Waldkindergarten

Waldkindergarten
Kleine Pause in einem Waldkindergarten
Schutzwagen des Waldkindergartens „Die Wipfelstürmer“

Der Waldkindergarten ist eine Form des Kindergartens, die aus Skandinavien stammt. In einem Waldkindergarten werden Kinder im Alter zwischen drei (manches Mal schon ab zwei) und sechs Jahren in der freien Natur betreut.

Inhaltsverzeichnis

Historisches

Ella Flatau aus dem dänischen Sölleröd begründete in den 1950er Jahren den ersten Waldkindergarten, nachdem sie zunächst mit ihren eigenen und mit Nachbarskindern häufig in den Wald gegangen war und diese Form der Kinderbetreuung großes Interesse bei anderen Eltern hervorgerufen hatte. Interessierte Eltern schlossen sich zusammen und gründeten eine Initiative, die den ersten Waldkindergarten ins Leben rief – eine Idee, die sich im skandinavischen Raum immer weiter ausbreitete.

Der erste Wald- und Naturkindergarten in Deutschland entstand 1968 in Wiesbaden. Die Begründerin Ursula Sube organisierte diesen Waldkindergarten privat, erhielt jedoch vom zuständigen Jugendamt nie eine offizielle Genehmigung für diese Form des Kindergartens. Eventuell ist dies einer der Gründe dafür, weshalb die Waldkindergartenbewegung erst in den 1990er Jahren größeren Anklang fand. Der erste anerkannte Waldkindergarten startete 1993 in Flensburg. Derzeit werden zahlreiche neue Gruppen gegründet. Heute gibt es etwa 300, andere Zahlen sprechen von mittlerweile etwa 450 (2005) Waldkindergärten in Deutschland, 23 Waldkindergärten in Österreich[1] und rund einem Dutzend Waldkindergärten und -krippen in der Schweiz.[2]

Bedingungen

Der Waldkindergarten wird häufig als „Kindergarten ohne Dach und Wände“ bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zu konventionellen Kindergärten besteht darin, dass die betreuten Kinder mit ihren Erziehern den Kindergartenalltag in der freien Natur, d. h. im Wald, auf der Wiese oder am Strand, verbringen. Die Aktivitäten im Freien finden bei jedem Wetter statt; Einschränkungen gibt es nur bei Witterungsbedingungen, die einen sicheren Aufenthalt im Freien gefährlich machen. Vorgeschrieben sind in Deutschland eine beheizbare Unterkunft in zumutbarer Nähe des Waldgebietes, in welcher Kinder und Erzieher bei sehr schlechten Witterungsbedingungen Schutz und Aufenthaltsmöglichkeit finden sollen. Hierzu dienen in der Regel ein beheizter Bauwagen oder eine Waldhütte. Im Waldkindergarten wird in der Regel auf handelsübliches Spielzeug verzichtet. Die Kinder spielen mit Naturgegenständen, die sie in ihrer Umgebung finden. Die vorgeschriebene Gruppengröße liegt bei einem Waldkindergarten bei 15 bis 20 Kindern bei einem Schlüssel von mindestens zwei staatlich anerkannten Erziehern. Abgesehen von diesen Rahmenbedingungen stellen sich die Waldkindergärten als normale Kindergärten vor, in welchen Kinder gebildet, begleitet und erzogen werden.

Die Rechtsform eines Waldkindergartens ist meist der eingetragene Verein (e. V.). Das pädagogische Personal sind dann Angestellte dieses Vereins. Finanziell trägt sich ein Waldkindergarten durch staatliche Zuschüsse, Spenden und Elternbeiträge. Die staatlichen Zuschüsse sind jedoch von Ort zu Ort verschieden. Vereinzelt betreiben die Erzieher den Waldkindergarten auch in Eigenregie und schließen dazu mit den Eltern privatrechtliche Verträge ab.

Auswirkungen der Waldkindergartenpädagogik

Zu den Auswirkungen der Waldkindergartenpädagogik gibt es inzwischen eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten (z. B. Grahn et al. 1997;[3] Gorges 1999, 2002; Häfner 2002).

Der tägliche Aufenthalt in der freien Natur unterstützt eine positive Entwicklung der kindlichen Motorik und Wahrnehmung in den Bereichen Grob- und Feinmotorik, Koordination, taktiler Wahrnehmung und Tiefensensibilität. Kinder, die einen Waldkindergarten besucht haben, sind auf schulische Anforderung nicht weniger gut vorbereitet als Kinder, welche einen Regelkindergarten besucht haben - sie werden sogar in der Mehrzahl der Bereiche etwas besser benotet (Häfner 2002; Gorges, 1999, 2002). Kinder im Waldkindergarten sind gesundheitlich stabiler, haben weniger Unfälle und fallen sicherer. Da die meisten Waldkindergärten konzeptionell kein konventionelles Spielzeug mit „vorgeschriebener“ Bedeutung nutzen und die Kinder mit Naturgegenständen spielen, wirkt sich die Waldpädagogik auch auf die Sprachentwicklung unterstützend aus, weil sich die Kinder über Bedeutung von Gegenständen und das Spielgeschehen häufiger verbal austauschen (Warmbold 2002). Im Waldkindergarten sind Kinder und Pädagogen generell weniger lärmbelastet als in geschlossenen Räumen. Traditionelle Kindergärten weisen eine höhere Lärmbelastung und daher auch einen erhöhten Stress bei Kindern und Erziehern auf. Festgestellt wurden auch positive Auswirkungen auf das Immunsystem von Kindern und Erziehern durch den stundenlangen Aufenthalt im Freien (Warmbold 2002).

Eine weitere Auswirkung der Waldkindergartenpädagogik liegt auf einer anderen Ebene: Seit der vermehrten Gründung von Waldkindergärten in Deutschland und Diskussionen und Publikationen zu diesem Thema beziehen immer mehr Kindergärten Waldtage, Waldwochen oder Waldprojekte in ihr Programm mit ein. Auf diese Weise versuchen sie, die Vorteile der Waldpädagogik zumindest zeitweise ihren Kindern zukommen zu lassen.

Literatur

  • Norbert Huppertz (1999): Handbuch Waldkindergarten. Konzeption. Methodik. Erfahrungen. PAIS-Verlag: Oberried, ISBN 3-931992-18-7
  • Michael Kalff (2001): Handbuch zur Natur- und Umweltpädagogik. Günter Albert Ulmer Verlag: Tuningen, ISBN 3-924191-71-9
  • Sabine Köllner / Cornelia Leinert (1997): Waldkindergärten. BDF Fachverband Forst e.V., Schriftenreihe – Band 6 RIWA Verlag: Augsburg, ISBN 3-932374-05-3
  • Ingrid Miklitz (2000): Der Waldkindergarten. Dimensionen eines pädagogischen Ansatzes. Berlin, 4. Auflage 2011 ISBN 978-3-589-24739-4
  • Kathrin Sandhof / Birgitta Stumpf (1998): Mit Kindern in den Wald. Wald-Erlebnis-Handbuch. Ökotopia Verlag: Münster, ISBN 3-931902-25-0
  • Rudi Nützel (1999): Den Wald erleben mit Kindern. Südwest Verlag, ISBN 3-517-07650-3
  • Alexandra Schwarzer (2006): Schaukelfee und Klettermax – Seilspielgeräte im Wald für Kinder. ProBusiness Verlag, ISBN 3-939000-75-2
  • Schaffert, Sandra (2004). Der Waldkindergarten. In: Martin R. Textor (Hrsg.), Kindergartenpädagogik – Online-Handbuch. URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1216.html.
  • Roland Gorges (1999): Vernachlässigt der Waldkindergarten die Schulfähigkeit? In: KiTa aktuell (Ausgabe Baden Württemberg) 5, 113-117
  • Roland Gorges (2002): Waldkindergartenkinder im ersten Schuljahr. Eine empirische Untersuchung. In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik 7/8, S. 10-18
  • Hans-Georg Schede (2000): Der Waldkindergarten auf einen Blick. Herder Verlag, Freiburg, ISBN 3-451274-03-5
  • Katharina Freiesleben / Regina Michael-Hagedorn (2003): Kinder unterm Blätterdach: Walderlebnisse planen und gestalten. Verlag Modernes Lernen, Auflage 2., ISBN 3-861451-84-0
  • Peter Häfner (2002): Natur- und Waldkindergärten in Deutschland - eine Alternative zum Regelkindergarten in der vorschulischen Erziehung. URL: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2003/3135/pdf/Doktorarbeit_Peter_Haefner.pdf
  • Wiebke Warmbold (2002): Kulturpädagogik im Waldkindergarten. Eine Untersuchung zur elementaren kulturellen Bildung und ästhetischen Praxis. Diplomarbeit, 166 S. URL: http://www.grin.com/de/e-book/154757/kulturpaedagogik-im-waldkindergarten

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Waldkindergärten in Österreich
  2. Waldkindergärten in der Schweiz
  3. Grahn, P., Mårtensson, F., Lindblad, B., Nilsson, P. & Ekman, A. (1997). Ute på dagis. Hur använder barn daghemsgården? Utformningen av daghems-gården och dess betydelse för lek, motorik och koncentrationsförmåga. Stad & Land nr 145. Alnarp/Schweden.

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