-Aufklärungsabteilung 16 der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“, die verantwortlich für das Massaker von Marzabotto war, bei dem als Vergeltung für Partisanenanschläge 1.830 Zivilisten ermordet wurden. Reder war außerdem dem SS-Panzergrenadier-Ausbildungs- und Ersatz-Bataillon 3 in Warschau zugeteilt, welches an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands beteiligt war.

Reder wurde 1948 an Italien ausgeliefert und 1951 von einem Militärgericht in Bologna zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Verteidiger waren der italienische Anwalt Dr. Schiró und dessen deutscher Kollege Claus-Joachim von Heydebreck, später Landesminister in Schleswig-Holstein. Die Vorwürfe gegen Reder lauteten auf

  • Zerstörung der Stadt Marzabotto und anderer Dörfer nahe Bologna im August und September 1944
  • Erteilen des Exekutionsbefehls für 2.700 italienische Zivilisten in der Toskana und Emilia Romagna im selben Zeitraum.

Seit der Fertigstellung der Anklage gegen Reder betrachtete sich Österreich als Schutzmacht für den Kriegsverbrecher, obwohl dieser schon 1934 die österreichische Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen aufgegeben hatte. So stellte sich das Land Oberösterreich, auf Intervention des ehemaligen Gauinspektors von Oberösterreich auf den Rechtsstandpunkt, dass Reder Österreicher sei. Anfechtungen durch Beamte des Innenministeriums wurden durch eine Weisung des SPÖ-Innenministers Helmer unterbunden, Reder somit 1956[2] wieder österreichischer Staatsbürger. Anfang der sechziger Jahre stellte das Außenministerium schließlich fest, dass Reder der Status und die Behandlung eines Kriegsgefangenen im Sinn der Genfer Kriegsgefangenen-Konvention zukäme.

In der österreichischen Presse, von der Kronen Zeitung („Keine Hoffnung für Walter Reder?“) bis zu den Medien der rechtsextremen Szene (z. B. Die Kameradschaft, Die Aula) war der Verbleib Reders in „Kriegsgefangenschaft“ ein gerne aufgegriffenes Thema. Daneben setzten sich vor allem die FPÖ, aber auch prominente Politiker anderer Parteien, sowie Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft für seine Freilassung ein.

1984 drückte Reder seine tiefe Reue in einem Brief an die Bürger von Marzabotto aus. Ein Jahr danach widerrief Reder jedoch alle Reuebekundungen wieder. Er wurde am 24. Jänner 1985 aus dem Gefängnis entlassen.

Bei der Einreise nach Österreich wurde Reder schließlich durch den damals amtierenden FPÖ-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager mit einem Handschlag in Empfang genommen, was für einen Skandal sorgte. Oftmals wird behauptet, dass es gerade mit der Diskussion um den „Reder-Skandal“ zum ersten Mal zu einer breiteren Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit vieler Österreicher kam. In Österreich angekommen wurde Reder vom ÖVP-Politiker und Großgrundbesitzer Wilhelm Gorton aufgenommen, was zu mehrfacher Kritik führte.[3]

1991 verstarb Walter Reder in Wien.

Literatur

  • Carlo Gentile: Marzabotto. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, S. 136–146.
  • Carlo Gentile: Politische Soldaten. Die 16. SS-Panzer-Grenadier-Division „Reichsführer-SS“ in Italien 1944. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. 81, 2001, S. 529–561.
  • Carlo Gentile: Walter Reder – ein politischer Soldat im „Bandenkampf“. In: Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul (Hrsg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart. Band 2.) Darmstadt 2004, S. 188–195.
  • Christian Ortner: Am Beispiel Walter Reder. Die SS-Verbrechen in Marzabotto und ihre „Bewältigung“. Wien, o.J.
  • Barbara Tóth: Der Handschlag. Die Affäre Frischenschlager-Reder. Dissertation an der Universität Wien, Wien 2010 (Volltext (PDF), 10. Juni 2010).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.616
  2. Barbara Tóth, 2010, Seite 7 u. a., insb. Seite 46 mit Fußnote 137
  3. Florian Wenninger: Der Fall Reder: „Von meinem politischen Leben bleibt die Affäre Reder.“ Gespräch mit Verteidigungsminister a. D. Friedhelm Frischenschlager über die FPÖ, den Krieg und das Händeschütteln. In: Gedenkdienst (Zeitung), Ausgabe 1/08, Interview vom 14. Dezember 2007. Abgerufen am 27. November 2010.

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