Walter Arthur Berendsohn

Walter Arthur Berendsohn

Walter Arthur Berendsohn (* 10. September 1884 in Hamburg; † 30. Januar 1984 in Stockholm) war ein deutscher Literaturwissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Walter Arthur Berendsohn studierte Germanistik, Nordistik und Philosophie an den Universitäten Berlin, Freiburg, München und Kiel. Während seiner Studienzeit war er Mitglied der Freistudentenschaft. In Kiel promovierte er 1911 zum Dr. phil. Nach seiner Habilitation im Jahre 1920 wurde er 1926 zum nicht beamteten außerordentlichen Professor an die Universität Hamburg berufen und lehrte dort deutsche Literatur und Skandinavistik. Neben seinem Beruf engagierte er sich mit Vorträgen, Taufen und Trauungen in der Hamburger freireligiösen Gemeinde und im Deutschen Monistenbund. Er trat 1920 der Freimaurerloge Menschentum bei, die zum Freimaurerbund Zur aufgehenden Sonne gehörte, in welchem eher humanistisch-achristlich und monistisch-freireligiös orientierte Männer Mitglied waren; auch Carl von Ossietzky war dort Mitglied. Außerdem war Berendsohn politisch sehr engagiert und Mitglied der SPD. Er nahm öffentlich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus Stellung. Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde er von den Nationalsozialisten 1933 unter Anwendung des antisemitischen Berufsbeamtengesetzes von der Universität entlassen, so dass er arbeitslos war. Im Oktober 1933 entkam er mit seiner Frau Dorothea geb. Eggert und seinen zwei Kindern der drohenden Verhaftung durch Emigration nach Dänemark. 1936 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und sein Eigentum eingezogen. Auch der Doktortitel wurde ihm entzogen. In völliger Armut lebend erhielt er von 1938 - 1940 ein Stipendium des American Guild for German Cultural Freedom. Am 26. September 1943 mussten die Berendsohns mit einem Fischerboot nach Schweden flüchten. In Schweden musste Berendsohn lange als ein einfacher Archivmitarbeiter im Strindbergarchiv arbeiten. Erst Mitte der 1950 Jahre erhielt Berendsohn eine Gastprofessur an der Universität Stockholm. Er war Mitbegründer des Freien Deutschen Kulturbundes (FDK) in Schweden. 1974 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Stockholm.

Nach dem Krieg versuchte Berendsohn wieder Kontakte nach Hamburg zu knüpfen. Obwohl das Hochschulamt es gegenüber den Professoren für erforderlich hielt, das an Berendsohn verübte Unrecht wieder gut zu machen, passierte nichts. Berendsohn musste in demütigender Weise beantragen, dass ihm Doktor- und Professorentitel wieder zuerkannt wurden. Seine Wiederernennung und auch die Wiederverleihung des Doktorgrades wurden von den Professoren am Literaturwissenschaftlichen Seminar der philosophischen Fakultät hintertrieben. Der Germanistikprofessor Dr. Hans Pyritz äußerte in einer Stellungnahme sogar, dass wissenschaftliche Bedenken gegenüber Berendsohn beständen. Im Dezember 1954 teilte die philosophische Fakultät Berendsohn mit, dass ihm die venia legendi wieder zuerkannt sei, doch er möge bitte davon absehen, in Hamburg davon Gebrauch zu machen. 1956 beantragte Berendsohn bei der Hochschulbehörde im Rahmen der Wiedergutmachung seine Wiedereinsetzung als beamteter außerordentlicher Professor, eine Stellung, die er ohne Verfolgung hätte sicherlich erreichen können. Die Philosophische Fakultät lehnte diesen Antrag als Fachabteilung ab, weil Berendsohn wissenschaftlich nicht ausreichend qualifiziert sei. 1958 startete der damalige Rektor der Hamburger Universität Karl Schiller einen erneuten Versuch, dem damals schon 74 -jährigen Berendsohn zu seinem Recht zu verhelfen. Auch dieser Vorstoß wurde von der Philosophischen Fakultät zurückgewiesen. Erst 1983 lenkte die Fakultät ein und verlieh Berendsohn im Alter von 99 Jahren den Ehrendoktortitel. Der Titel wurde ihm am 16. Januar 1983 in einer feierlichen Veranstaltung in Stockholm zuerkannt. Dabei bedankte sich die Universität bei Berendsohn ausdrücklich dafür, dass er nach der für die Universität beschämenden Vorgeschichte die Verleihung dieser Ehrung nicht abgelehnt hat.

Berendsohn lebte bis zu seinem Tod im Stadtteil Bromma.

Wirken

Walter A. Berendsohn gilt mit dem 1939 erstellten Werk Die humanistische Front als Begründer der deutschen Exilliteraturforschung. Er arbeitete viele Jahrzehnte am Germanistischen Institut der Universität Stockholm, wo er 1969 zusammen mit Prof. Dr. Helmut Müssener, dem heutigen Leiter des Instituts, die "Stockholmer Koordinationsstelle zur Erforschung der deutschsprachigen Exil-Literatur" einrichtete. Die Hamburger Arbeitsstelle für deutsche Exilliteratur (HafdE) wurde 2001 ihm zu Ehren in Walter-A.-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur (BFfdE) umbenannt. Bekannt wurde er auch als Biograph und Förderer der Schriftstellerin Nelly Sachs. Auf seine Initiativen hin erhielten Nelly Sachs den Literaturnobelpreis und Willy Brandt den Friedensnobelpreis.

Werke - eine Auswahl

  • Politische Führerschaft. Ernst Oldenburg Verlag, Leipzig, 1924
  • Selma Lagerlöf : Heimat u. Leben, Künstlerschaft, Werke, Wirkg u. Wert . A. Langen, München 1927
  • Knut Hamsun : Das unbändige Ich u. die menschliche Gemeinschaft. München : A. Langen, 1929.
  • Weltkriegserinnerungen. Prag. Buchdr. Neumann 1934
  • Der lebendige Heine im germanischen Norden. Mit e. einl. Beitr. v. Johannes V. Jensen. Verlag Schønberg, Kopenhagen 1935. Anmerkungen: Enth. außerdem: Entwurf zum Heine-Denkmal, errichtet in Cleveland (Ohio) 1931 / K. Harald Isenstein
  • Zur Vorgeschichte des "Beowulf". Mit einem Vorwort von Otto Jespersen, Levin & Munksgaard, Kopenhagen 1935
  • Humanisme i det 20. Aarhundererde. Kolding 1937
  • Die humanistische Front I. Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur. Teil 1 - Von 1933 bis zum Kriegsausbruch, Europa Verlag Zürich 1946. Nachdruck 1976 , Georg Heintz, Worms 1976
  • Die humanistische Front II. Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur. Teil II - Vom Kriegsausbruch 1939 bis Ende 1946, Manuskript 1953, Erstveröffentlichung Verlag Georg Heintz, Worms 1976
  • Aufbauarbeit in Israel. Erlebnisse, Studien, Betrachtungen. Berlin 1953
  • August Strindberg. Ein geborener Dramatiker. München 1956
  • Flucht von Dänemark nach Schweden. in: Verbannung. Aufzeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Christian Wegner, Hamburg 1964, S. 100 - 105 (im Archiv der Königl. Bibliothek lautet dieser Essay: "Meine Flucht..." usw.)
  • Thomas Mann : Künstler u. Kämpfer in bewegter Zeit. Schmidt-Römhild, Lübeck, 1965
  • 153 Autobiographien der Flüchtlinge aus dem Dritten Reich Eigenverlag, Bromma 1966 (aus dem Mskr. gedr.)
  • Innere Emigration. Bromma 1971
  • Thomas Mann und die Seinen. Bern, München : Francke, 1973. ISBN 3-7720-1054-7
  • August Strindberg : der Mensch und seine Umwelt, das Werk, der schöpferische Künstler. Amsterdam : Rodopi, 1974. (Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur ; Bd. 4) ISBN 90-6203-061-0
  • Der Meister des politischen Romans: Lion Feuchtwanger. Stockholm 1976 (Reihe: Schriften des Deutschen Instituts der Universität Stockholm)
  • Nelly Sachs : Einführung in das Werk der Dichterin jüdischen Schicksals. Mit einem Prosatext "Leben unter Bedrohung", einer Auswahl von 30 Briefen aus den Jahren 1946 - 1958 und einem Bericht über die Nelly-Sachs-Sammlung in Dortmund. Kommentar Manfred Schlösser. Agora, Darmstadt 1974, ISBN 3-87008-046-9

Literatur

  • Zweifache Vertreibung. Erinnerungen an Walter A. Berendsohn, Nestor der Exil-Forschung, Förderer von Nelly Sachs Hgg. Jakob Hessing, Helmut Müssener & Hermann Zabel. Klartext, Essen 2000 ISBN 3-88474-925-0
  • Lexikon freireligiöser Personen. Rohrbach o. J. ISBN 3-930760-11-8
  • Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Hg. Archiv Bibliographia Judaica 1992.
  • Eckhart Pilick: Zwischen Theorie und Glauben. Disparate Tendenzen im Monismus. In: A. E. Lenz & Volker Müller (Hgg): Darwin, Haeckel und die Folgen. Monismus in Vergangenheit und Gegenwart. Neustadt am Rübenberge 2006 ISBN 3-933037-56-5
  • Lemma Walter Arthur Berendsohn in Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft: Band 1. Hg. Deutscher Wirtschaftsverlag AG , Berlin, 1931

Weblinks


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