Wahlgleichheit

Wahlgleichheit

Die Wahlgleichheit ist eine Ausprägung des Gleichheitsprinzips, die dieses Prinzip auf das Wahlrecht anwendet.

Eine Gewichtung der Stimmen ist hiernach nicht zulässig. Auch das Recht, mehrfach abzustimmen, ist mit der Wahlgleichheit nicht vereinbar. Dies ist auch aus dem Englischen als „One man, one vote“ oder aus dem Französischen als „Égalité“ bekannt. Das Klassen- oder Ständewahlrecht verletzte das Prinzip der Wahlgleichheit, da den Stimmen der abstimmenden Personen unterschiedliches Gewicht beigemessen wurde.

Wahlgleichheit in der Bundesrepublik Deutschland

Wahlgleichheit bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass

  1. jede Stimme den gleichen Zählwert hat (100.000 Stimmen = 100.000 Stimmen, d.h. nicht: 100.000 Stimmen = 1 Sitz)
  2. jede Stimme die gleiche rechtliche Erfolgschance (nicht „Erfolg“) hat
  3. eine Betrachtung im Zeitpunkt der Stimmabgabe (vor der Zählung, ex ante) stattfindet.

Das Gericht unterscheidet je nach Wahlsystem (Verhältniswahl oder Mehrheitswahl) zwischen den verschiedenen Varianten der Wahlgleicheit. Das Wahlrecht muss ein konsistentes System bilden. Daher dürfen nicht willkürlich Elemente des Verhältniswahlrechts mit dem des Mehrheitswahlrechts kombiniert werden.

Die unterschiedlichen Maßstäbe des BVerfG bei Mehrheitswahl und Verhältniswahl werden zum Teil als Lochtheorie kritisiert.

Auszug aus BVerfGE 95, 335 (353 f.)

„Aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit (...) folgt für das Wahlgesetz, daß die Stimme eines jeden Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muß. Maßgeblich ist hierbei eine Betrachtung ex ante. Dieses Gleichheitserfordernis wendet sich historisch gegen eine unterschiedliche Gewichtung der Stimmen nach der Person des Wählers, seiner Zugehörigkeit zu einer Klasse oder seinen Vermögensverhältnissen (...); es wahrt heute eine Chancengleichheit im strengen und formalen Sinne (...stRspr).
Die in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich vorgegebene Wahlgleichheit wirkt sich in der Mehrheitswahl und in der Verhältniswahl jeweils unterschiedlich aus: Dem Zweck der Mehrheitswahl entspricht es, daß nur die für den Mehrheitskandidaten abgegebenen Stimmen mit gleichem Zählwert zur Mandatszuteilung führen. Die auf den Minderheitskandidaten entfallenden Stimmen bleiben hingegen bei der Vergabe der Parlamentssitze unberücksichtigt.
(...)
Hingegen bedeutet Wahlgleichheit bei der Verhältniswahl, daß jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluß auf die parteipolitische Zusammensetzung des Parlaments haben kann (...stRSpr). Daraus ergeben sich Anforderungen einer spezifischen Erfolgswertgleichheit der Verhältniswahl für das Sitzzuteilungsverfahren nach der Stimmabgabe, in welchem die Zahlen der für die Listen abgegebenen Stimmen zueinander ins Verhältnis gesetzt und danach die in der Listenwahl zu vergebenden Sitze zugeteilt werden.
(...)
Die Entscheidung für ein bestimmtes Wahlsystem, entweder für die Verhältnis- oder für die Mehrheitswahl oder für eine Kombination beider Systeme, bedeutet zugleich, daß der Gesetzgeber die im Rahmen des jeweiligen Systems geltenden Maßstäbe der Wahlgleichheit zu beachten hat.“

Einzelne Sachverhalte

Vielfach bestanden in der Vergangenheit Wahlgesetze, in denen das Prinzip der gleichen Wahl keine Anwendung fanden. Beispiele sind das Zensuswahlrecht und das Dreiklassenwahlrecht. Aber auch heute wird das Prinzip der gleichen Wahl vielfach in Frage gestellt: Befürworter eines Kinderwahlrechtes fordern faktisch ein Mehrfachstimmrecht für Eltern. Mit der Einführung von Quotenregelungen wie einer Frauenquote erlangen die begünstigten Gruppen ein höheres Stimmgewicht.

Die Frage der Wahlgleichheit spielt auch in der Debatte über Größe und Zuschnitt der Wahlkreise eine Rolle. Deutlich unterschiedliche Größe der Wahlkreise führen zu unterschiedlichen Erfolgschancen der Wähler je nach Wahlkreis.

Siehe auch: Erfolgswert


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