Wackerbarth-Salmour

Wackerbarth-Salmour

Wackerbarth ist der Name eines Uradelsgeschlechts aus dem einstigen Herzogtum Sachsen-Lauenburg, dem heutigen Kreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge der Familie

Die ersten Namensträger entstammten einer Linie der edelfreien Witten („die Weißen“), die bei der Landnahme in den wendischen Gebieten um Ratzeburg unter den Herzögen Albrecht der Bär und Heinrich der Löwe mitwirkten. Der Name der unweit gelegenen Stadt Wittenburg, Landkreis Ludwigslust, (erstmals 1154 erwähnt) dürfte auf die Errichtung einer Burg durch die Witten auf dem vormals slawischen Ringwall zurückgehen. Auch einer der drei – seit dem 8. Jahrhundert bestehenden – polabischen Burgwälle, die der Razesburg (Ratzeburg) im südlichen Umland vorgelagert waren, dürfte den Witten gegen Mitte des 12. Jahrhunderts zur Besatzung und Ansiedelung zugeteilt worden sein: der Oldenburger Wall in Horst (Lauenburg), an der Straße von Neuhorst nach Lehmrade gelegen (nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Wall in Oldenburg/Ostholstein), samt der dazugehörigen Siedlungskammer, zu welcher die Hörigendörfer Kogel (Kovale = Schmiede), Sterley (Stralige = Pfeilschmiede) sowie die Siedlungen Kolatza (= Bäcker) und Clotesfelde (= Fischer und Baumfäller) gehörten.

Erster überlieferter Angehöriger des Geschlechts ist der Lauenburger Magnat „Otto der Ältere“, erwähnt in einer Urkunde von 1219, der offenbar bereits in der Generation zuvor ein Edelherr im Gefolge des Grafen Heinrich von Badewide war. In der gleichen Urkunde wird auch „Otto der Jüngere“ aufgeführt, wahrscheinlich sein Sohn, der wiederum identisch sein dürfte mit jenem Otto de Witte (lateinisch Otto Albus), der bereits in einer Urkunde von 1190 auftaucht, der ersten Urkunde, in der überhaupt Lauenburgische Adelige namentlich genannt sind, und der erneut 1194 als Burgmann von Ratzeburg erscheint. Dieser Otto Albus (II.) tritt als Zeuge für Bischof Isfried auf und verwaltet offenbar die zuvor von Bischof Evermod begründeten kirchlichen Besitzungen. Er ist Lehnsinhaber in Groß Thurow. Dessen Sohn Otto Albus (III.), gelegentlich auch als Otto von Wittenburch erwähnt, wurde Camerarius (Kämmerer, Finanzverwalter) des dänischen Statthalters Graf von Orlamünde, Albrecht II. (Weimar-Orlamünde). Ottos III. Sohn Otto (IV.) de Cowale (Kogel, ein Gut südlich von Ratzeburg in der Gemeinde Sterley) ist zwischen 1228 und 1246 häufig im Dienst des Herzogs Albrecht I. (Sachsen) oder in Geschäften des Ratzeburger Bischofs nachgewiesen. Er besitzt Lehen in Kogel, Sterley, Eich-Horst, Dargow, Klein Thurow und Groß Disnack. Von ihm könnte die fast wappengleiche Familie von Witte abstammen, die als Lokatoren ab etwa 1230 in der Neumark, südöstlich von Angermünde, erscheinen und Herren der Insel von Neuenhagen (Bad Freienwalde) sowie der Güter Gabow, Hohen- und Niederwutzen, Kleinmantel und Zachow sind, bis sie gegen 1490 aussterben.

Möglicherweise ein Bruder Otto Albus’ II., Konrad de Witte, genannt Wackerbart („tapfere Streitaxt“ – Barte bedeutet Kriegsbeil -, ein Beiname, den er sich in der Schlacht bei Verchen 1164 erworben haben könnte), gründete als Lokator die spätere Stadt Mölln, die in der Bezeichnung Antiquum Mulne erstmals 1194 erwähnt ist. Ein Tiethardus von Mölln, vermutlich sein Sohn, errichtete 1212 eine Klosterstiftung in Hamburg. Dessen Schwester dürfte jene Jungfer „de Witte, Tochter des Ritters Wackerbard“ gewesen sein, die den nach 1211 verstorbenen Herrn von Barmstedt heiratete. Um Tiethardus’ Sohn könnte es sich bei dem 1224 erwähnten Kämmerer Konrad von Lauenburg gehandelt haben und wiederum um dessen Sohn bei dem zwischen 1238 und 1263 vielfach erwähnten Ritter Konrad Wackerbart (II.). Er erwarb von der Familie von Barmstedt durch Heirat ein Lehen in Todendorf bei Ahrensburg, Kreis Stormarn, später wird er auch Herr auf Kogel, Horst, Hollenbeck, Neuenkirchen und Zehnthufen in Mölln. Mit ihm beginnt die gesicherte Stammreihe. Seine Nachfahren, die bald auf zahlreichen Gütern im Lauenburgischen, in einem Zweig teils auch in Mecklenburg, ansässig wurden und fortan allein den alten, kämpferischen Spitznamen als Nachnamen führten, stellten jahrhundertelang Stadthaupt­männer (so etwa „Otto den Krug“ 1398 in Lübeck), Stiftshauptmänner, Vögte, Räte, Pröbste, Domherren, Ordenskomture, Generäle, Minister, Hofmarschälle und andere fürstliche, städtische und kirchliche Amtsträger.

Weitere Entwicklung und Verbreitung

Gut Tüschenbek im 16. Jh.

Nachdem frühere Seitenzweige nur bis zu drei Generationen bestanden hatten, teilte sich das Geschlecht in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in zwei Stämme auf, die von den Brüdern Hartwig (Stamm A) und Detlof (Stamm B) ausgingen. Ein dritter Bruder, der Älteste, war Georg Heinrich, Herr auf Kogel, Horst und Segrahn, der als Heerführer 1491 mit Herzog Heinrich die Stadt Braunschweig belagerte und später als Armeegeneral Ludwigs XII. von Frankreich in den spanischen Niederlanden kämpfte. Nach dem Tod seines Sohnes um 1540 wurde das Stammgut Kogel gemeinschaftliches Lehen beider Stämme bis 1701. Anschließend hatte Stamm A Kogel allein inne und Stamm B saß auf dem zuvor erworbenen Gut Tüschenbek bei Groß Sarau, bis zu seinem Erlöschen im Mannesstamm 1785. Das erstmals 1194 erwähnte Kogel blieb von der Zeit der Kolonisation bis zum Erlöschen der Hauptlinie des Stammes A im Jahre 1850 im Lehnsbesitz der Familie.

Angehörige des Stammes B besaßen ferner zeitweise in Mecklenburg die Güter Katelbogen, Moisall, Poglow, Kassow und Tessin sowie im Havelland Lünow. Angehörige des Stammes A erwarben im 18. Jahrhundert in der Niederlausitz die Güter Koschendorf, Briesen (Spreewald) und Linderode (alle drei bis 1945 im Besitz der Familie) sowie im gräflichen Zweig des 18. Jahrhunderts – begründet von Christoph August, siehe unter Namensträgern – die sächsischen Besitze Großsedlitz, Wackerbarths Ruh' (Radebeul-Niederlößnitz), die Herrschaft Zabeltitz und das Kurländer Palais in Dresden sowie – in der piemontesischen Adoptivlinie Wackerbarth-Salmour, welche die drei letzteren Besitze erbte – zudem die Güter Kittlitz und Unterwürde bei Löbau sowie die bis ins 19. Jahrhundert bestehenden savoyischen Lehnsgrafschaften Salmour und Andezeno, die Herrschaft Baldichieri nebst Palais in Chieri und Turin sowie das Wiener Sinzendorf-Palais in der Krugerstraße.

Wappen

Schild von Rot und Silber geviert.

Bedeutende Namensträger

  • Georg Heinrich von Wackerbarth, Heerführer, belagert 1491 mit Herzog Heinrich die Stadt Braunschweig, später kämpft er als Armeegeneral Ludwigs XII. von Frankreich in den spanischen Niederlanden
  • Christian Ulrich von Wackerbarth (1641-1701), Mitherr auf Kogel, Herr auf Tüschenbeck, seit 1685 Oberhauptmann der braunschweig-lüneburgischen Hafenfestung Harburg, besetzte unmittelbar nach dem Aussterben der Lauenburger Herzöge 1689 Ratzeburg, vertrieb die Beamten und Agenten der konkurrierenden Thronanwärter aus Sachsen, Mecklenburg und Dänemark (gegen letztere zog er - nach Befestigung Ratzeburgs - zu Felde) und sicherte so die Thronfolge für die Welfen, in enger Abstimmung mit dem Premierminister des Celler Herzogs Georg Wilhelm, seinem Schwager Andreas Gottlieb von Bernstorff
  • August Heinrich von Wackerbarth auf Kogel (1651-1711), bewachte als Drost zu Ahlden viele Jahre lang die dort gefangengesetzte Tochter des Celler Herzogs Georg Wilhelm und geschiedene Frau des späteren englischen Königs Georg I., Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg; sein Brudersohn
  • Graf Christoph August von Wackerbarth (1662-1734) wurde in Sachsen Generalfeldmarschall und Generalbauintendant Augusts des Starken und gilt als "Regisseur" des Dresdner Barock; dessen Stief- und Adoptivsohn
  • Graf Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour (1685-1761) wurde sächsischer Gesandter, Oberhofmeister und Kabinettsminister. Er begründete den vier Generationen später erloschenen sächsisch-piemontesischen Zweig
  • August Josef Ludwig von Wackerbarth (1770-1850), Historiker, Kunsthistoriker und Kunstsammler, war der Letzte auf Kogel, das nach seinem Tod 1850 als erledigtes Lehen von der dänischen Krone eingezogen wurde. Ein unehelicher Sohn des Letzteren, Theobald (Teut) von Wackerbarth (1816-1904), wurde zwar 1847 adelsrechtlich legitimiert, jedoch für Kogel nicht als lehns­fähig anerkannt und richtete sich daher später als Wohnsitz die Heimburg in Niederheimbach am Rhein her. Dessen Nachfahren, die das Gut Koschendorf in der Niederlausitz bis 1945 besaßen, leben heute in Kanada.
  • Ludwig von Wackerbarth (1749-1817), ein Großneffe des Generalfeldmarschalls, Mitherr auf Kogel, kaufte 1786 das Gut Briesen im Spreewald, wurde 1810 sächsischer Freiherr und adoptierte 1811 gemeinsam mit seiner Frau Helene von Bomsdorff zwei Neffen, die zu „Freiherren von Wackerbarth genannt von Belling“ (ohne männliche Nachfahren) bzw. „genannt von Bomsdorff“ erhoben wurden (letztere blühen in den Zweigen Linderode und Briesen/Rethmar bis heute).

Weitere Hinweise

Wackerbarth ist ferner der Name einer bürgerlichen Familie. Dieses ursprünglich hessische Bauerngeschlecht, Nachfahren des erstmals 1536 erwähnten Bauern Simon Wackerbarth aus Wehren bei Fritzlar, mit einem im 19. Jahrhundert in die USA ausgewanderten Zweig, steht in keiner nachgewiesenen Verbindung zu dem Lauenburger Adelsgeschlecht. Zu dieser Familie gehört Horst Wackerbarth.

Literatur

Quellen

  • Christopher Frhr. von Warnstedt, „Einiges über die von Wackerbarth“, in: Lauenburgische Heimat, Zeitschrift des Heimatbundes und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg e.V., Heft 67 (1969), S. 11-30.
  • Wilhelm Biereye, „Über die Personen im Ratzeburger Zehntenlehn-Register von 1230“, in: Mecklenburg-Strelitzer Geschichtsblätter, 9. Jahrgang, 1933
  • Wolfgang Prange, „Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter“, Neumünster 1960, S. 84, 259
  • Prof. F. Bertheau, Arbeiten zum Zehntenlehn-Register im Archiv des Heimatbundes und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg e.V.
  • Stammtafeln der Familie von Wackerbarth, Familienarchiv, Frhrl. v. Wackerbarth’sche Verwaltung, Rethmar
  • (Zu Conradus Wackerbart, Lokator von Mölln) Hans-Georg Kaack in: Lauenburgische Heimat (s.o.), Heft 120 (1988), S. 7; Heft 129 (1991), S. 3 ff.
  • (Zu Wittenburg) O. Vitense, „Geschichte von Mecklenburg“, S. 58 ff. sowie
  • Fritz Haeger, „Die deutschen Ortsnamen Mecklenburgs seit Beginn der Kolonisation“, Wismar 1935
  • (Zum Oldenburger Wall) Hansjörg Zimmermann, „Kontinuität und Tradition, Die Bedeutung der drei slawischen Dörfer in der Dotationsurkunde für das Bistum Ratzeburg“, in: Lauenburgische Heimat (s.o.), Heft 78 (1973), S. 1-22 m.w.H.

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