Walter Mischel

Walter Mischel

Walter Mischel (* 22. Februar 1930 in Wien) ist ein emeritierter Persönlichkeitspsychologe.

Er war ab 1983 Professor an der Columbia University und vorher an der Stanford University tätig. Mischels so genannter Marshmallow-Test zeigt die Wichtigkeit der Impulskontrolle und des Aufschieben-Könnens von Selbstbelohnungen für akademischen, emotionalen und sozialen Erfolg (Belohnungsaufschub). Damit wird die Fähigkeit beschrieben, kurzfristig auf etwas Verlockendes für die Erreichung langfristiger Ziele zu verzichten. Ergebnisse des Experiments sagen diese Fähigkeit einer Person recht gut voraus.

Inhaltsverzeichnis

Das Belohnungsaufschubs-Paradigma

In den Jahren 1968 bis 1974 führte er mit etwa vier Jahre alten Kindern aus der Vorschule des Stanford Campus Experimente zum Belohnungsaufschub durch. In Einzelsitzungen wurde den Kindern ein begehrtes Objekt vor Augen geführt, beispielsweise ein Marshmallow (in Varianten des Experiments wurden u.a. Kekse, Salzgebäck, oder Pokerchips aus Plastik verwendet). Der Versuchsleiter teilte dem jeweiligen Kind mit, dass er für einige Zeit den Raum verlassen würde, und verdeutlichte ihm, dass es ihn durch Betätigen einer Glocke zurückrufen konnte und dann einen Marshmallow erhalten würde. Würde es aber warten, bis der Versuchsleiter von selbst zurückkehrte, würde es gleich 2 Marshmallows erhalten. Hatte das Kind die Glocke nicht betätigt, kehrte der Versuchsleiter gewöhnlich nach 15 Minuten zurück.[1]

Die durchschnittlichen Wartezeiten der Kinder betrugen in verschiedenen Abwandlungen des Experiments ca. 6-10 Minuten, wobei die Wartezeiten aber sehr stark streuten. Mischel fand in Nachbeobachtungsstudien in den Jahren 1980-1981, dass je länger die Kinder im ursprünglichen Experiment gewartet hatten, sie als Heranwachsende als desto kompetenter in schulischen und sozialen Bereichen beschrieben wurden, besser mit Frustration und Stress umgehen und Versuchungen widerstehen konnten, und auch eine tendenziell höhere schulische Leistungsfähigkeit zeigten.[2]

Mischel kritisierte die geringe Vorhersagekraft des Trait-Ansatzes der Persönlichkeitspsychologie und forderte stärkere Berücksichtigung der situativen Parameter. Oft ist Verhalten mehr durch Situationsfaktoren beeinflusst, als durch Persönlichkeitseigenschaften. Diese Sichtweise wird heute Interaktionismus genannt, doch in Mischels Erstveröffentlichung „Personality and Assessment“ (1968) taucht dieser Begriff nicht auf. Er glaubt, dass Persönlichkeitseigenschaften über einen längeren Zeitraum stabil bleiben können. Sie sind situations- und zeitabhängig und sehr konsistent. Seine Sicht der Persönlichkeit führte zu intensiven Debatten mit Eysenck.

Persönlichkeitsmodell

Das in den 1970er Jahren entstandene kognitive Persönlichkeitsmodell von Mischel erklärt verschiedene Verhaltensweisen durch fünf Personenvariablen:

  • Kompetenz: Wissen und Fähigkeiten, die bestimmte Kognitionen zu Verhaltensweisen ermöglichen
  • Strategien der Enkodierung: Art des Individuums, Informationen durch Selektion, Kategorisierung und Assoziationen zu verarbeiten
  • Erwartung: Vorwegnahme wahrscheinlicher Ergebnisse bei bestimmten Handlungen in bestimmten Situationen
  • Persönliche Werte: Bedeutung, die Reizen, Ergebnissen, Menschen und Aktivitäten zugemessen werden
  • Selbstregulierende Systeme und Pläne: erlernte Regeln zur Verhaltenssteuerung, Zielbestimmung und Effektivitätsbewertung

Die Auswirkungen dieser Personenvariablen hängen von der Ein- oder Mehrdeutigkeit einer Situation ab. Ist eine Situation mehrdeutig oder zweifelhaft, so haben die Personenvariablen ihre größten Auswirkungen.

Schriften (Auswahl)

  • Mischel, W.; Shoda, Y.; Rodriguez, M. L. (1989). Delay of gratification in children. Science, 244, 933-938.
  • Mischel, W.; Ayduk, O. (2004). Willpower in a cognitive-affective processing system: The dynamics of delay of gratification. In R. F. Baumeister & K. D. Vohs (Eds.), Handbook of self-regulation: Research, Theory, and Applications(pp. 99-129). New York: Guilford.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mischel, W., Shoda, Y., & Rodriguez, M. L. (1989). Delay of gratification in children. Science, 244, 933-938.
  2. Shoda, Y., Mischel, W., & Peake, P.K. (1990). "Predicting Adolescent Cognitive and Self-Regulatory Competencies from Preschool Delay of Gratification: Identifying Diagnostic Conditions". Developmental Psychology, 26, 978–986. http://duende.uoregon.edu./~hsu/blogfiles/Shoda,Mischel,&Peake(1990).pdf

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