Von der Freiheit eines Christenmenschen

Von der Freiheit eines Christenmenschen

Von der Freyheith eines Christenmenschen (lateinischer Titel: De libertate christiana) ist der Titel einer aus 30 Thesen bestehenden Denkschrift Martin Luthers aus dem Jahr 1520. Das Werk Luthers gehört zu seinen bedeutendsten Schriften zur Reformationszeit. Die Denkschrift widmete Luther seinem Freund Hieronymus Mehlpfordt (Hermann Mühlpfordt), dem Bürgermeister der Stadt Zwickau in Sachsen.

Inhaltsverzeichnis

Anlass

Anlass für die Schrift war die gegen Martin Luther gerichtete päpstliche Bannbulle. Der Kammerherr Karl von Miltitz aus Sachsen versuchte im Streit zwischen Luther und dem Papsttum zu vermitteln, indem er einen Sendbrief an Papst Leo X. schrieb und ihm die ins Lateinische übersetzte Denkschrift hinzufügte.

Ursache und Zielrichtung

Im Mittelalter galt das Christentum als heilige Ordnung, welche jedem Menschen einen festen, von Gott vorbestimmten Platz zuordnete. Die Kirche als Ganzes hatte zwar laut dem Evangelium die Freiheit, diese Ordnung im Wesentlichen nach eigenem Gutdünken festzulegen (im Gegensatz zur Bindung an ein detailliertes göttliches Gesetz, wie es das Judentum kannte). Der einzelne Mensch aber hatte sich in diese Ordnung einzufügen. Nur durch die Einfügung in die Ordnung und die Erfüllung vielfältiger, von der Kirche definierter formaler Pflichten hatte der Christ gemäß der bis dahin verbindlichen Rechtfertigungslehre Teil am Heil Christi. Damit wirkte Religion der individuellen irdischen Freiheit direkt entgegen und verwies lediglich auf ein jenseits besseres, gerechtfertigtes Leben bei Gott.

Martin Luther setzte dieser Sichtweise radikal die den Schriften des Paulus entnommene Auffassung entgegen, dass der Christenmensch gerade im Hier und Jetzt frei sein müsse. Luther begründet dies damit, dass der Mensch nicht durch Taten, sondern allein durch den Glauben gerechtfertigt sei. Allerdings hatte auch Paulus christlichen Sklaven dazu geraten, sich nicht gegen (christliche) Herren zur Wehr zu setzen (I Kor. 7, 21-24), da wahre Freiheit nur im Glauben an Jesus Christus zu finden sei. (vgl. Joh 8, 32, 8,34 und 8,36). [1]

Von der Freyheith eines Christenmenschen markiert eine geistesgeschichtliche Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit. In den Thesen postulierte er die Summe der christlichen Freiheiten. Diese stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern stellen nach heutigem Verständnis eher eine Argumentationsreihenfolge dar. Der zentrale Gedanke besteht in einer Umkehrung der bis dahin geltenden Grundauffassung der Beziehung zwischen Religion und Freiheit.

Die Evangelische Freiheit wird durch folgende Stelle der Luther-Schrift oft zitiert:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Luthers Text hatte – von ihm selbst ungewollt – bedeutenden Einfluss auf den Deutschen Bauernkrieg, da die aufständischen Bauern den Begriff Freiheit (von Luther in rein theologischem Sinn verwendet) auf ihre weltliche Lebenssituation bezogen und deshalb in den Zwölf Artikeln das Ende der Leibeigenschaft von ihren Grundherren forderten. Luther distanzierte sich 1525 mit seiner Schrift Wider die mörderischen Rotten der Bauern jedoch scharf von dieser Gewalt rechtfertigenden Lesart seines Textes.

Literatur

  • Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, ISBN 978-3-579-05427-8.
  • Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen. Hörbuch. Schmidt Hörbuchverlag, Schwerin 2008, ISBN 978-3-937976-95-2 (1 CD, gelesen von Hans J. Schmidt).
  • Reinhold Rieger: Von der Freiheit eines Christenmenschen, De libertate christiana. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149362-1 (Kommentar).

Weblink

Einzelnachweise

  1. Vgl. Henneke Gülzow, Christentum und Sklaverei in dern ersten drei Jahrhunderten, Bonn 1969, S. 177ff.

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